Ich habe ja schon mehrfach erwähnt, dass ich ab und zu in der Online-Ausgabe der Berliner Zeitung schmökere…
… und ich finde es immer wieder faszinierend, wie muffig und provinziell das Blatt doch zuweilen rüberkommt. Ich habe keine Ahnung über die aktuelle finanzielle Situation der Stadt, aber sie dürfte wohl immer noch, nun ja, angespannt sein, und das Bonmot des spezialdemokratischen Partylöwen und ehemaligen Oberbürgermeisters, Klaus Wowereit, dass Berlin arm, aber sexy sei, weiterhin Gültigkeit haben. Wobei ich mir erlaube, das Attribut „sexy“, in Frage zu stellen. Aber das ist eine andere Baustelle.
Für eine multikulturelle, moderne, woke, queere Millionenmetropole und Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland, finde ich es schon befremdlich, wenn ich in einer Zeitung, die mit ihrem Namen eine beinahe schon staatstragende Attitüde vorgibt, lese, dass eine Horde handgreiflicher Maulwürfe im feinen Stadtteil Dahlem, einen hochwertigen Mähroboter zerfetzt habe, und dass der jetzige Eigentümer den früheren auf Schadensersatz verklage, weil dieser, namens Jens Spahn, beim Verkauf seiner mondänen 5,3 Millionen € Luxusvilla, die hochaggressive Kolonie der Tunnel-Gangster arglistig verschwieg.
Diese Geschichte ist natürlich frei erfunden. Aber man liest in der BZ beinahe täglich, in welchen Linien der U-Bahn immer wieder Kaugummis unter den Sitzen kleben, oder Menschen auf den Kreuzungen, wo die Fernheizung und/oder der Strom mal wieder ausgefallen sind, wo es die beste Chai-Latte im Verhältnis zur Leistung des freien WLAN gibt, wo in der Stadt Baustellen und Umleitungen zehnjähriges Jubiläum feiern, in welchen Spätis man die hippen Nachtschwärmer beim Vorglühen trifft, bevor sie ins Berghain pilgern, und, und, und. Das ist zwar, wie gesagt, muffig provinziell, oder sogar hochnotpeinlich, für die führende Zeitung einer Millionenmetropole, aber die Blätter in unseren Gefilden stehen dem in nichts nach.
Auch sie leaken zuweilen gerne mal Geheimnisse und Skandale, die niemanden interessieren. Da bei allen Zeitungen im Lande, die Leitartikel ohnehin längst von den Big Playern, wie Bauer Media Group, Axel Springer Verlag, oder Funke Mediengruppe, zugekauft werden, und da sich diese Platzhirsche wiederum artig an den Leitlinien von DPA, Reuthers & Co orientieren, kann jedes Blatt abseits der offiziellen Meldungen, so ziemlich jeden Tinnef schreiben, den es möchte. Insofern auch die BZ.
Manchmal stolpere ich jedoch über einen derart wirren Zeilenmüll, dass ich mich schon frage, was beispielweise Jesko zu Dohna, stellvertretender Chefredakteur der Wochenendausgabe der Berliner Zeitung, geraucht haben muss, um sich in einem Artikel im Dezember 2023, als Nazi-Verniedlicher zu gerieren, da er in dem vereitelten Reichsbürger-Putsch, vor allem einen amüsanten PR-Coup der Behörden sah?
OK, damals waren die Enthüllungen von Correctiv, über die europaweite Vernetzung der Rechts-Exkrementen-Szene aus AfD, Reichsbürgern, Idenditären, QAnon-Schwachköpfen, stramm rechten Honks der CDU, und weiteren NSDAP-Nostalgiker noch nicht bekannt. Vielleicht hätte Jesko zu Dohna sein Pamphlet unter diesen Umständen ja anders abgefasst. Wobei: Eigentlich wäre es, gerade in seiner Position, seine verdammte Pflicht gewesen, den trägen Arsch zu bewegen und sich investigativ mit dem Thema zu befassen, statt belustigt den Mario Barth für tiefbegabte Schein-Intellektuelle rauszuhängen.
Aber schlimmer geht ja bekanntlich immer. Ich weiß nicht, was man sich so alles in die Birne hauen muss, um ein Studium der Literatur-, Kultur- und Medienwissenschaften erfolgreich zu absolvieren. Ich weiß auch nicht, wie dieser Erfolg hernach zu bewerten ist und einen erwachsenen Menschen dazu bringt, komplette Wirrnis in die Tastatur seines I-Books zu hauen. Eventuell sogar im angesagtesten Berliner Szene-Café, mit der besten Chai-Latte im Verhältnis zur Leistung des freien WLAN. Als Co-Working-Place, quasi ein Muss für angehende Pulitzer-Preis-Aspiranten auf der verzweifelten Suche nach rudimentärem Anschein von Niveau.
