Spott + Hohn

Benjamin Blümchen muss weg!

Benjamin

Wer kennt ihn nicht, den sprechenden Elefanten Benjamin Blümchen, der ganze Generationen von Eltern mit seinem Törööö nervte? Gut, dass der elende Nerver nun endlich weg muss, oder? Hinfort mit dem dreckigen (Schwerge)Wicht!

Benjamin Blümchen – der sprechende Elefant, der wie ein Stück deutscher Kulturgeschichte durch unsere Wohnzimmer und auf den Nerven der Eltern trampelt und dabei Zuckerstückchen vernichtet.
An mir ist der gemütliche Kerl aus Altersgründen vorübergegangen. Benjamin Blümchen trat zum ersten Mal 1977 auf, da war ich schon dabei, Abitur zu machen. Und meine Kinder hatten dann in den 1990er Jahren andere Helden.

Nachtrag: Ich habe gerade mit meiner inzwischen erwachsenen Tochter gesprochen und sie nochmals nach Benjamin Blümchen gefragt. Ja, ich habe recht, die Hörspielkassetten haben die Kinder nicht gehabt, aber einige VHS-Videos1, die sie gerne geschaut haben.
Ihr Hörspielfavorit waren die Abenteuer von TKKG.

Für viele andere ist aber der Elefant ein wahrer Held der Kindheit, der nun – man mag es kaum glauben – zum Skandalträger wird. Ja, die Empörungsgesellschaft hat wieder zugeschlagen, diesmal wegen des geliebten Elefantenfreundes.

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Die Aufregung begann, als „Der Spiegel“ in gewohnt investigativer Manier über eine Kita in Bautzen berichtete.
Diese Einrichtung, die bisher stolz den Namen „Benjamin Blümchen“ trug, hat sich nämlich nach vermutlich langen Überlegungen und intensiven Diskussionen (an denen ich um nichts in der Welt hätte teilnehmen wollen) entschlossen, ihren Namen in „Spreewichtel“ zu ändern.

Für die Betreiber, Erzieherinnen und Erzieher eine durchaus nachvollziehbare Entscheidung. Die Kita begründete das damit, dass viele Kinder den lieben Elefanten angeblich nur noch aus den Erzählungen ihrer Eltern kennen würden.
Außerdem ist es ja so, dass Benjamin Blümchen Zuckerstückchen über alles liebt. Und das ist natürlich heutzutage, da Raffinadezucker verteufelt wird, nicht mehr zeitgemäß. Außerdem kam der Politologe Gerd Strohmeier schon 2017 zu dem Ergebnis, dass weder Bibi Blocksberg, noch Benjamin Blümchen pädagogisch wertvoll seien2.

Deshalb passt der gemütliche, zuckersüchtige Elefant nicht mehr in das sportliche Bewegungskonzept der Kita. Und der neue Name soll einen regionalen Bezug herstellen – klingt alles ziemlich vernünftig, nicht wahr?

Ich bin ja immer schon ein wenig alarmiert, wenn wieder einmal gefordert wird, etwas umzubenennen. Gut, eine Adolf-Hitler-Straße braucht nun wirklich kein Mensch mehr, und es ist gut, dass auch ignoranterweise vorgenommene Straßenbenennungen mit Schergen aus der Nazi- und Kolonialzeit eine Berichtigung, Änderung oder zumindest ergänzende Erklärung erfahren. Doch manches lässt mich nur mit dem Kopf schütteln, wenn wieder einmal politische Korrektheit, vorauseilender Gehorsam und duckmäuserisches Gutmenschentum irgendetwas fordern, bei dem die meisten Zeitgenossen berechtigterweise nur mit den Schultern zucken.

Aber diese Umbenennung der Kita in Bautzen, die kann ich tatsächlich nachvollziehen. Benjamin Blümchen ist ein Elefant und Elefanten sind eher für ihre Behäbigkeit bekannt. Wenn sich eine Kita Sport und Agilität auf die Fahnen geschrieben hat, dann passt „Spreewichtel“ oder meinetwegen „Springinsfeld“ einfach besser. Und wenn man, wie ich annehme, auch Wert auf eine gesunde Ernährung legt, bei der vielleicht Obst und Gemüse die Schwerpunkte setzen, dann passt ein Elefant, der Zuckerstücke fressen will, vielleicht tatsächlich nicht mehr so ganz als Maskottchen und Namensgeber. So gesehen ist diese Entscheidung durchaus vernünftig.

Doch das Internet, meine lieben Leserinnen und Leser, kennt keine Vernunft. Ein Facebook-Post des „Spiegels“ mit der Headline „Namensänderung: Kita in Bautzen distanziert sich von Benjamin Blümchen“ reichte aus, um eine wahre Empörungswelle loszutreten. Wer hätte gedacht, dass ein solcher Sturm der Entrüstung wegen eines animierten Elefanten losbrechen würde? Die Kommentare sind ein wahres Feuerwerk an Empörungsrhetorik.

Eine echt kranke Welt in der wir leben,“ schreibt eine nostalgische Nutzerin. „Bin echt froh, dass ich heute kein Kind mehr bin.

Das klingt, als wäre sie direkt aus dem Paradies der Normalität in die Dystopie der Moderne geschleudert worden. Ein anderer Kommentator sieht gleich den intellektuellen Untergang der Welt heraufziehen: „Es braucht keine Kriege, um die Welt intellektuell zu Grunde zu richten. Es reichen belehrende Ideologien, die allen aufgezwungen werden.“ Der intellektuelle Niedergang durch die Umbenennung einer Kita – eine bemerkenswerte These!

Eine weitere Stimme der Empörung setzt noch eins drauf: „Ein sprechender Elefant, voller Emotionen, guten Manieren, hilfsbereit, fleißig, freundlich und liebenswert – das entspricht anscheinend nicht den heutigen Erziehungsrichtlinien.“ Die gute Dame hat offenbar den Elefanten zum pädagogischen Messias erhoben, der mit seinen liebenswerten Eigenschaften die Erziehungsgrundlage unserer Kinder darstellt. Man könnte fast meinen, Benjamin Blümchen habe einen Nobelpreis verdient.

Am Ende des Tages bleibt der „Spiegel“ der Gewinner dieses absurden Dramas. Die Klickzahlen schnellen in die Höhe, die Kommentarspalten glühen – ein Triumph für die Medienmaschinerie. So bleibt uns nur, mit einer Tüte Popcorn den nächsten Skandal abzuwarten, der im Internet seine Runden drehen wird. Vielleicht ist es ja das nächste Mal ein sprechender Papagei oder ein tanzender Bär. Die Empörungsgesellschaft findet sicherlich einen neuen Aufreger. Bis dahin: Törööö und gute Nacht!

Bildquellen:
  • benjamin: Peter Wilhelm ki


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Spott + Hohn

Spott (Verb: spotten oder verspotten) ist ein Stilmittel der Kommunikation. Mit Spott macht man sich lustig über einen Menschen, eine bestimmte Gruppe oder deren tatsächliche oder vermeintliche Werte. Spott ist scherzhaft gemeint und dem Hohn ähnlich.
Der Hohn soll wehtun, Spott dagegen nicht immer.

Lesezeit ca.: 6 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: | Peter Wilhelm 14. Juni 2024

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