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Danziger Goldwasser

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Vor vielen Jahren, während meines Studiums, war ich einmal bei den Eltern meiner damaligen Freundin zu Weihnachten eingeladen. Da die Eltern meiner Freundin ein recht bekanntes Rauchwarengeschäft hatten (nein, Rauchwaren sind keine Zigarren und Zigaretten, sondern Pelze) war es alte Tradition, daß sie am Heiligen Abend noch bis spät nachmittags die wertvollen Mäntel und Jacken ihren Kunden zustellten. Heute fast undenkbar, aber damals bei so wertvollen Artikeln durchaus üblich.

Es fiel also meiner Freundin und mit anheim, den Tannenbaum schmücken zu dürfen. Die Villa der Familie war groß, die Räume hoch und der Baum riesig. Während Sabine, so hieß die Freundin (und vermutlich heißt sie auch heute noch so), mir die Kugeln und das Goldlametta anreichte, balancierte ich auf einer viel zu wackeligen hohen Leiter in Deckenhöhe. Bekanntlich steigt warme Luft nach oben und der riesige offene Kamin war ordentlich befeuert worden. Sehr schnell wurde es mir da oben viel zu warm, sodaß ich zuerst meinen Pullover und schließlich auch noch mein Hemd auszog. Weil ich die Sachen nicht einfach auf den Boden werfen wollte und vielleicht auch, weil ich besonders witzig sein wollte, hängte ich die beiden Kleidungsstücke einfach an die ersten dickeren Äste des Tannenbaumes.


Außerdem quälte mich bald schon großer Durst und mein Blick fiel auf die gut bestückte Hausbar meiner Freundinneneltern.

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„Was ist denn das da in dieser viereckigen Flasche, das glitzert so schön?“ fragte ich.

„Das ist Vaters Heiligtum! Echtes Danziger Goldwasser“, rief Sabine zu mir hoch, während sie die Flasche in den Händen drehte.

„Und was glitzert da so schön?“

„Da ist echtes Gold drin.“

„Du spinnst!“

„Nein wirklich, da ist echtes Gold drin. Ganz dünn und ganz wenig, aber echtes Gold.“

„Und das trinkt man mit?“

„Ja klar, das macht einem nichts.“

„Und wie schmeckt dieses Goldwasser?“

„Du, mach dir keine Hoffnungen, das ist Papas Heiligtum. Er hat die Flasche von Tante Trude geschenkt bekommen und nur am Heiligen Abend trinkt er jedes Jahr ein kleines Gläschen.“

Zu diesem Zeitpunkt war ich schon von der Leiter heruntergestiegen und schaute mit die Flasche näher an. Tatsächlich, da schwammen lauter kleine, hauchdünne Blattgoldschnipsel in der klaren Flüssigkeit. Unerschrocken schraubte ich die Flasche auf, doch Sabine unterbrach mich: „Halt! Wehe! Da darfst Du keinesfalls was von trinken!“

„Ach, das merkt doch keiner.“

„Doch“, sagte sie und deutete auf einen kleinen, kaum wahrnehmbaren Ritz im Etikett. „Siehst du, hier hat mein Vater eine Markierung hingemacht, der merkt das sofort.“

„Nicht, wenn wir hinterher einfach etwas Korn in die Flasche schütten!“

„Nee, das können wir auf gar keinen Fall machen, das merkt der doch.“

„Nie im Leben!“, behauptete ich sehr überzeugend.

„Ich würde ja auch gerne wissen, wie das Zeug schmeckt“, meinte Sabine und so nahm ich kurzerhand zwei Whisky-Gläser und schenkte uns jedem ein klein wenig vom Danziger Goldwasser ein.
Erst rochen wir beide an den Gläsern, dann prosteten wir uns zu und probierten vorsichtig.
Es schmeckte komisch, irgendwie nach Lakritz, Ouzo und Kräutern. Das lag in erster Linie daran, daß es sich bei Danziger Goldwasser um einen klaren Kräuterlikör handelt.
Ich beschloß, daß mir das Zeug nicht schmeckt und stellte das Glas weg; vom Gold hat man übrigens nichts geschmeckt.
Sabine hingegen verdrehte die Augen, schmatzte hörbar und seufzte: „LLLLLecker!“

Der Flüssigkeitsspiegel in der Flasche befand sich nur ganz knapp unterhalb der eingeritzte Marke. Es fehlte nur soviel, daß es Sabines Vater bestimmt auf die im Jahresverlauf eingetretene Verdunstung zurückgeführt hätte, wenn es ihm überhaupt aufgefallen wäre.
Diese meine Hoffnung, daß er nichts merken würde, wurde exakt in dem Moment zunichte gemacht, als sich Sabine noch etwas Goldwasser einschenkte. Genauergesagt füllte sie sich das Whiskyglas randvoll und nunmehr war auch der Flasche deutlich anzusehen, daß etwas fehlte.

