Notiz für mich selbst

Erfurter Latrinensturz: Als die Noblen baden gingen

Erfurter Latrinensturz 1

Willkommen, verehrte Leser, zu einem der denkwürdigsten und zugleich skurrilsten Ereignisse der mittelalterlichen Geschichte: dem Erfurter Latrinensturz von 1184. Setzt Euch bequem hin, schnappt Euch einen Kaffee und macht Euch bereit für eine Reise in die Abgründe des Königsbesuchs, bei dem so ziemlich alles schiefging, was schiefgehen konnte – bis hinunter in die unterste Schicht der mittelalterlichen Gesellschaft, nämlich die Latrine.

Das königliche Setup

Stellt Euch vor: Es ist ein heißer Sommertag im Juli 1184. König Heinrich VI. ist auf einem Feldzug gegen Polen unterwegs und macht einen kurzen Zwischenstopp in Erfurt, um einen Streit zu schlichten. Heinrich der Löwe hatte sich mit Erzbischof Konrad I. von Mainz und Landgraf Ludwig III. von Thüringen gezofft, und unser König dachte, ein wenig königlicher Charme könnte die Sache bereinigen. Also versammelte er alle wichtigen Männer – Fürsten, Bischöfe und andere Adeligen – zu einem Hoftag in der Dompropstei des Marienstiftes. Es war ein typischer mittelalterlicher Männerclub mit dem Geruch von Macht, Schweiß und… nun ja, sehr bald auch etwas viel Unangenehmerem.

Der Boden der Tatsachen

Während König Heinrich und sein Gefolge über politische Intrigen und Machtspiele debattierten, tat sich unter ihnen der Abgrund auf – im wahrsten Sinne des Wortes. Das obere Stockwerk, überfüllt mit schwergewichtigen Adeligen, gab unter dem enormen Druck nach. Es war, als hätte die Architektur selbst genug von all den Intrigen und Beschuldigungen und beschloss, die ganze Bande dorthin zu schicken, wo der Tag doch am Ende immer endet: in die Toilette.

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Die große Schlitterpartie

Die elegante Gesellschaft stürzte durch die morschen Holzböden des zweiten und ersten Geschosses in die darunterliegende Abtrittsgrube. Ja, Ihr habt richtig gelesen. Die stolzen Adeligen landeten mitten in einer riesigen mittelalterlichen Toilette. Stellt Euch den Schrecken vor: eine Horde vornehmer Herren in prachtvollen Gewändern, die plötzlich im Morast der Körperausscheidungen schwimmen.

Erfurter Latrinensturz

Das wünscht man niemandem: Eben noch in Pomp und Trallala; und dann ab in die Fäkalien

Ein nobles Ende

Leider war das kein komisches Spektakel für alle Beteiligten. Ungefähr 60 Menschen fanden bei diesem unfreiwilligen Bad ihren Tod. Einige erstickten, andere ertranken in den Fäkalien. Wieder andere wurden von herabfallenden Trümmern erschlagen. Es war ein echtes Drama – ein für die damalige Zeit wohl einmaliges Spektakel, bei dem Hochmut nicht nur vor dem Fall kam, sondern direkt in die Latrine führte.

Die glorreichen Überlebenden

König Heinrich VI. und Erzbischof Konrad I. von Wittelsbach hatten allerdings Glück im Unglück. Sie saßen in einer gemauerten Fensternische und blieben verschont. Schnell wurden sie mittels Leitern in Sicherheit gebracht, sicherlich mit einem nicht unerheblichen Grad an Eile und Peinlichkeit. Heinrich VI. war klug genug, nach diesem Erlebnis rasch das Weite zu suchen und Erfurt zu verlassen. Landgraf Ludwig schaffte es ebenfalls, dem Schicksal zu entkommen.

