Satire

Elternabend

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Elternabend sagt man ja normalerweise, wenn man die Sitzung der Klassenpflegschaft oder der Elternversammlung meint. Normalerweise sollte das so ablaufen, daß der Elternsprecher (also der Sprecher oder Vorsitzende der Klassenpflegschaftsversammlung, wie auch immer) zu einem Elternabend einlädt und dann dort mit den anderen Eltern gemeinsam über die schulische Entwicklung der Kinder und das vor den Eltern und Schülern liegende Halbjahr spricht.Die Lehrer können als Gäste geladen sein, von den Eltern befragt werden und ihre Themen, Wünsche und Ideen vorstellen. So sollte es sein und wenn es so gemacht würde, dann würde auch etwas dabei heraus kommen.

Doch die Realität sieht anders aus.
Nicht der Elternsprecher lädt ein, sondern der Lehrer. Der Klassenlehrer gibt dem Elternvertreter Termin und Tagesordnung vor und der Elternvertreter darf dann auf dem eigenen PC noch seinen Namen drüberschreiben und ansonsten nur wiederkäuen. Am Elternabend stellt sich, wie selbstverständlich, der Klassenlehrer in den Mittelpunkt, lässt ein prasselndes Feuerwerk an schulischen Selbstverständlichkeiten und pädagogischen Minimalbeweisen abbrennen und sitzt ansonsten den Eltern auf der Pelle und im Nacken.

Die Abende sind perfekt durchorganisiert, ein Lehrer nach dem anderen gibt eine kurze Stippvisite, erzählt schon dreimal Gehörtes ein viertes Mal und schon nach dem zweiten Stippvisitierenden gähnen die ersten Eltern ob der immer gleichen Lehrersprüche: „Bei mir zählt auch die Ordnung im Heft, ansonsten bewerte ich Mitarbeit im Unterricht, die regelmäßigen Hausarbeiten und die Klassenarbeiten zu jeweils einem Drittel. Die Klasse macht sich ganz gut, ohne Fleiß keinen Preis, die Erde ist eine Kugel und der Dezember ist am Ende des Jahres, blablabla…“

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Die Eltern sitzen da wie dummes Stimmvieh, unter ihnen Akademiker, Maurer, Gastwirte, alles Leute die sonst nicht auf den Mund gefallen sind. Angesichts der anderen Schweigenden schweigen auch sie, nur die Lehrer reden, Fragen werden kaum gestellt. Und macht dann mal Frau Höltensieper-Stuckenbrecht den Mund auf, dann hat sie die wahnsinnig interessante und wichtige Frage zu stellen, ob in diesem Jahr die Osterferein vor den Weihnachtsferien kommen…

Lars mobbt Kevin seit Monaten, kein Wort darüber von Eltern zu Eltern auf dem Elternabend. Lehrer Bönsel ist ein ausgesprochenes, sadistisches Arschloch, die Kinder leiden unter ihm, doch auf dem Elternabend sagt keiner was.
Die Klassenlehrerin ist durch das Thema Unterricht und Stoff gehechelt, kaum zehn Minuten hat sie dafür gebraucht, dafür wird jetzt umständlich ein Beamer in Betrieb gesetzt, um eine Power-Point-Präsentation abzuspielen. Bilder vom letzten Klassenausflug… Der Windows-Laptop hängt sich auf, 20 Minuten lang starren die Eltern auf eine vom Beamer gebeamte Schrift des Herstellers auf der Leinwand… Die Lehrerin bemüht sich, verlässt dann das Zimmer, um Herrn Bröskelkamp zu holen, der für „IT“ zuständig ist…

Endlich sind die Eltern einmal unter sich. Ich spreche mal das Thema Klassenfahrt und 300 Euro Kosten pro Person an. Auf einmal ist jeder dabei…
Alle haben eine Meinung und jeder betont natürlich, daß ihm persönlich 300 Euro gar nichts ausmachen, er aber jemanden kennt, der wiederum jemanden kenne, der sich das nicht leisten könne…
„Nun“, schlage ich vor: „das sind ja noch sechs Monate, wir könnten ja etappenweise in Raten bezahlen…“

Ja, das wäre doch DIE Idee! Jeder findet das klasse und auf einmal reden alle. Die Prüfungen, das wird ja noch hart, Lars‘ Eltern reden mit Kevins Eltern und endlich kann auch Herr Aydalan mal dem Vater von Johann von Eilenfels Bescheid stoßen.
Eine gute halbe Stunde haben die Eltern für sich und der Elternvertreter hat eine ganze Latte von Themen, die alle interessieren, man diskutiert, man redet, es ist ein Stimmengewirr…

Die Klassenlehrerin kommt zurück, Herr Bröskelkamp ist auch dabei und ihm gelingt es sogar, den Beamer und Windows zu bändigen.
Nach der Bilderschau will die Lehrerin noch ein knappes Stündchen vortragen, doch die Eltern haben alles besprochen. Wie? Keine Fragen mehr?


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Satire

Satire ist eine Kunstform, mit der Personen, Ereignisse oder Zustände kritisiert, verspottet oder angeprangert werden. Typische Stilmittel der Satire sind die Übertreibung als Überhöhung oder die Untertreibung als bewusste Bagatellisierung bis ins Lächerliche oder Absurde.

Üblicherweise ist Satire eine Kritik von unten (Bürgerempfinden) gegen oben (Repräsentanz der Macht), vorzugsweise in den Feldern Politik, Gesellschaft, Wirtschaft oder Kultur.

Lesezeit ca.: 5 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 15. Oktober 2009 | Revision: 3. Februar 2020

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