Am vergangenen Wochenende fand es wieder statt: das Indycar 500. Ein Rennen, bei dem rund 30 Autos, ähnlich unseren Formel-1-Wagen, mit 350 km/h im Kreis fahren – 200 Runden à 2,5 Meilen auf dem legendären Ovalkurs von Indianapolis. Jedes Jahr pilgern Hunderttausende zu diesem Spektakel, nicht zuletzt wegen moderater Eintrittspreise, guter Parkplatzsituation und einem Rahmenprogramm, das patriotische Glanzlichter setzt, wie es nur die Amerikaner können.
Da gibt es Marschkapellen in Übergröße, Militärhubschrauber, die die ersten Runden begleiten, und natürlich den alljährlichen Überflug der modernsten Kampfjets – ein patriotisches Feuerwerk, das in seiner Wirkung irgendwo zwischen Super Bowl und Superheldenfilm pendelt. Sogar eine Hymne wird intoniert. Nicht irgendeine, sondern die Indiana-Hymne. Mit Tränen, Pathos und wehenden Fahnen.
Apropos Fahnen: Ich erinnere mich lebhaft an einen Vorfall, der mich bis heute sprachlos zurücklässt. Vor rund 30 Jahren stellte ich einen Fahnenmast vor mein Haus. Darauf flatterte alles: Ruhrgebietsfahne mit Zeche Zollverein, Piratenflagge, Stars and Stripes, sogar die Gemeindeflagge von Edingen-Neckarhausen. Kein Problem. Aber wehe, wehe, ich hisse die deutsche Trikolore! Da klingelt ein junger, besorgter Vater aus der Nachbarschaft – ein Lehrer, wohlgemerkt – und erklärt mir, die Fahne sei durch Hitler “besudelt”. Geschichtskenntnis? Fehlanzeige. Reflexhafte Gesinnungshygiene? 1+ mit Sternchen.
Doch weshalb diese Abschweifung? Ganz einfach: um zu erklären, mit welch atemberaubendem Pomp die Amerikaner selbst banale Veranstaltungen zelebrieren – und gleichzeitig auf so gnadenlos inkompetente Art vergeigen, was eigentlich wichtig wäre.
Ein Paradebeispiel: die Renngrafik. Seit Jahrzehnten weiß jeder Fernsehzuschauer, dass bei einem Autorennen eine eingeblendete Tabelle mit Rundenzeiten, Abständen und Platzierungen Pflicht ist. Formel 1, DTM, Seifenkistenrennen – alle kriegen das hin, sogar bei Spaß-Sendungen, wie der Wok-WM. Nur nicht die Amerikaner.
Dort sieht man in der Grafik einen Rückstand von fünf Sekunden – und gleichzeitig, live und in Farbe, wie die angeblich abgehängten Fahrzeuge in Wahrheit Stoßstange an Stoßstange durchs Bild brausen. Einer der Spitzenfahrer wird sogar mit einem Rückstand von drei Runden angezeigt, während er – Überraschung! – klar vorne liegt. Ab Runde 190 wird’s dann richtig bunt: Die Restrundenzahl springt wie ein nervöser Flummi zwischen 5, 9 und 10 hin und her. Die Amis kriegen das nicht hin.
Aber das ist auch irgendwie bezeichnend. Die Amerikaner machen alles hübsch, laut, bunt und emotional. Aber unter der Haube, da brodelt der Schrott.
Ich war mal in einem US-amerikanischen Baumarkt. Du möchtest wirklich nicht wissen, was da für ein Müll verkauft wird. Ich suchte damals diese typisch amerikanischen Türknäufe. Drehbar, hübsch, messingfarben – wunderbar! Zuhause wollte ich unsere langweiligen Türklinken damit ersetzen.
Ich habe es dann auch getan – aber nur mit den hochwertigeren Knäufen für Außentüren. Warum? Weil die Knäufe für Zimmertüren eine Zumutung sind: wacklig, klapperig, aus Blechfolie und zum sofortigen Verfall bestimmt. Jeder deutsche Heimwerker hätte das Zeug nach fünf Sekunden im Mülleimer versenkt. Ein ernstzunehmender deutscher Handwerker hätte sie nicht einmal eines Blickes gewürdigt. Aber in den USA? Wird so was standardmäßig verbaut. Und zwar von Leuten, die sich als Fachleute bezeichnen und ein dementsprechendes Handwerksgewerbe betreiben.
Da wären wir auch schon beim nächsten Punkt. In Deutschland benötigt man einen Meisterbrief, jahrelange Ausbildung und Prüfungen, um Klempner, Elektriker oder Heizungsbauer zu sein. In den USA? Da reicht ein Entschluss beim Frühstück: „Heute werde ich Klempner.“ Zack, Werkzeugkasten gekauft, Aufkleber aufs Auto, fertig.
Ich habe mir dort mal den Sicherungskasten eines Hauses angesehen. Ich schwöre: So viele lose, abisolierte und stromführende Kabel habe ich in meinem Leben noch nie gesehen. Bei deutschen Fachleuten würde man damit einen kollektiven Stromschlag auslösen – vor Empörung. Dort ist das offenbar Stand der Technik.
Und die Häuser selbst? Ach ja. Wer je in einem echten amerikanischen Holzrahmenhaus gewohnt hat, weiß, dass „solide“ und „dauerhaft“ dort Fremdwörter sind. Da wird getackert, geklebt und improvisiert. Zwischen den Gipskartonwänden verläuft ein Sammelsurium an Leitungen, das aussieht wie ein Spaghetti-Massaker nach Stromausfall. Wasserleitungen, Heizschlangen, Stromkabel, LAN-Kabel – alles auf Augenhöhe durch dieselbe Wand, ohne Schacht, ohne Plan.
Ich spreche aus Erfahrung: Ich hatte im Laufe meines Lebens zwölf verschiedene US-Cars. Vom schnurrenden V8 bis zur klappernden Blechbüchse war alles dabei. Und jedes einzelne dieser Fahrzeuge war ein Lehrstück in: Wie verbaue ich möglichst viel Plastik dort, wo Metall gebraucht wird. Wie kann ich Verbindungen stecken und mit Blindnieten herstellen, wo normalerweise geschweißt würde.
Trotzdem – und jetzt kommt der Clou – muss man den Amerikanern auch etwas lassen: Sie machen sich das Leben schön. Ein Haus kaufen, ein Haus besitzen, ein Haus bewohnen – das ist dort für viele Menschen machbar. Manchmal auch mit dünnen Wänden, aber immerhin mit eigenem Garten. Während bei uns ein Paar mit solider Ausbildung und zwei Kindern schon nervös wird, wenn es die Anzahlung fürs Reihenhaus stemmen soll, überlegt die typische amerikanische Familie, ob sie noch eine Klimaanlage oder noch einen Swimming-Pool anschafft.
Vielleicht ist es genau das: Die Amis leben in einer Welt, in der es mehr um den Eindruck geht, weniger um Substanz. In der alles eine Show ist, aber wenigstens auch mitreißend. Und in der man sich ein Haus leisten kann, wenn man sich traut, auch mal mit minderwertigem Material zu leben.
Wir bauen aus Beton, Stahl und Vorschriften – sie aus Sperrholz, Begeisterung und Freiheitsdrang.
Manchmal beneide ich sie dafür. Nur nicht um ihre Türknäufe.
- tuerknauf: Peter Wilhelm
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