Sie erinnern sich an Frau Ruckdäschl? Frau Ruckdäschl lebt noch und ist bei bester Gesundheit. Sie bewohnt die Parterre-Wohnung in einem Mietshaus, in dem wir vor Jahren mal wohnten. Dort lebt sie hinter der immer spaltbreit geöffneten Wohnungstür und ihrem Balkon. Obwohl schon etwas schlecht zu Fuß, gelingt es ihr, quasi unter Ausserkraftsetzung physikalischer Gegebenheiten, an beiden Ortens gleichzeitig zu sein: Auf dem Balkon und an der spaltbreit geöffneten Wohnungstür.
Auf dem Balkon zupft sie ihre Geranien, die sie aufgrund ihrer ewig lang zurückliegenden Herkunft aus Norddeutschland „Scherohni-en“ sagt, weshalb unsere Kinder und später auch wir, von ihr selbst auch nur noch als der Scherohnie sprechen. Sie selbst hat aber inzwischen, außer bei einigen hartnäckigen Vokabeln, das breite hiesige Idiom angenommen und babbelt und schwätzt im etwas breitmäulig vorgetragenen, weichen Dialekt der hiesigen Eingeborenen.
Nun also trieb mich neulich ein Besuch bei einem ehemaligen Nachbarn wieder in dieses von der selbsternannten Concierge Frau Ruckdäschl-Scherohnie bewachte Haus.
Nach dem Besuch musste ich natürlich auch wieder hinunter zur Parterre, um zur Haustüre zu gelangen. Dabei muss man zwangsläufig an der Tür der Scherohnie vorbei.
Ich verhalte mich ja schon seit eh und je so leise wie es irgend geht, aber auch wenn sonst der Zahn der Zeit schon heftig an der Ruckdäschl genagt hat, ihr Gehör ist das einer Waldohreule. Dieses Mal erwischte mich das ebenso neugierige, wie geschwätzige Weib, und als ob ich nie da ausgezogen wäre und ihr immer noch tagtäglich begegnen würde, sprach sie mich an:
„Ah Sie, gut des Sie jetzat grad vorbeikumme! Gut, des Sie do sin‘. Sie könnte mir eben mol drei Farbeimer aus dem Keller hole!“
Hat sie einen mal erwischt, ist es am besten, wenn man gar nicht viel redet, sonst ist man auf Stunden im Gespräch gefesselt! Und da ich keine Lust verspüre, ein bis zwei Stunden über Backpulver oder die Vorzüge von Hornkämmen zu sprechen, nicke ich nur.
Die Ruckdäschl erklärt stolz: „Isch hab nämlich Farb‘ bestellt, und die steht jetzat im Keller, die ist fürs Wohnzimmer. Echte Harry Potter Farbe!“
Das muß ich dann aber doch hinterfragen: „Wie bitte? Harry Potter Farbe?“
„Ja, so heißt die werklisch! Ich war beim Maler Müller und do war so eine Musterwand, da hebb isch gesacht, daß des genau die rischtisch Farb‘ für mein Wohnzimmer wär. Do hat er gesacht: Des ist Harry Potter! Dann heb isch die bestellt, die ist geliefert worde‘ und steht jetzat im Keller. Heut‘ Nachmittag kommt mein Schwager, der streicht mir des.“
Ich gehe runter in den Keller, bin gespannt auf die Harry-Potter-Farbe. Ist es eine, die sich wie von Zauberhand selbst auf die Wände sublimiert?
Oder wechselt dieser Anstrich seine Farbe, wenn man geheime Zauberformeln murmelt?
Ich biege um die Ecke zu Frau Ruckdäschls Keller und da stehen tatsächlich drei Farbeimer.
Terracotta hat sie gemeint, Terracotta!
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