Um es gleich vorweg zu sagen: Ich habe absolut nichts gegen „einfache Sprache“, wo sie zweckdienlich und angebracht ist. Wenngleich ich bekanntermaßen selbst ja nicht wirklich dazu neige, und meine Beiträge dafür auch nicht bekannt sind.
Der nachfolgende Beitrag konterkariert bewusst und ostentativ den eigenen Headliner. Denn er ist sehr, sehr lang. Er macht Gedankensprünge, und er verlangt ein gerütteltes Maß an Geduld und Konzentration, um seine Implikationen vollumfänglich zu erfassen. Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren ehemaligen Deutschlehrer (m, w, d), oder die Hubert Burda Media KG.
Wenn mein Navi mir meldet, dass ich die nächste Straße links abbiegen soll, und in 200 Metern auf der rechten Seite mein Ziel erreicht habe, ist diese Information kurz, formal und durchdacht und bedarf keiner weiteren Erläuterung. Punkt!
Aber ich verstehe unter Sprache, jenseits eines ökonomischen Pragmatismus, nun mal wesentlich mehr, als einen schieren Zweck. Wem „nützt“ Poesie, wem Lyrik, wem ein Gedicht, wem ein Roman, ein Liebeslied oder eine verspielte Alliteration? Muss Kunst per se jemandem von Nutzen sein, im Sinne von „Mehrwert“? Reicht der pure Genuss von Kunst, als deren Daseinsberechtigung, nicht aus?
Ich liebe meine Muttersprache, wie ich meine Gitarre liebe, und mit beiden kann ich meine Gedanken und meine Ideen in Texte und Kompositionen fließen lassen. Dass sie nichts mit dem einfachen Wortschatz einer Telenovela gemein haben, oder mit dem simplen Gebrauchs-Pop eines Dieter Bohlen, liegt daran, dass ich keine schmachtende Herz-Schmerz-Romane lese, oder schreibe, und dass mich monotones Fast-Food-Tralala zu Tode langweilt.
Ich verfasse nun schon seit gut 30 Jahren Beiträge in Form von Leserbriefen, und seit über 10 Jahren in Form von Essays für das Dreibeinblog. Wenn ich durch überschwengliche Selbstverliebtheit und verschachtelten Konstruktionen so manche Leserin und so manchen Leser abschrecke, finde ich dies zwar bedauerlich, aber es liegt nun mal in der Natur der Sache, dass Kunst immer eine subjektive Angelegenheit ist. In „einfacher Sprache“ ausgedrückt: Geschmacksache. Und wenn sich meine Leserinnen und Leser nach dem ersten Schachtelsatz verabschieden, oder meine Zuhörerinnen und Zuhörer nach dem ersten 9/8-Takt in C maj 7…C’est la vie.
Der sozialdemokratische Mystiker, Franz Subjekt-Prädikat-Objekt-Müntefering, ist ein bekennender Verfechter einer klaren und einfachen Sprache, wie er 2004 mit seinem ikonischen Satz „Opposition ist Mist“, eindrucksvoll unter Beweis stellte. Mit diesem harschen Federstreich wischte er sämtliche Einwände des eigenen Lagers, gegen eine GroKo mit der CDU, vom Tisch.
Auch die ehemalige grüne Dinkel-Beauftragte, Renate Künast, ist eine Freundin klarer Ansagen ohne verkopften Firlefanz. Als sie 2001 ihr Amt als Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz antrat, war ihre Antwort auf die Frage, wie sie dem massenhaften Import von Sojapellets aus den brandgerodeten Flächen der Regenwälder in Amazonien für die exzessive Massentierhaltung in der Bundesrepublik Deutschland begegnen wolle, ein knappes Back-to-the-Roots-Statement: „Kühe fressen Gras“.
Beide Bonmots sind einfach, prägnant und zweckdienlich und gleichzeitig ein probates Mittel, um in stumpfsinnigen Pressekonferenzen, völlig deplatzierte Detailfragen und enervierendes Nachbohren von Journalistinnen und Journalisten zu blocken, die aus Gründen einer gesicherten Eigenheimfinanzierung, ohnehin nur ihr Zeilen-Salär hochpushen wollen. Die entscheidende Frage ist jedoch: Wer definiert, was Relevanz ist, und wo überschreitet „einfache Sprache“, die fließende Grenze zur substanzlosen Banalität?
