I. Schröder – Deutsche Bahn
I. Schröder
Es ist Freitag, 16:54 Uhr, wir verlassen Frankfurt und haben bereits als Auftakt 40 Minuten Verspätung. Ein ‚Notarzteinsatz am Gleis’ erfordert eine andere Streckenführung. Ein Haltepunkt kann daher nicht erreicht werden. Mit vielen Anschlüssen wird es schwierig. Die Stimmung ist gereizt und droht zu eskalieren, als die mobile Servicedame des Bordrestaurants verkündet, dass alle nichtalkoholischen Erfrischungsgetränke im gesamten Zug ausverkauft sind.
Er heißt I. Schröder, so steht es zumindest auf seinem metallenen Namensschild. Das Bahn-Logo ist schon fast nicht mehr lesbar, so abgenutzt ist es. Es ist auch nur noch schwerlich zu erkennen, dass er angeblich auch englisch spricht. Das er aus Hamburg kommt, ist offensichtlich.
„Moin, moin meine Damen und Herren“ sagt er und schaut freundlich in den grimmigen Großraumwagen. „Personalwechsel, Ihre Fahrscheine bitte.“ Ein Entertainer mit Fahrkartenentwerter. Wie toll, denke ich – und sollte mich doch so irren.
Jeder Gast wird von I. Schröder freundlich begrüßt und höflich bedient. Die weiblichen Gäste werden stets mit „meine Dame“ angesprochen, die Herren mit „werter Herr“. Alle Fragen zu unserer Verspätung beantwortet er geduldig – und endet immer mit einem kleinen Spruch und einem Lächeln. Die Mienen hellen sich nach und nach auf. Hier wird jedem geholfen. Die Damen in der Vorderreihe bekommen einen anderen Anschlusszug, der Herr hinter mir wird sein Ziel auch heute noch erreichen. Erleichterung macht sich breit.
I. Schröder braucht keine Bühne, er entwertet, erklärt, gibt Tipps und so unterhält der große schlanke Mann mit den kurzen Haaren und dem Brilli im Ohr ’seinen Zug‘. Das Publikum genießt die Auftritte und die Köpfe folgen ihm. Vom Verspätungsstress ist nichts mehr zu merken. Es ist alles gut, wir haben ja I. Schröder. Als er uns am Ende der Kontrolle des Großraumwagens gesteht, dass er ab Ingolstadt große Angst hätte, dass ihn die zugestiegenen Fahrgäste nicht mehr verstehen und unter den Reisenden augenzwinkernd nach potenziellen Dolmetschern sucht, ist die Stimmung auf dem Höhepunkt. Einen Gast mit BahnCard 100 gibt er die Hand und gratuliert zur ausgezeichneten Wahl seiner Fahrkarte. Der Wagen lacht unisono.
Zur Höchstform läuft I. Schröder auf, als zwei sehbehinderte Damen in Aschaffenburg zusteigen und einen Sitzplatz suchen. Sie stehen im Eingangsbereich des Waggons und wissen nicht weiter. Schröder greift ein. Unter großem Hallo des Publikums ‚beschlagnahmt‘ er nach eigenem lauten Bekunden zwei freie Plätze, setzt kurzerhand zwei Reisende als ‚Platzwart’ ein und führt dann die Damen mit demselben herzlichen Humor zu ihren Sitzen, durch den ihn Wagen 39 bereits komplett ins Herz geschlossen hat.
Unnötig zu sagen, dass die Verspätung von 40 Minuten bei allen bereits vergessen war.
Als ich den ICE 723 in Nürnberg verlasse, treffe ich I. Schröder auf dem Bahnsteig. Ich bedanke mich bei ihm für die freundliche Betreuung und werde per Handschlag in den Feierabend verabschiedet. „Thank you for travelling with Deutsche Bahn“ sagt er zum Abschied. Er kann es einfach nicht lassen. Wir lachen.
Es sind diese Menschen, die gesichtslosen Konzernen ein freundliches Antlitz geben. Die im Meer der Verspätungen, nervigen Durchsagen und Klimaanlagenausfälle für den nötigen Humor sorgen und gleichzeitig Herz zeigen. Wir brauchen mehr I. Schröders in diesem Land.
Und die Bahn braucht ihn.
ein Gastartikel von Frank Mischkowski ©
Und von mir noch ein kleines Schmankerl. Alt, aber immer noch gut:
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