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Deshalb dürfen wir Geflügel mit Vogelgrippe nicht essen

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Es wurden bereits über 400.000 Tiere getötet. Die Vogelgrippe ist ausgebrochen. Eine Leserin will wissen, ob man das getötete Geflügel nicht eventuell essen kann. Alles andere sei doch Verschwendung.

Ganz so verkehrt ist diese Überlegung nicht. Es gab bis vor rund 20 Jahren noch Freibank-Betriebe1, in denen Fleisch von verunglückten oder kranken Tieren verarbeitet und verkauft werden durfte. Dieses Fleisch gilt als minderwertig, aber noch für den menschlichen Verzehr geeignet. Das Fleisch war durchweg sehr günstig und die Qualität der daraus erzeugten Produkte wurde allenthalben als sehr gut beschrieben. Die Rede ist von Fleisch, das von Tieren stammt, die in normalen Schlachthöfen nicht verarbeitet werden durften, von dem aber keine Gefahr für den Menschen ausging. Durch die Industrialisierung der Fleischwarenherstellung ist das aber unwirtschaftlich geworden, da fleischverarbeitende Großbetriebe in der Lage sind, durch Massentierhaltung gewonnenes Billigfleisch so effizient zu verarbeiten, dass selbst minderwertigste Qualität von Verbrauchern vielfach als schmackhaft angesehen wird.

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Warum also nicht auch das Fleisch der Vogelgrippe-Tiere verarbeiten, billig verkaufen und aufessen?

„Derzeit herrscht in Deutschland und Europa die Vogelgrippe. Stand heute wurden bereits über 400.000 Tiere getötet. Es heißt, die Krankheit sei für den Menschen nicht gefährlich. Angesichts der hohen Lebensmittelpreise sollte man doch darüber nachdenken, das Fleisch der getöteten Tiere nach entsprechender Behandlung (beispielsweise hocherhitzen) dem menschlichen Verzehr zuzuführen. Das könnte man doch billig machen und müsste die getöteten Tiere nicht teuer entsorgen. Was meinen Sie darüber?“

Vogelgrippe: Warum das Fleisch getöteter Tiere nicht in den Handel darf

Auf den ersten Blick klingt der Gedanke nachvollziehbar: Wenn ohnehin ganze Bestände gekeult werden, warum das Fleisch nicht verwerten? Aus seuchenrechtlichen, lebensmittelhygienischen und praktischen Gründen ist das jedoch ausgeschlossen. Tiere aus betroffenen Beständen gelten als nicht verkehrsfähig; sie dürfen weder in den Handel noch an Verbraucher abgegeben werden. Die sichere Entsorgung unter amtstierärztlicher Aufsicht ist vorgeschrieben, um jede weitere Verbreitung der Aviären Influenza zu verhindern.

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Warum überhaupt gekeult wird

Bei Verdacht oder Nachweis der Aviären Influenza (Vogelgrippe) sind die Behörden verpflichtet, Betriebe abzusperren und präventiv ganze Bestände zu töten. Hintergrund ist das hohe Ansteckungsrisiko innerhalb von Geflügelbeständen und die Gefahr, dass sich das Virus über Transporte, Gerätschaften oder Wildvögel weiterverbreitet. Ziel ist die rasche Unterbrechung möglicher Infektionsketten.

Thermische Behandlung ändert nichts an der Rechtslage

Zwar werden Influenzaviren bei ausreichend hoher Kerntemperatur (i. d. R. > 70 °C) inaktiviert. Doch die rechtlichen Vorgaben sind klar: Fleisch aus gekeulten, seuchenverdächtigen oder -betroffenen Beständen ist nicht für den menschlichen Verzehr bestimmt. Zudem lässt sich nicht gewährleisten, dass alle Prozessschritte (Tötung, Sammlung, Transport, Zwischenlagerung) die strengen Lebensmittelstandards erfüllen. Deshalb ist eine Verwertung als Lebensmittel ausgeschlossen.

