Für viele kam es sehr überraschend: Der bekannte Berliner Apple-Händler Gravis schließt bundesweit alle 37 Filialen. Damit bleibt Kunden, die Apple-Produkte gerne im Laden kaufen, nur noch der Weg in die rar gesäten Apple-Stores oder zu Media Markt und Saturn.
Neben den großen Elektronikmärkten und den Apple-Stores war Gravis eine beliebte Alternative. Auch ich schätzte den unabhängigen Fachhändler mit seinem eigenen Reparaturservice.
Nach eigenen Angaben war Gravis der „größte autorisierte und zertifizierte Apple-Händler und Apple-Servicepartner in Europa“.
Schuld sein soll Apple. Der Konzern habe die Margen für Händler so drastisch reduziert, dass selbst bei großen abverkauften Stückzahlen kein ausreichender Gewinn mehr möglich sei.
Ob Apple überhaupt wahrgenommen hat, dass es Gravis gab, ist so eine Frage.
Als mir jemand per iMessage schrieb, dass Gravis zu macht, habe ich geantwortet: „Schade! Habe immer gerne da gekauft. Kaum war ich mal 6 Jahre nicht da, schon machen die zu!“
Und das kennzeichnet meines Erachtens den wahren Sachverhalt.
Natürlich gibt es immer noch sehr viele Kunden, die lieber im Geschäft einkaufen, aber Apple verkauft seine Produkte sehr offensiv online, mit einer superschnellen Lieferung und vielen Konfigurationsoptionen.
Da muss ein stationärer Händler hinterherhinken.
Es stellt sich also die Frage, ob Gravis oder sagen wir generell Fachgeschäfte wie Gravis in Zukunft noch überleben werden.
Mir tut es weh, wenn ich sehe, wie die Innenstädte immer mehr an Reiz verlieren. Noch eine Douglas-Filiale und noch ein Handy-Laden neben einem Handy-Laden, neben einem Subway, neben einem McDonalds und zwischendrin noch ein Handy-Laden…
Ich gebe es zu: Ich trage nicht das Geringste zum Erhalt der Vielfalt bei, ich kaufe fast alles online. Ist so.
Die Vorteile muss ich niemandem erklären.
Die Nachteile werden sich aber erst noch zeigen.
Denn die Marktmacht von Amazon ist riesig. Ohne Probleme kann Amazon seine Spielregeln den eigenen Bedürfnissen anpassen. Da wird die Mindestbestellmenge für den kostenlosen Prime-Versand schnell mal eben verdoppelt, da wird die Zeit zum problemlosen Retournieren von Ware halbiert und beim Prime-Streaming wird eben mal genau das eingeführt, weshalb man sich eigentlich teure Streamingdienste leistet: Werbung.
Da kann noch einiges auf uns zukommen. Denn letztendlich kann Amazon mit seinen Kunden machen, was sie wollen. Es gibt ja fast keine Alternative mehr. Und so werden wir, mich eingeschlossen, irgendwann merken, dass wir uns einem Marktriesen bereitwillig ausgeliefert haben, der genau das tut, wofür er geschaffen wurde: An uns Geld zu verdienen, koste, es was es wolle.
Das Ende von Gravis ist nur eine kleine Epsiode. haben wir doch neulich erst den Männerladen Nummer Eins eingebüßt: Conrad.
Darüber zu jammern ist aber läßlich, denn dass es kaum noch Musikalienhandlungen gibt, liegt einfach daran, dass alle bei Thomann kaufen und dass es immer weniger Apotheken gibt, liegt an den ganzen Versandapotheken.
Letztlich stimmt der Kunde durch sein Verkaufsverhalten darüber ab, wie es weitergeht.
Für den stationären Fachhandel sehe ich da eher Schwarz.
Bildquellen:
- apple-verkauf: Peter Wilhelm ki
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Du bist anscheinend genauso ein alter Sack wie ich. Völlig resistent gegen den Fortschritt… 🙂
Wir haben allerdings die Gnade der frühe Geburt und können unseren Kindern und Enkel noch Geschichten aus der „guten, alten Zeit“ erzählen, in der es in jedem Kaff, in in jeder Straße, noch mindestens einen Tante-Emma-Laden gab, einen Milchladen, eine Drogerie, einen Kiosk und weiter Graswurzel-Geschäfte. Dort konnte man kurz vor dem Ersten sogar anschreiben lassen.
