Spitze Feder

Die Sonntagsfrage

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Man hat sich ja mittlerweile schon daran gewöhnt, dass die sich Medien bei ihrer originären Aufgabe, wertfreie Information zu liefern, zunehmend des Konjunktivs bedienen.

Das ist erstens einfacher und verheißt zweitens deutlich mehr Thrill, als valide Fakten. Zudem ist es völlig unverfänglich. Denn, wenn sich eine hätte-könnte-Headline im Nachhinein, wie so oft, als kompletter Bullshit erweist, dann…man hat ja schließlich nur angenommen, nur spekuliert, dass etwas eventuell, also unter Umständen, vielleicht…kann ja keiner was dafür, wenn es denn anders gekommen ist, oder?

Der heilige Gral in Sachen Anorektales aus Wolkenkuckucksheim, ist zweifelsohne die berühmte Sonntagsfrage, die immer wieder gerne gestellt und freundlicherweise auch gleich beantwortet wird. Hierzu sieht man dann Matthias Fornoff in den Nachrichten, links neben dem Anchorman, oder der Anchorwoman stehend, mit Notebook, Brille und erster Miene, immens wichtig dreinschauend, bis er an der Reihe ist und Micheline und Michel die knallharten Zahlen demoskopischer Kaffeesatzleserei servieren darf: Wer, wie, in der Wählergunst…wenn denn am Sonntag Bundestagswahlen wären.

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Ob es einen sinnloseren Beitrag in einer Hauptnachrichtensendung geben kann? Ad hoc, fällt mir jedenfalls nichts ein, außer vielleicht exklusiv geleakte Informationen über Ursula von der Leyens ukrainischen Haarfestiger. Es sei denn…aber das wäre ja schon wieder ein Konjunktiv…mindestens, wenn nicht gar eine Verschwörungstheorie.

Anno 2013 schrieb sich der bekannte Demoskop, Gründer und Geschäftsführer des völlig nutzlosen Forsa-Instituts, Manfred Güllner, Spitzname Gülle, schon Wochen vor der Bundestagswahl ins arithmetische Delirium und orakelte die FDP via Stern, zwar knapp, aber stets über die 5%-Hürde. Dass ihm der joviale Lustgreis und Dirndlbeauftragte der Liberalen, mit seiner wirren Zweitstimmenkampagne für Angela Merkel, am Ende die Show noch vermasselte, konnte Gülle leider nicht erahnen. Sonst hätte er ihn vermutlich, auf Kosten des Hauses Forsa, in ein diskretes Edelbordell gezerrt, damit er sich dort seiner Notgeilheit entledigen könnte und ihn hernach, bis zum Ende des Wahlkampfes, tagtäglich bis zur Halskrause mit Riesling abgefüllt.

Nun denne: Micheline und Michel boten den Liberalen bei besagter Wahl jedenfalls die Gelegenheit, ihren Markenkern auf Bundesebene neu zu justieren, wie es im Politiker-Sprech immer so schön heißt…allerdings in der ausserparlamentarischen Opposition, was dem Ehrenbürger von Sylt und porschefahrenden Posterboy an der Spitze dieser Gruppe von Edelparasiten, vier lange Jahre aber so was von zusetzte.

Dass die BDI-Tentakeln daraufhin ihre marktradikale Diarrhoe und ihren Eliten-Dünkel trotzdem nur zeitgeistlich, homöopathisch transformierten, sollte jedem klar sein, der sich in den Nachrichten nicht nur für den Tabellenstand des 1. FC Bayern-Hollywood interessiert. Mithin eigentlich auch dem Forsa-Institut, das sich in Sachen sozialpolitischen Kahlschlags durch die neoliberale Landplage, jedoch dezent in Schweigen hüllt.

Es wäre im Sinne einer ideologiefreien und wissenschaftlich fundierten Demoskopie, ja durchaus interessant, zu erfahren, was Micheline und Michel darüber denken, dass Lindner die Verwendung von Milliarden an Steuereinnahmen, offensichtlich als eine Art höfische Gnade betrachtet, die nur er alleine, nach royalem Gutdünken, gewähren kann. Aber Gülle kann sich ja schließlich nicht um jeden Stallmist kümmern, oder?

Ich denke, dass „wissenschaftlich fundierte Demoskopie“, ohnehin ein Contradictio in Adiecto ist, und dass deshalb die Sonntagsfrage mit seriöser Forschung und der gebotenen Ideologieferne ungefähr soviel gemein hat, wie Clemens Tönnies, oder Uli Hoeneß mit veganer Ernährung.

Deshalb kann sich Matthias Fornoff zumindest seines Jobs als öffentlich-rechtlich bestellter Kaffeesatzleser sicher sein und Micheline und Michel auch weiterhin mit, zwar völlig nutzlosen, aber schnieken Säulen- und Kuchendiagrammen erfreuen.

Insofern hat Demoskopie doch auch was Gutes, nicht wahr?

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Diese Kolumne schreibt vorwiegend Peter Grohmüller seine Gedanken zur Welt und dem Geschehen unserer Zeit auf.
Seine fein geschliffenen „Ergüsse“ – wie er selbst sie nennt – erfreuen sich großer Beliebtheit.

Hin und wieder erscheinen in dieser Kolumne auch Beiträge anderer Autoren, die dann jeweils entsprechend genannt werden.

Die Texte sind Satire, Kommentare und Kolumnen. Es handelt sich um persönliche, freie Meinungsäußerung.

Für die Texte ist der jeweilige Autor verantwortlich.

Lesezeit ca.: 5 Minuten | Tippfehler melden | Peter Grohmüller: © 17. April 2023

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