Spott + Hohn

15 Menschen an einem Wochenende ertrunken

Schwimmtote

15 Tote. An einem einzigen Wochenende. Und das nicht irgendwo am anderen Ende der Welt, sondern hier bei uns, in deutschen Flüssen, Seen und Freibädern sind sie ertrunken. Die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) schlägt Alarm, und was passiert? Nichts! Die Sommerlaune ist offenbar wichtiger als das Leben. Die Leute springen kopflos in offene Gewässer, unterschätzen die Strömung, überschätzen sich selbst und ignorieren sämtliche Warnhinweise – als wären sie unverwundbar.

Schwimmen? Können immer weniger!

Es ist ein Skandal: Immer mehr Kinder wachsen auf, ohne überhaupt richtig schwimmen zu lernen. Nicht, weil es keine Schwimmbäder gäbe, sondern weil es niemanden mehr interessiert! Der Schulsport? Lächerlich wenige Schwimmstunden. Die Eltern? Offenbar zu beschäftigt mit TikTok und Grillfesten, um sich um die wichtigste Überlebensfähigkeit ihres Nachwuchses zu kümmern. Schwimmen zu können ist kein Hobby – es ist eine Grundkompetenz des Lebens!

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Ich sehe immer wieder Väter, die mit ihren Kindern Fahrradfahren üben. Offenbar ist es heutzutage wichtiger, mit dem Fahrrad fahren zu können, als schwimmen zu können. Ich halte die Fähigkeit schwimmen zu können für ungeheuer wichtig.

Was ist da schiefgelaufen, verdammt nochmal?

Historisches Schreckenserlebnis

Mein Vater war ein athletisch gebauter Mann. Harte Arbeit im Bergbau und im Reichsarbeitsdienst hatten ihm ordentliche Muskelpakete verschafft. So etwas wie ein Fitness-Studio hat damals niemand gebraucht.
Als ich etwa drei Jahre alt war, verbrachte die junge Familie einen schönen Samstagnachmittag nahe der Ruhrbrücke in Essen-Steele. Mein Vater hatte einen Schlauch von einem Motorroller mitgebracht, er arbeitete damals als Fahrer für einen Reifendienst.
Meine Mutter lag auf einer karierten Decke am Ruhrufer und dachte, mein Vater will mit seinem kleinen Sohn im ufernahen Bereich im Wasser ein bißchen mit dem stramm aufgeblasenen Rollerschlauch spielen.

Ruhrbrücke essen

Könnt ihr Euch den Schrecken meiner Mutter vorstellen, als mein Vater mit mir oben auf der Ruhrbrücke auftauchte? Er steckte mich in den Schwimmring, wie er das nannte, hielt mich über das Brückengeländer und sprang dann mit mir in die Tiefe in die Ruhr!

Und obwohl ich noch so klein war, erinnere ich mich heute noch daran, wie unangenehm sich das Ventil des Schlauchs in meine Seite gebohrt hat.

Ich soll das johlend und voller Begeisterung erlebt haben und ich kann mich auch nicht daran erinnern, Angst gehabt zu haben oder das Ganze als schlimmes Erlebnis mitbekommen zu haben. Ganz im Gegenteil: ich soll darum gebettelt haben, dass wir das nochmal machen.
Doch dazu ist es nie wieder gekommen. Meine Mutter hat ihm die Hölle heiß gemacht.

Aber ich konnte mit vier Jahren schon zuverlässig schwimmen. Als ich zehn war, habe ich bei Bademeister Baust im Schwimmbad von Walldorf an einem Tag meinen Freischwimmer und meinen Fahrtenschwimmer gemacht.
Kurz danach, vielleicht maximal zwei Jahre später, habe ich den Jugendschwimmschein gemacht.

Abzeichen, 1950er-Jahre bis Anfang der 1980er Jahre:

Schwimmabzeichen
  • Seepferdchen (Sprung vom Beckenrand und 25 m Schwimmen sowie Heraufholen eines Gegenstandes mit den Händen aus schultertiefem Wasser)
  • Freischwimmer (15 Minuten Schwimmen in tiefem Wasser und Sprung aus 1 m Höhe)
  • Fahrtenschwimmer (30 Minuten Schwimmen in tiefem Wasser und Sprung aus 3 m Höhe in 3,5 m tiefes Wasser oder, falls Voraussetzungen nicht gegeben, 3 beliebige Sprünge)
  • Leistungsschwimmer (60 Minuten Schwimmen in tiefem Wasser; 50 m Schwimmen in Rückenlage ohne Arm- und Handbewegungen; 10 m Streckentauchen; 2 m Tieftauchen; 10 m Retten eines Gleichaltrigen, der den Ertrinkenden darstellt)]
  • Jugendschwimmschein (innerhalb von 2 Monaten zu erfüllende Bedingungen):
    • Streckenschwimmen: 200 m in beliebiger Stilart
    • Schnellschwimmen: 50 m in beliebiger Stilart in stehendem Wasser, max. 70 Sekunden
    • Rückenschwimmen: 25 m, davon 15 m ohne Armtätigkeit (Arme sind über der Brust zu kreuzen)
    • Streckentauchen: 10 m (vom Absprung aus gemessen)
    • Teller- oder Ringtauchen: 3 von 6 Tellern (Ringen) auf 5 × 5 m Grundfläche in 1 bis 3 Tauchgängen heraufholen, 3 min. Zeit
    • Mutsprung: beliebiger Sprung aus 3 m Höhe in 3,5 m tiefes Wasser oder, falls Voraussetzungen nicht gegeben, 3 beliebige Sprünge
    • Transportieren: 30 m Ziehen oder Schieben eines etwa gleich schweren Menschen
    • Nachweis folgender Kenntnisse: allgemeine Baderegeln, Selbsthilfe bei Gefahren am und im Wasser (Bade-, Boots- und Eisunfälle)
  • Delfin (in der Reihung Seepferdchen – Delfin – Hai)