Waschung

Wer den Sturz in die Fäkalien überlebt hatte, musste sich ordentlich baden

Ein Blick in die Chronik

Ein Auszug aus der Chronik von St. Peter in Erfurt beschreibt das Ereignis folgendermaßen: „König Heinrich kam auf dem Zuge gegen Polen nach Erfurt und fand daselbst Cunrad von Mainz in heftigem Streit mit dem Landgrafen Lodewig ob des dem Bisthum zugefügten Schadens. Als er, bemüht den Frieden zwischen denselben herzustellen, von Vielen umgeben in einer Oberstube zu Rath saß, brach plötzlich das Gebäude zusammen und Viele stürzten in die darunter befindliche Abtrittsgrube, deren einige mit Mühe gerettet wurden, während andere im Morast erstickten. Daselbst starben: Friderich, Graf von Abinberc, Heinrich, ein Graf aus Thüringen, Gozmar, ein hessischer Graf, Friderich, Graf von Kirchberg, Burchard von Wartburg und Andere geringeren Namens am 26. Juli eines kläglichen Todes.“

Was wir daraus lernen können

Also, liebe Leser, was lernen wir aus dieser Geschichte? Erstens: Wenn Ihr jemals zu einem wichtigen Treffen geht, überprüft sicherheitshalber die Stabilität des Bodens unter Euren Füßen. Man kann nie wissen, was unter den Dielen lauert. Zweitens: Macht Euch bewusst, dass auch die Mächtigen und Reichen nicht gegen die Launen des Lebens gefeit sind. Manchmal endet der Höhenflug buchstäblich in der Tiefe.

Der satirische Ausblick

Stell Dir vor, wie die Nachrichten heute über ein solches Ereignis berichten würden: „Eilmeldung! Bundeskabinett endet in einer katastrophalen Klospülung. Kanzler und Minister ertrinken in ihrer eigenen Sch**ße! Rettungskräfte im Einsatz – ‘Es riecht nach einem Skandal’, so ein Augenzeuge.“
Natürlich würde man darüber twittern: „Latrinensturz – Wer hätte gedacht, dass Politik so tief sinken kann?“

Die moralische Lehre aus dem Erfurter Latrinensturz könnte in einer modernen Pointe gipfeln: Es ist egal, wie hoch Dein Status ist oder wie prächtig Dein Titel klingt, wenn der Boden unter Deinen Füßen nachgibt, landest Du genauso im Schlamassel wie alle anderen.

Die große Moral der Geschichte

Zum Abschluss, liebe Leser, lasst uns diese außergewöhnliche Geschichte nicht nur als ein kurioses Kapitel in den Geschichtsbüchern sehen, sondern auch als eine amüsante Erinnerung daran, dass der menschliche Hochmut oft vor einem sehr realen und buchstäblichen Fall kommt. Und das nächste Mal, wenn Ihr über eine alte, knarzende Holzbalkendecke geht, denkt daran: Die Mächtigen von damals hatten nicht nur einen schlechten Tag, sie hatten auch ein wirklich beschissenes Ende.

Der Erfurter Latrinensturz: Ein prächtiges Lehrstück in der Kunst des Hinfallens – wortwörtlich.

Nun, hoffe ich, dass Du ein wenig geschmunzelt hast und diese unglaubliche Episode der Geschichte genauso faszinierend und unterhaltsam fandest wie ich. Bis zum nächsten Mal bei unseren absurden Ausflügen in die Vergangenheit!


Quellen:

Bildquellen:
  • erfurter-latrinensturz-1: Pete Williams, Kay Ei
  • waschung: Pit Willems, Ka-ih
  • erfurter-latrinensturz: Magister Petrus Wilhelmius, Heidelbergensis


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In „Notiz an mich selbst“ habe ich Fragen, die ich selbst hatte und Fragen, die Leserinnen oder Leser an mich gestellt haben, lediglich grob nachrecherchiert und notiert.
Diese Texte enthalten Recherchen, Fakten, Pseudofakten und Informationen, die ich einfach für mich notiert habe.

Lesezeit ca.: 8 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 12. Juni 2024

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