Verbrauchervertrauen und Ethik

Selbst wenn theoretisch eine sichere Inaktivierung möglich wäre, würde „Seuchenfleisch“ das Vertrauen in die Lebensmittelkette untergraben. Transparenz und Sicherheit haben hier Vorrang vor einer scheinbar naheliegenden Ressourcennutzung.

Entschädigungen statt Vermarktung

Landwirte erhalten Entschädigungen aus dem Tierseuchenfonds. Die sichere Entsorgung übernehmen spezialisierte Anlagen. So soll verhindert werden, dass wirtschaftlicher Druck zu riskanten Einzelentscheidungen oder zur Vertuschung von Verdachtsfällen führt.

Infokasten: Was ist die Vogelgrippe?

Aviäre Influenza (umgangssprachlich „Vogelgrippe“) ist eine Viruskrankheit bei Vögeln, verursacht durch Influenza-A-Viren. Man unterscheidet niedrigpathogene (LPAI) und hochpathogene (HPAI) Varianten. Letztere können in Geflügelbeständen schwere Ausbrüche verursachen. Infektionen des Menschen sind selten und erfordern in der Regel engen, ungeschützten Kontakt zu infizierten Tieren oder stark kontaminierten Umgebungen. Für die allgemeine Bevölkerung sind pasteurisierte Eier, handelsübliches Geflügelfleisch und gut durchgegarte Speisen sicher.

  • Übertragung: hauptsächlich zwischen Vögeln; indirekt über Kot, Federn, Geräte, Fahrzeuge.
  • Symptome bei Geflügel: von mild (LPAI) bis massiven Ausfällen (HPAI).
  • Schutzmaßnahmen: Stallpflicht/Abschirmung, Biosicherheit, schnelle Meldung und Keulung, Sperrzonen.

Überblick wichtiger Erreger-Typen (Auswahl)

Erreger-Typ Einordnung Relevanz für Geflügel Übertragung auf Menschen Hinweis
H5N1 (HPAI) hochpathogen hohe Verluste in Beständen, schnelle Ausbreitung selten; v. a. enger Kontakt zu erkranktem Geflügel/Umwelt globale Ausbrüche bei Wildvögeln/Geflügel, streng überwacht
H5N8 (HPAI) hochpathogen wiederkehrende Ausbrüche in Europa menschliche Fälle sehr selten/vereinzelt häufig in Wildvogelpopulationen nachweisbar
H7N9 (meist LPAI, teils HPAI) niedrig- bis hochpathogen (Varianten) kann klinisch unauffällig im Geflügel zirkulieren menschliche Infektionen v. a. in Asien beschrieben Beispiel für zoonotisches Potenzial bei engem Kontakt
H7N7 (HPAI/LPAI) variabel Ausbrüche in Europa dokumentiert vereinzelt milde menschliche Verläufe (z. B. Konjunktivitis) Betriebsbiosicherheit entscheidend

Hinweis: Tabelle dient der Einordnung. Konkrete Risikobewertungen hängen vom aktuellen Ausbruchsgeschehen und Behördeneinschätzungen ab.

Praktische Empfehlungen für Verbraucher

  • Geflügelprodukte nur aus regulärem Handel beziehen und durchgaren (Kerntemperatur > 70 °C).
  • Rohes Geflügel getrennt lagern und verarbeiten; Küchenhygiene beachten (Bretter, Messer, Hände).
  • Tot aufgefundene Wildvögel nicht berühren; Funde der zuständigen Behörde melden.

Fazit

Was wie Verschwendung wirkt, ist eine Schutzmaßnahme: Fleisch aus gekeulten, seuchenbetroffenen Beständen darf nicht in den Verkehr. Das verhindert die Weiterverbreitung der Vogelgrippe, erhält das Vertrauen in die Lebensmittelkette und schützt Verbraucher wie Betriebe gleichermaßen.

Transparenz-Hinweis: Dieser Beitrag stellt keine medizinische Beratung dar. Maßgeblich sind stets die aktuellen Bekanntmachungen der zuständigen Veterinär- und Gesundheitsbehörden.

Bildquellen:

  • vogelgrippe_800x500: Peter Wilhelm KI
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(©si)