„Hey, hör auf! Erst wolltest du mir nichtmals einen kleinen Schluck geben und jetzt bringst du uns in Teufels Küche.“

Während sie schlürfte, die Augen verdrehte und nippte und schluckte, sagte sie: „Du hast doch gesagt, wir könnten da noch etwas Korn dazuschütten.“

„Ja schon, aber wenn du das Goldwasser nippelst, will ich auch irgendwas Gutes“, maulte ich, während ich aus der benachbarten Küche eine gut gekühlte Flasche Korn holte. Sabine hatte mir inzwischen das Whisky-Glas mit dem besten Cognac ihres Vaters vollgegossen.

„Warte“, sagte sie, „bevor du jetzt da den Korn reinschüttest, lass mich noch ein paar Schlucke trinken.“
Kurzerhand, so schnell konnte ich gar nicht gucken, hatte sie sich noch zwei von diesen großen Gläsern voll mit Danziger Goldwasser einverleibt. Meine Güte, was können Frauen trinken, dachte ich.
Der Cognac schmeckte im übrigen auch sehr lecker, sowas Feines hatte ich überhaupt noch gar nicht getrunken.

„Ich will dann aber auch noch einen Cognac“, sagte ich und Sabine schenkte mir bereitwillig ein. Überhaupt machte sie einen bereitwilligen Eindruck, denn der viel zu schnell genossene Alkohol zeigte bei ihr heftigst Wirkung.

Es war gar nicht so einfach, den Korn in die Goldwasserflasche zu bekommen. Am schwierigsten war es, das fehlende Blattgold zu ersetzen, aber eine Schere und etwas von dem Goldlametta retteten uns. Hinterher sah die Flasche tatsächlich wieder genauso aus wie vorher. Prima!

Allerdings war jetzt der Cognac ziemlich in Mitleidenschaft gezogen und Sabine deutete mit etwas glasigem Blick auf die halbleere Flasche. Meine Güte, hatte ich wirklich soviel getrunken?

„Gola!“ sagte sie und meinte Cola.
Tatsächlich, Cola mit Korn sieht aus wie Cognac!

Der Alkohol begann nun auch bei mir seine Wirkung zu zeigen. Heute vermag ich beim besten Willen nicht mehr zu sagen, wieviel ich eigentlich getrunken hatte, aber es muss sehr viel gewesen sein.
Bei Sabine hatte das Goldwasser ihre Bereitschaft zur Vornahme sexueller Handlungen gefördert, was mir gar nicht unlieb war.
Ich würde den Lesern heute gerne Näheres schildern, wie Sabine lasziv ihre Bluse öffnete und dann den BH ablegte, mir einen erregenden Blick auf ihre wunderschönen, festen Brüste gönnte; wie sie mir dann den Gürtel meiner Hose löste und wir schließlich in Wollust auf den weichen Teppich vor dem offenen Kamin sanken und uns einander hingaben…
Wiegesagt, ich würde das ja gerne alles schildern, aber mir fehlt jegliche Erinnerung an alles was dann geschah.
Sabine und ich kamen erst wieder zu uns, als uns ihre Eltern an den Schultern schüttelten. Inzwischen waren zwei weitere Stunden vergangen und wir befanden uns wirklich eher un- als leichtbekleidet vor dem Kamin. Man stelle sich dieses Bild vor: Die Hälfte meiner Klamotten hing hoch oben im Tannenbaum, die Tochter des Hauses geschändet vor dem Kamin und wir beide rochen wie eine Eckkneipe.

Sabines Vater grinste aber nur und sagte: „Wenigstens haben die beiden nur den billigen Korn getrunken.“

Mehr satirische Geschichten findest Du hier im Index und natürlich im aktuellen Buch des Autors Peter Wilhelm, das Du im Buchhandel oder hier bestellen kannst.


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Lesezeit ca.: 8 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 20. Dezember 2006 | Revision: 16. Juli 2013

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