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Die Kanone Greif – Seepferdchen und KARAMBOLAGE

Karambolage Symbolbild

Der Greif ist nicht nur ein mythisches Fabelwesen, sondern auch der Name einer jahrhundertealten, völlig überdimensionierten Kanone, die einst der Kurfürst auf der Festung Ehrenbreitstein bei Koblenz hat aufstellen lassen.

Die Karambolage ist nicht nur der französische Begriff für einen Zusammenstoß und eine Abart des Billardspiels, sondern auch der Titel einer vorwiegend von Frauen produzierten Sendung des deutsch-französischen Kultursenders ARTE. Der Begriff wird hier spielerisch verwendet, um kulturelle Zusammenstöße oder Vergleiche zwischen Frankreich und Deutschland zu thematisieren – im Sinne von: Zwei Kulturen stoßen aufeinander, nicht im negativen, sondern im unterhaltsam-analytischen Sinne. Unterhaltsam ist die Sendung, ich schaue sie jede Woche, auch wenn mir auffällt, dass die Inhalte in den letzten Jahren nicht mehr so amüsant und augenzwinkernd wie früher, sondern eher besserwisserisch und bemüht-lustig dargeboten werden.

In der Karambolage-Sendung vom 23. März 2025 wurde das riesige Kanonenrohr „Greif“ zum Thema eines Beitrags. Die Autorin erzählte die wechselhafte Geschichte des militärischen Ungetüms, das im Laufe seiner Geschichte mal als prägnante Beute, mal als Zeichen der militärischen Stärke mehrfach auf die Reise gehen musste.

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1524 von der Gießerei in Frankfuret zur Festung Ehrenbreitstein, im 30-jährigen Krieg auf den Festungshof unter eine Schutzhütte, 1799 auf der Mosel nach Metz/Frankreich, 1866 von Metz ins Museum nach Paris, mit Hitler 1940 zurück auf die Festung und dann mit den siegreichen Franzosen 1946 abermals ins Exil nach Frankreich. Das ist für eine als absolut intransportabel geltende, 16 Tonnen schwere Waffe eine ganz schön rege Reisetätigkeit, muss man sagen.

Erst Moppelkanzler Helmut Kohl ist es gelungen, seinem „French-Buddy“ François Mitterrand den Schießeschwengel wieder abzuschwatzen. Seit 1984 steht das Knallrohr also wieder auf der Festung Ehrenbreitstein, ist aber offiziell nur eine jederzeit wieder zurückforderbare Leihgabe der Franzosen. Damit wir das imposante Rohr behalten dürfen, wurde es im hinteren Teil der Festung fast etwas versteckt aufgestellt, zielt völlig unsinnig ins Innere der Festung und darf nicht mehr in Richtung Frankreich weisen.

Greif

Nun wurde in der Fernsehsendung von der Autorin Maija-Lene Rettig also diese buchstäblich bewegte Geschichte der Kanone Greif erzählt.

Im Jahr 1799 wurde die 16 Tonnen schwere Kanone Greif von der Festung Ehrenbreitstein auf zwei zusammengebundenen Schiffen auf der Mosel nach Frankreich gebracht. Das wurde in dieser Fernsehsendung durch eine lustig wirkende Animation illustriert. Dabei wurde gezeigt, dass die Schiffe von Pferden flussaufwärts gezogen wurden. So kenne ich das auch: Die Pferde laufen auf einem Leinpfad oder Treidelpfad seitlich neben dem Fluss und ziehen das Schiff mit langen Leinen.

Treideln01
Der „klassische“ Leinpfad bzw. Treidelpfad

Im Beitrag wurde es aber so dargestellt, dass die Pferde in der Mosel, also im Wasser gelaufen sein sollen. Das ist doch nicht realistisch oder?

Treideln Karambolage

Die Darstellung, dass Pferde in der Mosel selbst liefen, um ein Schiff flussaufwärts zu ziehen, ist historisch äußerst unwahrscheinlich und aus mehreren Gründen unrealistisch.

Seit dem Mittelalter bis weit ins 19. Jahrhundert hinein wurden Lastkähne flussaufwärts auf Binnengewässern wie der Mosel, dem Rhein oder der Elbe von Land aus durch Zugtiere (meist Pferde oder Ochsen), oft genug aber auch von Menschen mit Hilfe von langen Leinen gezogen. Das nennt man:

• Leinpfad, weil das Schiff mit einem „Lein“ (Seil) verbunden war,
• oder Treideln (von mittelhochdeutsch „treideln“ = schleppen, ziehen).

Diese Pfade verliefen parallel zum Flussufer, auf möglichst ebenem Terrain, das regelmäßig freigeräumt und instand gehalten wurde – speziell dafür angelegte Wege, auf denen die Tiere sicher laufen konnten.

Warum das Ziehen durchs Wasser unpraktikabel war:

1. Gefährlicher Untergrund: Der Grund von Flüssen, also die Flussböden wie die der Mosel sind uneben, glitschig, steinig – und stellenweise tief. Pferde hätten sich dort leicht verletzen oder in Strömung und Sumpfgefahr verfangen können.
2. Strömung: Die Mosel war, vor ihrer Regulierung im 19. und 20. Jahrhundert, ein deutlich unruhigerer Fluss als heute. Selbst in flachen Uferbereichen hätte die Strömung Tiere stark behindert.
3. Effizienz und Ausdauer: Im Wasser würde der Kraftaufwand für ein Zugtier erheblich steigen – der Widerstand des Wassers in Verbindung mit dem Zuggewicht eines Lastkahns (hier mit der 16-Tonnen-Kanone „Greif“!) wäre viel zu hoch. Pferde sind für Zugarbeit auf festem Boden gezüchtet – nicht fürs Schwimmen und Schleppen gleichzeitig.
4. Pferde als Schwimmer: Pferde sind sehr gute Schwimmer und können erstaunliche Distanzen schwimmend zurücklegen. Es ist jedoch biologisch und physisch ausgeschlossen, dass sie dabei größere Lasten ziehen können.
5. Historische Quellen und Bildmaterial: Nahezu alle historischen Abbildungen, Zeichnungen und Reiseberichte zeigen Treideltiere auf festen Wegen entlang des Flusses, niemals im Wasser.