Faktencheck des Herausgebers:
Einfache Sprache
Einfache Sprache ist nicht in erster Linie für Migranten, Nichtmuttersprachler oder ungebildete Personen gedacht. Sie richtet sich an alle Menschen, die beim Lesen und Verstehen von Texten Schwierigkeiten haben. Dazu gehören:
Einfache Sprache hilft dabei, Informationen für alle zugänglich und verständlich zu machen. Sie verwendet klare Worte, kurze Sätze und vermeidet Fachbegriffe und komplizierte Strukturen. So wird sichergestellt, dass jeder die gleichen Chancen hat, Texte zu verstehen und an der Gesellschaft teilzuhaben.
Einfache Sprache fördert die Inklusion und ist vergleichbar mit Rampen für Rollstuhlfahrer und Blindenschrift auf Medikamentenpackungen.
Texte in Leichter Sprache sind für Internet-Seiten von Behörden seit 2011 gesetzlich verpflichtend (die Barrierefreie-Informations-Technik-Verordnung)1.
Wenn die Tagesschau, das Nachrichten-Flaggschiff der ARD, auf ihrem Spartenkanal „Tagesschau 24“, vielschichtige Komplexe aus dem Zusammenhang reißt und sie, nach dem minimalistischen Müntefering-Künast-Modus, für „bildungsferne Schichten“, oder „Menschen mit Migrationshintergrund“, auf plakative Überschriften eindampft, bleiben essentielle Hintergrundinformationen zwangsläufig auf der Strecke. So weit, so banal…
„Die Ukraine ist ein Land in Osteuropa“.
„Die Ukraine wurde von Russland überfallen“.
Jetzt herrscht dort Krieg“.
„In der Schweiz haben sich deshalb Menschen aus den G7-Staaten getroffen, um Frieden zu erreichen“.
„Die Europäische Union streitet darüber, wohin mit den Flüchtlingen“.
und, und, und…
Solch hochkomplexe Themen auf derart „einfache Sprache“ herunterzubrechen, ist eine bodenlose Frechheit. Dieser lapidare Stenogrammstil, nütz weder den Menschen, die vermeintlich damit angesprochen werden sollen, noch entspricht er dem gesetzlichen Bildungsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Er ist lediglich schlagwortartiges Geschwätz und das Vorgaukeln einer irgendwie gearteten woken Inklusion. Punkt!
Allerdings ist es im Sinne einer neoliberalen Finanzpolitik im Allgemeinen, und der Einhaltung der Schuldenbremse im Besonderen, natürlich wesentlich kostengünstiger, den Urnenpöbel (Georg Schramm) mit nichtsnutzigem Blabla abzuspeisen und/oder zu sedieren, als beispielsweise sämtliche bundesdeutsche Schultoiletten zu sanieren. Von den dringen notwendigen, zig milliardenschweren Investitionen in das vorsätzlich kaputtgesparte deutsche Bildungssystem ganz zu schweigen. Eine erhellende Analyse über diese unfassbar hanebüchene Politik, liefert besagter Georg Schramm, alias Lothar Dombrowski, in einem wahren Bravourstück kabarettistischen Könnens:
Wer nach diesem Clip nun dazu neigt, den diplomierten Psychologen Georg Schramm, als sachfremdes, linksversifftes Scherzkeks zu diskreditieren, das mit vorhersehbaren Schenkelklopfern seinen Lebensunterhalt bestreitet und keine Ahnung von Wirtschaft habe, dem sei ein hochinteressanter Gastbeitrag des promovierten Ökonomen Simon Grothe für die Berliner Zeitung, wärmsten empfohlen. Er schlägt übrigens sinngemäß in die gleiche Kerbe, wie die zornige Kunstfigur Lothar Dombrowski. Aber Obacht: Der Beitrag ist definitiv nicht in „einfacher Sprache“ verfasst.