Ich muss sagen, dass ich vom Seepferdchen-Abzeichen überhaupt erst was in den letzten Jahrzehnten gehört habe. Für uns Kinder war das damals überhaupt keine Option und nahezu wertlos. Man fing mit dem Freischwimmer an. 25 Meter Schwimmen und sich im Wasser nach einem Gegenstand bücken, das war für uns Planschen.

Beim Jugendschwimmschein hatte ich meine Schwierigkeiten. Das lag aber gar nicht an mir, sondern an unserem Sportlehrer. Ich war nie besonders sportlich und empfand den Sportunterricht als Folter. Aber Schwimmen machte mir Freude.
Weil aber der Komisskopp Leichtathletik über alles stellte, verzögerte er bei mir und ein paar anderen die Abnahme des Schwimmabzeichens. Beinahe hätten wir die 2-Monats-Frist nicht geschafft. Dann hat es aber mit Hängen und Würgen doch noch geklappt.

Die Ignoranz kennt keine Grenzen

Die gehen bei 36 Grad an den See. Gut. Aber wieso in aller Welt springen die Leute mit aufgeheiztem Körper direkt ins kalte Wasser? Wissen die nicht, was ein Kälteschock ist? Der Körper verkrampft, das Herz kann stehen bleiben – und plötzlich ist man kein Badegast mehr, sondern eine Leiche mit Badehose.

Und dann sind da noch die, die denken, sie könnten den See durchqueren, weil sie mit 16 Jahren mal einen Freischwimmer gemacht haben. Nach drei Minuten fehlt die Kraft, die Orientierung, die Strömung zieht – und niemand merkt, dass sie untergehen. Keine dramatische Filmszene. Kein Hilfeschrei. Nur ein leises „blubb“. Und weg sind sie.

Offene Gewässer sind keine Badewannen!

Ein Fluss ist kein Planschbecken. Die Strömung ist unberechenbar – selbst, wenn das Wasser scheinbar ruhig fließt. Unter der Oberfläche lauern Strudel, starke Unterströmungen und Hindernisse wie Äste oder Müll. Ein falscher Tritt, ein Krampf, ein Moment der Unachtsamkeit – und das war’s.

Hinzu kommen unsichtbare Gefahren:

  • Steinige Ufer oder plötzliche Tiefen
  • Boote und Jetskis, die Schwimmer nicht rechtzeitig sehen
  • Glasflaschen im Wasser, auf die man tritt
  • Schwäne oder andere Tiere, die panisch werden und angreifen können
  • Algen oder Schlingpflanzen, die sich um Beine wickeln und Panik auslösen

Alkohol, Übermut, Leichtsinn – der Dreiklang des Todes

Wie oft muss man es noch sagen: Alkohol und Schwimmen vertragen sich nicht! Und trotzdem saufen sich Menschen den Kopf voll und hüpfen danach ins Wasser. Der Gleichgewichtssinn ist getrübt, die Reaktionsfähigkeit eingeschränkt – das ist eine Einladung an den Tod, gleich mit ins kühle Nass zu steigen.

Es ist nicht nur Leichtsinn, es ist Dummheit. Lebensgefährliche Dummheit.

Verantwortung ist kein Fremdwort!

Es ist höchste Zeit, dass wir als Gesellschaft wieder Verantwortung übernehmen. Eltern, Lehrer, Kommunen – alle müssen mithelfen.

  • Jedes Kind muss spätestens in der Grundschule schwimmen lernen.
  • Schulbäder dürfen nicht schließen, nur weil sie Geld kosten.
  • Es muss mehr kostenlose oder geförderte Schwimmkurse geben.
  • Und ja: Eltern, bringt euren Kindern Schwimmen bei, bevor ihr ihnen das Tablet in die Hand drückt!

Jeder hat da eine gewisse Verantwortung. Für sich, seine Kinder, seine Freunde. Warnschilder sind kein Deko-Element. Rettungsschwimmer sind keine Animateure. Und übertriebener Mut ersetzt keine Schwimmfähigkeit!

15 Menschenleben an einem Wochenende – das sind 15 zu viel.

Wenn Du das nächste Mal am Wasser bist, frag Dich bitte: Weiß ich wirklich, worauf ich mich einlasse?
Denn das Wasser verzeiht keinen Leichtsinn.

Bildquellen:

  • schwimmtote: Peter Wilhelm KI
  • ruhrbruecke-essen: Google Earth
  • schwimmabzeichen: Wikimedia div

Hashtags:

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(©si)