Ich weiß auch nicht, was sich Tomasz Kurianowicz, seines Zeichens Chefredakteur der Berliner Zeitung und somit Vorgesetzter von Jesko zu Dohna, reingepfiffen haben muss, um nun einen kruden Artikel von Carola Tunk durchzuwinken, den diese, mutmaßlich frei von jeglichem Realitätsbezug, hingeferkelt hat, und der sich mit den Menschen befasst, die am Wochenende in der ganzen Republik auf die Straße gegangen sind, um den rechtsradikalen Pack zu zeigen, wo der Hammer hängt.
OK, man kann ihr vielleicht noch wohlwollend zugutezuhalten, dass der Artikel als „Meinung“ deklariert ist. Aber alleine der Headliner ist so was von strunzdumm und anmaßend, dass ich ihr, an der Stelle von Tomasz Kurianowicz, geraten hätte, den unausgegorenen Stuss ihrem Friseur zu erzählen. Vielleicht gibt es ja beim Barbier ihres Vertrauens auch freies WLAN und eine leckere Chai-Latte, eventuell sogar aus Hafermilch.
Wie dem auch sei. Ihr gänzlich Intellekt-befreites Traktat versieht Carola Tunk mit dem tumben Headliner: „Demos gegen rechts: Treffen in der Komfortzone“. Darin diskreditiert sie in einem Rundumschlag mal eben Hunderttausende, die auf die Straße gehen, um dem rechten Abschaum die rote Karte zu zeigen, der Feigheit, weil unter anderem die Regierung zu den Protesten aufgerufen hatte! Ihrer grenzdebilen Logik folgend, sind somit kollektive Statements der Bürgerinnen und Bürger nur dann statthaft, wenn sie sich gegen die Regierung richten? Ich fürchte, ich muss meinen Satz, „Aber schlimmer geht ja bekanntlich immer“, hiermit zur Disposition stellen.
Ich schreibe seit nunmehr über zehn Jahren für das Dreibeinblog in der Rubrik „Spitze Feder/Satire“ und haben in dieser Zeit vermutlich schon über 200 Beiträge verfasst, in denen ich selbstverständlich auch meine Meinung verpacke und zum Ausdruck bringe. Zuweilen auch mit ätzendem Zynismus gewürzt, mit dem ich meine politischen Lieblinge, wie Ursula von der Leyen, Jens Spahn, Christian Lindner, Claudia Roth, und, und, und, auch mal reichlich derb abkanzle. Manche meiner Essays würde ich heute vermutlich etwas, nun ja, niveauvoller formulieren, oder gar nicht zu Veröffentlichung einreichen. Aber ich kann mich nicht erinnern, jemals ernsthaft solch einen hanebüchenen, beleidigenden Bockmist über Hunderttausende von Menschen geschrieben zu haben, wie Carola Tunk, in ihrer woken Komfortzone mit Chai-Latte und freiem WLAN.
Ach Carola, ein Stück weit kann ich Dich ja sogar verstehen. Deinen Job übernimmt vermutlich noch dieses Jahr eine KI. Schneller, mit perfekter Orthographie und Interpunktion und für einen Bruchteil dessen, was Dir die Berliner Zeitung für Dein krudes Geschwätz abdrücken muss. Und dass Du deshalb jetzt versuchen musst, Dir mit bezahlter Zeilenschinderei ordentlich finanziellen Speck für die kommenden mageren Zeiten anzufressen, ist mir schon klar. Denn ich gehe davon aus, dass die KI längst auch die gutbezahlten Jobs in den Literatur-, Kultur- und Medienwissenschaften ausradiert hat, und dass Du deshalb auch mit Deinen akademischen Meriten ziemlich in den Arsch gekniffen sein wirst. Die Alternative, noch ein weiteres Szene-Café in Berlin zu eröffnen, mit freiem WLAN und leckerer Chai-Latte, eventuell sogar aus Hafermilch, ist für Dich sicherlich auch nicht so der Burner. Das ist nämlich tatsächlich echte Arbeit!
Einen ganz heißen Tipp hätte ich vielleicht noch für Dich, liebe Carola: Nach dem Geheimtreffen des kriminellen, ultrarechten Packs in Potsdam, musste die völkische Sirene, Alice Weidel, schweren Herzens ihren Wasserträger, Roland Hartwig, als Bauernopfer über die Klinge des SS-Ehrensäbels springen lassen. Vielleicht hat sie ja noch keinen Ersatz gefunden. Mit Deiner „Meinung“ in der Berliner Zeitung, hast Du ja bewiesen, dass Du über jeglichen Verdacht, Ereignisse sinnvoll einzuordnen, erhaben bis. Menschen mit einem solchen Mindset sind bei den Neonazis immer willkommen.
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