Mögliche Ursache der animierten Darstellung:

Die Animation, wurde zur Unterhaltung vermutlich verkürzt, vereinfacht oder ungenau visualisiert – was leider gelegentlich vorkommt, insbesondere wenn historische Sachverhalte „lustig“ präsentiert werden sollen.
Möglicherweise stützt sich die Darstellung aber auch auf den Moment. Es könnte durchaus sein, dass es Passagen an der Mosel gibt, bei denen an seichten Stellen, die Pferde tatsächlich auch mal einige Meter im Flussbett laufen müssen.

Es bleibt aber dabei: Pferde zogen Schiffe wie das mit der Kanone „Greif“ nicht durch das Wasser, sondern vom Ufer aus – über Treidelpfade.
Die gezeigte Animation ist aus historischer Sicht also eher eine kreative Ungenauigkeit als eine realistische Darstellung.

Wenn Pferde schwimmen lernen

Eine kleine Satire über Gender, Gewässer und gesunden Menschenverstand

Es gibt Dinge, die lassen sich nur mit einem feinen Gefühl für Mechanik, Erdanziehungskraft und historische Realität erfassen – und leider, man muss es sagen, wohnt jedem Mann ein kleiner Ingenieur inne. Selbst wenn er kein Diplom besitzt, kein Geodreieck mehr bedienen kann und beim Reifenwechsel flucht wie ein Rohrspatz: Im Innersten seines Wesens arbeitet ein mentaler Maschinenbauer, der Dinge hinterfragt, überprüft und in Gedanken erst mal eine Zugkraftberechnung anstellt.

Nehmen wir das Beispiel der 16 Tonnen schweren Kanone „Greif“, die 1799 per Schiff die Mosel hinauffuhr, gezogen von Pferden. Wer dieses historische Ereignis animiert zeigen möchte, sollte also auch im Geiste eine kleine Skizze machen – mit Pfeilen, Reibungskräften und Fließrichtung. Ein Mann, der diesen Beitrag produziert hätte, hätte sich gedacht: „Moment mal, Pferde im Wasser? Das zieht doch keine Wurst vom Teller!“ Und hätte sofort visualisiert, was im Gedächtnis jedes naturwissenschaftlich halbwegs geprägten Wesens abgespeichert ist: Pferde laufen am Ufer, auf einem Leinpfad, mit Leinen zum Schiff. Punkt. Die Physik verneigt sich.

Doch es kommt anders. Der Beitrag wird nicht von einem Ingenieursgeist, sondern von einer redaktionell agierenden Frau produziert. Und hier öffnet sich ein gänzlich anderer Assoziationsraum. Beim Satz „wurde von Pferden flussaufwärts gezogen“ springt das Kopfkino an, das allerdings nicht bei Leonardo da Vinci, sondern bei Cinderella beginnt: Ein Gespann! Eine Kutsche! Nur eben mit einem Schiff statt einer goldenen Kalesche – und die Pferde vornedran, stolz durchs Wasser trappelnd, vielleicht mit wallenden Mähnen, dramatischer Musik und einem weißen Schwan im Bildhintergrund.
Ingenieurslogik? Fehlanzeige!

Pferde schwimmen doch gut! Und wenn sie eine Kutsche ziehen können, dann sicher auch ein Schiff – wo ist das Problem?

Man muss das verstehen. Der Unterschied ist nicht bösartig, sondern biologisch-kulturell gewachsen. Während der kleine Ingenieur im Mann mit Zahlen jongliert und den Moselpegel berücksichtigt, sieht die Frau die Szene als Mischung aus Sissi, Titanic und Bibi & Tina. Dass vier durchfeuchtete Wallache mit einem 30 Meter langen Holzschiff im Schlepp sich vermutlich nach fünf Metern mit den Worten „nö“ ins Ufergebüsch verabschieden würden, ist kein Gedanke, der sich bei der Bildauswahl durchsetzt.

Und so kommt es, dass in der öffentlich-rechtlich finanzierten Geschichtsdarstellung Pferde durch Flüsse stapfen, um Lastkähne zu ziehen, während jeder halbgebildete Opa auf der Couch nur murmelt: „Das hamma früher aber anders gemacht, gell?“

Fazit:

Wenn man möchte, dass Geschichte technisch korrekt erzählt wird, muss man entweder einen pensionierten Lokführer, einen passionierten Modelleisenbahner oder wahlweise einen 11-jährigen Jungen mit Faible für Römer und Dampfmaschinen beauftragen.

Oder man lässt’s satirisch und genießt die Vorstellung, wie ein Shire Horse durch die Mosel pflügt und dabei ruft: „Was soll’s – Hauptsache Content!“

Links:
Hier der Link zur Karambolage-Sendung: https://www.zdf.de/(…)die-butterblume–die-kanone-vogel-greif-100
Die Wikipedia über die Kanone Greif: https://de.wikipedia.org/wiki/Greif_(Kanone)

Bildquellen:
  • greif: Holger Weinandt, CC BY-SA 3.0 de, wikimedia.org
  • karambolage-symbolbild: Peter Wilhelm. ARTE, ZDF
  • treideln-karambolage: © ARTE, Karambolage
  • treideln01: Peter Wilhelm


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Lesezeit ca.: 10 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 24. März 2025

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