Am 13.06.2024 um 18:00 Uhr, kondensierte „Tagesschau 24“ das “Wichtigste vom Tage“ auf knapp sieben Minuten (!) Schweinsgalopp in einfache Sprache. Kein Wort darüber, weshalb auf der Welt über 200 Kriege wüten, vor denen die Menschen um ihr Leben rennen. Statt dessen die Meldung, dass die Europäische Union darüber streitet, wohin mit den Flüchtlingen. Kein Wort über die brandgefährliche Entwicklung in der Ukraine und über die Arroganz der EU und der westlichen Wertegemeinschaft im Vorfeld des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges der russischen Föderation. Statt dessen die Meldung, dass sich in der Schweiz deshalb Menschen aus den G7-Staaten getroffen haben, um einen Frieden zu erreichen. Punkt!
Der Segen der einfache Sprache ist der, dass man damit Hintergrundinformationen zweckdienlich ausblenden kann. Denn mit seriösen, wahrhaften und ideologiefreien Antworten auf die berechtigten Fragen nach den Ursachen von Kriegen und der Umweltzerstörung, des Klimawandels und der galoppierenden Inflation, den horrenden Energiepreisen, den unfassbaren Mietpreisexplosionen und nach den namenlosen Nutznießern dieser desaströsen Entwicklungen…damit würde man die „bildungsferne Schichten“, oder die „Menschen mit Migrationshintergrund“, ohnehin hoffnungslos überfordern. Ergo lässt man es bleiben. Eine klassische Win-Win-Hütchenspieler-Trickserei.
Der Segen der einfache Sprache ist auch der, dass Friedrich Merz problemlos behaupten kann, die Asylbewerber ließen sich mit deutschen Steuergeldern die Zähne sanieren, und deshalb bekämen die deutschen Bürgerinnen und Bürgern keine Zahnarzttermine, selbst wenn diese Aussage nachweislich erstunken und erlogen ist.
Die katastrophalen Folgen einer vulgärliberalen Finanzpolitik und der krankhaften Fixierung des deutschen Finanzministers auf die Einhaltung der Schuldenbremse, namentlich das in Kauf genommene Verrotten unserer Infrastruktur, ein marodes Gesundheitssystem am Rande einer ethischen Insolvenz, der Bankrott unseres Bildungswesens, die Explosion von Energiekosten und Mieten, die Verelendung ganzer Bevölkerungsschichten, das sich um ehrliche Antworten windende Gebaren von Politik und staatstragenden Medien, und, und, und…dies alles machen sich nun die rechten Ratten erfolgreich zunutze – mit dem Segen der einfache Sprache!
Dass sich die Wählerinnen und Wähler aus den „bildungsfernen Schichten“ nicht an den dreisten Lügen und an der Geschichtsklitterung der Neonazis stören und die AfD auf knapp 20% pushen, sollte niemanden verwundern. Schließlich lügt Friedrich Merz ja gleichermaßen, und der unnahbare Bundeskanzler hüllt sich in beredtes Schweigen, seine persönliche Verstrickung in milliardenschwere Finanzverbrechen betreffend.
Fatalerweise, oder sollte man besser verdächtigerweise sagen…Anyway: Weder die „Tagesschau“, noch deren Counterpart in einfacher Sprache, die „Tagesschau 24“, betrachten es als notwendig, den Affront des CDU-Vorsitzenden, oder den Cum-Ex-Skandal und das dubiose Gebaren des Bundeskanzlers am Köcheln zu halten, obwohl es deren verdammte Pflicht ist, die Bevölkerung voll umfänglich zu informieren.
Der Segen der einfachen Sprache ist der, dass man in der Bundesrepublik Deutschland wieder, mehr, oder weniger ungeschoren, „Ausländer raus“ skandieren kann. Dass der Nährboden für diesen ethischen, sozialen und kulturellen Niedergang schon bereitet wurde, lange bevor sich die alten und neuen Nazis mit dem fadenscheinigen Nimbus einer demokratischen Partei umgaben…dies zu analysieren, es schonungslos aufzubereiten und es, auch und gerade, den Bürgerinnen und Bürgern aus „bildungsferne Schichten“, oder „Menschen mit Migrationshintergrund“, in einfacher Sprache vollumfänglich zu erklären, wäre das Gebot der Stunde; wenngleich das Entflechten komplexer Zusammenhänge und der hierzu zwangsläufig notwendige Einsatz von zusätzlicher Manpower und zusätzlichen Ressourcen, dem strangulierenden, tendenziösen Spardiktat der Politik für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk widerspräche – oder gar einer mutmaßlich parteipolitischen Zensur?
