Ach, wie war das doch schön, vor dem unschönen 9. November 1989. Erinnert Ihr Euch noch?
Wie hatten wir Wessis uns doch in unserem Wirtschaftswunder gesuhlt und in bräsiger Jovialität unsere Schwestern und Brüder in der Täterä bemitleidet?
Wir schickten ihnen zu Weihnachten, mit gönnerhafter Geste und dümmlichen Karten, abgetragene Jeans und verwaschene Pullover. Wir stopften uns die Plauzen voll mit Pommes, Cheese-Burger und anderen kulinarischen Absurditäten, derweil besagte Schwestern und Brüder hinter dem antifaschistischen Dingsbums, mit Broiler, Ketwurst und Grilletta versuchten, ihrem sozialistischen Arbeiter – und Bauereintopf ein menschliches Antlitz … oder so in der Art.
Während im Palast der Republik „Ein Kessel Buntes“ lief und in Erichs Lampenladen einen Hauch von Showbiz versprühte, bat in der ARD der große Peter Frankenfeld zum „Vergißmeinnicht“, und Max Greger beschallte die mit der Handkante geknickten Sofakissen auf Michelines und Michels Chaiselongue im heimischen Wohnzimmer mit klebrig-süßen Melodeien.
Mancher Ossi zog sich dieses staatszersetzende, kapitalistische TV-Treiben auch rein. Das konnten die Brüder und Schwestern anhand der grotesken Antennengebilde, die auf manchen Dächern montiert waren, leicht erkennen. Wobei … nicht überall. Denn es gab auch Gegenden, da reichten selbst die gewagtesten Konstruktionen nicht aus, um die kapitalistische Propaganda zu empfangen.
Schon, als der Deutscher Fernsehfunk (DFF) zu senden begann, erreichte er die Gegend um Dresden, aufgrund topographischer Unzulänglichkeit, nämlich nur mäßig und mit Westfernsehen war dort komplett Essig. Deshalb sprachen unsere Brüder und Schwestern bei der Buchstabenreihe A-R-D auch in stoischer Selbstironie von „Ausser Raum Dresden“ oder nannten besagtes Funkloch „Das Tal der Ahnungslosen“.
Aber das ist ja bekanntlich „Gechichte“, wie vier Zentner Einheitskanzler mit speckiger Genugtuung vermutlich anmerken würden. Heute recken sich die verzinkten Phalli der Mobilfunkunternehmen in der wiedervereinten Republik gen Himmel und beglücken Micheline und Michel mit smarten Services und Xillionen Kanälen, auf denen sie sich über alles informieren können… Nun ja, nur eben nicht überall. Man muss das ja auch betriebswirtschaftlich sehen. So ein schweineteurer ICE kann schließlich auch nicht an jeder Milchkanne in Meck-Pomm halten (O-Ton: Hartmut Mehdorn).
Ich kann nehme an, dass man besagten TV-blinden Fleck deshalb nonchalant als eine Art historisch erhaltenswertes UNESCO-Weltkultur-Dingenskirchen betrachtet und ihn in dünnbesiedelten Gegenden der wiedervereinten Republik deshalb aufrechterhält. Fairerweise muss man aber anerkennen, dass man heutzutage zur Weihnachtszeit original Dresdner Christstollen tatsächlich an jeder Milchkanne bekommt – bundesweit … auch in Bio-Qualität!
Allerdings wäre es sträflich, nur jene Flecken mit nostalgischer TV-Absence, als „Das Tal der Ahnungslosen“ zu bezeichnen. Die komplette Verkabelung (fast) der ganzen Republik mit Breitband-Gedöns, dübelt nämlich die bunte Welt der asozialen Medien via Internet beinahe jeder Milchkanne an die Henkel. Dummerweise jedoch ohne einen sachdienlichen Hinweis oder eine Anleitung, welche der dargebotenen „Inhalte“ nun echte Information darstellen und zur Minimierung von Ahnungslosigkeit geeignet wären, und welche einfach nur Bullshit sind.
Wenn man nämlich versucht, zu einem Nachrichtenschnipsel, den man irgendwo mit halbem Ohr aufgeschnappt hat, sich bei YouTube, Twitter, Instagram, Facebook & Co umfassender zu informieren, landet man mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerks zu 99 % bei Info-Trash und das nicht nur von hirnevakuierten Verschwörungs-Honks. Die Chance, ausgewogene Informationen und validierte Fakten ohne ideologischen Tinnef zu finden, stehen allgemein ziemlich mies. Man lausche beispielsweise nur der seit beinahe einem Jahr laufenden Ukraine-Kakophonie.
Gestern bejubelten die Medien, dass mit dem Preisdeckel für „russische Ölprodukte“ weitere, schmerzliche Sanktionen gegen den Aggressor Wladimir Putin in Kraft treten, um die Finanzierung seines Angriffskrieges gegen die Ukraine … oder so etwas in der Art. Dass dieses starke Zeichen europäischer Solidarität und Entschlossenheit durch den Embedded Journalism mit adäquatem Hurra-Patriotismus begrüßt wurde, versteht sich von selbst.
Weshalb das westliche Bollwerk aus Frieden, Freiheit und Demokratie für russisches Benzin, Kerosin und Diesel ab sofort nur noch 100 US-$ je Barrel bezahlen werde, für Heizöl sogar nur 50 US-$ … obwohl Heizöl bekanntermaßen chemisch die gleiche Plörre ist, nur eben anders eingefärbt, um Steuersünder entlarven zu können, wenn sie in ihren Dieseln das billigere Heizöl … Öhm? Oh je, jetzt habe ich glatt vergessen, dass Schachtelsätze Scheiße sind und dass russische Ölprodukte ja ohnehin nicht mehr in die EU importiert werden dürfen. Insofern…
Das heißt aber auch, dass russisches Rohöl ab sofort in Indien raffiniert wird und dass die Inder von der EU für Benzin, Kerosin, Diesel und Heizöl nur die festgesetzten Sanktionspreise bekommen? Mal im Ernst: Halten die Camouflage-Jodler in Straßburg und Brüssel die Inder tatsächlich für so doof oder doch eher Micheline und Michel, die stets zuverlässig in ein patriotisches Wachkoma fallen, wenn im EU-Parlament die Wohlstandsfäustchen geballt werden?
Leute, noch mal ganz langsam zum Mitschreiben, auch für die Ahnungslosen an der letzten Milchkanne: Die Inder brauchen die EU nicht, um die Plörre in ihren Tankern zu löschen! Ende der Durchsage! Die verkaufen ihren Sprit dann eben nach China, Indonesien oder sonstwohin, wo sie Weltmarktpreise dafür bekommen; und Micheline und Michel stehen demnächst wieder an der Tanke und glotzen mit rotgeheulten Augen auf die Zwei vor dem Komma.
Um diesen Beitrag wieder mit etwas Täterä und versöhnlich zu beenden: Micheline und Michel leben mit ihren quietschbunten TV-Kanälen und ihren asozialen Medien noch immer im Tal der Ahnungslosen, diesmal jedoch im gesamtdeutschen Elend. Sonst wüssten sie nämlich, dass Wladimir Putin ganze Heerscharen von Figuren wie Alexander Schalck-Golodkowski auf der Payroll hat und dass ihm deshalb sowohl diese „neuen, schmerzlichen Sanktionen“, als auch die Spritpreise an unserer Tanke meilenweit am Arsch vorbeigehen.
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