Features, die bei der Generation Z nur unverständliches Schulterzucken auslösen, bevor sie bei Amazon, Zalando, und, und, und ihren Kram zusammenklickt.
Ich sehe die Zukunft allerdings nicht ganz so schwarz. Sicher wird ein Großteil der Volumenartikel bald nur noch Online verkauft. Aber es gibt noch kleine, feine Läden, und die wird es auch weiterhin geben. Vielleicht sogar mit steigender Tendenz.
Ich habe eben gerade mit dem Support von Fractal Audio telefoniert, einem Hersteller des besten Amp Modellers auf dem Markt. Als ich meinen FM9 hochfuhr, hatte ich nämlich die Meldung auf dem Bildschirm, dass es eine neue Firmware gibt.
Bevor ich sie installierte, habe ich mich telefonisch rückversichert, dass ich meine Einstellungen dadurch nicht abschieße. Das Gespräch war unkompliziert, die Auskunft höchst kompetent und einfach nur cool.
Eines Tages wird Jeff Bezos mit seiner Megayacht davondüsen, und Amazon wird (hoffentich) absaufen, wie einst Horten, Hertie, und, und, und.
Am Ende überlebt nur Klasse, statt Masse.
Schon richtig, was Du sagst. Aber in welchem feinen Fachgeschäft hast Du Deinen FM9 gekauft?
Ich sehe es tatsächlich schwärzer.
Noch befinden wir uns in einer Phase des Nachsickerns.
Geschäfte der Grundversorgung, wie Obst- und Gemüseläden, Metzgereien und Haushaltswarengeschäfte geben auf. Es findet sich derzeit in einigen Fällen noch ein Nachmieter, das ist dann oft aber ein Nischenanbieter a la feiner Teeladen oder eine Weinhandlung.
Die verschwinden aber, so sieht man es allenthalben, nach ein paar Jahren auch wieder und dann wird aus dem Laden eine Wohnung gemacht.
Viele Einkaufsstraßen sind heute schon zu 50 % und mehr von Läden besiedelt, die mit der Versorgung der Bevölkerung nichts zu tun haben: Immobilienmakler, Versicherungen, Handygeschäfte, Spielautomaten, Wettanbieter, Matratzenhändler und eben mancher kleiner, feiner Laden.
Und das ist das Problem: Die Leute gehen los, um für den tägl. Bedarf einzukaufen. Sie wollen einen Metzger, ein Gemüsegeschäft, einen Bäcker und eine Drogerie sowie eine Apotheke.
Fällt nur eins dieser elementaren Geschäfte weg, müssen sie, um eben diese Sachen kaufen zu können, auf die „grüne Wiese“ fahren. Und wenn sie erst mal beim Discounter oder im Supermarkt sind, kaufen sie halt alles andere auch dort.
Schau: Hier im Ort gibt es keinen Metzger mehr und ich glaube nur noch einen selbstbackenden Bäcker.
Mindestens zwei Geschäfte überleben nur noch, weil sie gleichzeitig auch Post sind. Andere müssen auch Paketdienstleistungen anbieten.
Gehe doch die Hauptstraße mal rauf und runter. Wie viele Leerstände gibt es und in wie vielen Ladenlokalen ist was anderes drin, als das, was benötigt wird (Waschmaschinenreparatur, Digitaldruck, Sicherheitstechnik, Tauchsport, Bestatter….)?
Die genannten Unternehmen könnten sonstwo sein, sie sind aber nur an der Hauptstraße, weil die Grundversorger aufgegeben haben und sie nachrücken konnten.
Gerade hier in unser beider Viertel kann ich Dir zwölf Läden zeigen, in denen heute Wohnungen sind oder irgendein Nachrücker wie Pflegedienste, Physio usw.
Als ich Anfang der 90er nach Feudenheim zog, gab es rund um meinen Wohnort 13 kleine Geschäfte. Da waren zwei Bäckereien, zwei Metzger, ein Obst- und Gemüsegeschäft usw. dabei. Heute gibt es kein einziges mehr davon.
Ein Pflegedienst, ein Hörgerätegeschäft, eine Schülernachhilfe, ein Raumaustatter und ein Physiotherapeut sind die Nachrücker. Alle anderen Geschäfte sind heute Wohnraum. Lediglich einer der Bäcker ist von einer Bäckereikette übernommen worden.
Macht der zu, dann ist der Standort auch tot und es wird eine Wohnung mehr geben.