Eine solche Aufklärung und die damit verbundene notwendige Akribie, werden seitens der embedded Medien jedoch tunlichst vermieden. Denn das fatale Resümee wäre, in einfacher Sprache ausgedrückt:
Das System hat keine Fehler, es ist der Fehler…und es geht im wahrsten Sinnen des Wortes über Leichen.
Version in Einfacher Sprache
Zusammenfassung
Einfache Sprache
Ich mag Einfache Sprache.
Einfache Sprache ist oft nützlich.
Ich schreibe aber nicht immer in Einfacher Sprache.
Meine Texte sind oft kompliziert.
Der nächste Text ist NICHT in Einfacher Sprache.
Er ist sehr lang.
Der Text hat viele schwierige Wörter.
Man braucht viel Geduld, um ihn zu verstehen.
Fragen Sie Ihren Deutschlehrer, wenn Sie Hilfe brauchen.
Wenn mein Navi sagt:
„In 200 Metern rechts abbiegen.“
Dann ist diese Information klar.
Man braucht KEINE weitere Erklärung.
Sprache ist aber mehr als nur Information.
Ein Gedicht oder ein Lied hat auch keinen direkten Nutzen.
Aber Kunst ist wichtig.
Man genießt Kunst einfach so.
Ich liebe meine Sprache.
Ich liebe auch meine Gitarre.
Mit beiden kann ich meine Gedanken ausdrücken.
Meine Texte sind nicht einfach.
Ich mag keine einfachen Geschichten.
Ich schreibe seit 30 Jahren.
Manche finden meine Texte zu schwierig.
Das ist okay.
Kunst ist Geschmackssache.
Manche mögen meine Texte, andere nicht.
Franz Müntefering war ein Politiker.
Er sagte: „Opposition ist Mist.“
Das ist ein einfacher Satz.
Er erklärte damit seine Meinung.
Renate Künast ist eine Politikerin.
Sie sagte zu einer komplizierten Sache: „Kühe fressen Gras.“
Auch das ist ein einfacher Satz.
Einfache Sätze sind oft gut.
Sie helfen, schwierige Fragen zu vermeiden.
Aber einfache Sätze können auch langweilig sein.
Einfache Sprache ist für viele Menschen wichtig.
Nicht nur für Migranten oder ungebildete Personen.
Viele Menschen haben Schwierigkeiten beim Lesen.
Dazu gehören:
– Menschen mit kognitiven Einschränkungen
– Legastheniker
– Senioren
– Menschen mit geringer Lesekompetenz
– Menschen mit Behinderungen
– Menschen, die Medikamente nehmen und sich schlecht konzentrieren können
– Menschen mit geistigen Behinderungen
– Menschen mit Konzentrationsschwierigkeiten
– Kinder und Jugendliche
Einfache Sprache macht Informationen für alle verständlich.
Sie benutzt klare Worte.
Sie benutzt kurze Sätze.
Einfache Sprache vermeidet schwierige Wörter.
Einfache Sprache ist wie eine Rampe für Rollstuhlfahrer.
Oder wie Blindenschrift auf Medikamentenpackungen.
Einfache Sprache hilft, dass alle Menschen Texte verstehen können.
Seit 2011 müssen Behörden Texte in Leichter Sprache anbieten.
Das steht im Gesetz.
Die Tagesschau bringt jetzt auch Nachrichten in Einfacher Sprache.
Das ist gut für Menschen, die Texte schwer verstehen.
Aber manchmal fehlen wichtige Informationen.
Zum Beispiel über den Krieg in der Ukraine.
Oder über die Probleme in der EU.
Meinungen zu Einfacher Sprache
Einfache Sprache kann hilfreich sein.
Aber sie kann auch wichtige Informationen weglassen.
Das kann Probleme machen.
Politiker wie Friedrich Merz nutzen einfache Sprache.
Sie sagen oft Dinge, die nicht stimmen.
Die Tagesschau sollte genau berichten.
Auch in Einfacher Sprache.
Die Menschen haben ein Recht auf vollständige Informationen.
Manchmal ist es schwierig, alle Informationen in Einfacher Sprache zu erklären.
Aber es ist wichtig, dass alle Menschen die Wahrheit erfahren.
Fußnoten:
Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:
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