„Wir brauchen noch Sand“, sagt die Allerliebste und ich stelle mir die Frage, was sie damit will. Schon allein die Aussage, „wir“ bräuchten Sand, entbehrt ja jeglicher Grundlage, weil ich mir beim besten Willen nicht vorstellen kann, was ich mit Sand anfangen sollte. Wir bauen nicht, wir haben keinen Sandkasten und eine Sturmflut, die das Anfertigen von Sandsäcken notwendig machen würde, haben wir auch nicht zu erwarten. Somit kann es sich nur um eine der für Frauen typischen Übertragung der eigenen Wünsche auf ihren Mann handeln.
Ich habe keine Lust, ins Gartencenter zu fahren, denn in wenigen Minuten spielt mein Verein und ich möchte gerne die Übertragung sehen.
„Wozu brauchst du Sand?“ frage ich und sie schaut mich mit großen Augen an. In ihrer Stimme schwingt Entrüstung mit:
„Na, für die Kakteen!“
Dabei wackelt sie so mit dem Kopf, und dieses Wackeln sagt alles aus: Du hast mir wieder nicht zugehört, du hörst mir niemals zu, ich kann ja sagen was ich will, es dringt bei dir nicht bis ins Hirn, dabei ist Sand doch wichtig für die Kakteen und ich habe es dir erst gestern gesagt, du hast sogar genickt und jetzt weisst du wieder von nichts.
„Aha“, sage ich und setze den Blinker rechts, um ins nächste Gartencenter abzubiegen.
„Guck, da links ist ein Gartencenter!“, freut sich die Allerliebste und zeigt nach rechts. Ist ja klar!
Im Gartencenter drückt sie mir einen Euro in die Hand, damit ich einen Einkaufswagen holen kann. „Nicht, daß du den schweren Sack dann tragen mußt“, sorgt sich meine kleine Halbungarin um mich und ich gebe Gas. In fast schon atemberaubender Geschwindigkeit schiebe ich mit dem Wagen durch die Gänge in Richtung Blumenerde und Sand. Man(n) darf da nicht langsam machen, sonst bleibt die Frau bei jedem Regal stehen und findet alles sühüß oder schöhön, manchmal aber auch niiiiiiiedlich oder einfach nur „ui“.
Ratzfatz habe ich einen 3 Kilo-Beutel Sand aufgeladen, den will die Allerliebste mit Blumenerde mischen, damit ihr dummer, stacheliger Kaktus richtig wachsen kann.
Schon bin ich wieder auf dem Weg zur Kasse, da bremst mich ein „Moment mal, Schatz!“ aus. Die Allerliebste hat sich an einem Regal mit grünen Porzellanfröschen festgebissen. „Sühüß!“
Ich weiß was kommt und beuge dem stundenlagen Aussuchen und Schönfinden einfach dadurch vor, indem ich mit einer ausholenden Bewegung sämtliche 24 verschiedenen Porzellanfrösche in den Einkaufswagen fege.
„So, komm, wir gehen bezahlen!“ gebe ich das Kommando und steuere in Richtung der leeren Kassen.
„Warte mal!“
„Nee, komm jetzt!“
„Ganz kurz, nur mal eben Servietten kaufen.“
Noch bevor ich etwas sagen kann, ist die Allerliebste in der Dekorationsabteilung verschwunden. Jeder Kaufmann kennt den Begriff „Quengelware“. Das sind die hübschen bunten Spielzeuge und Süßigkeiten, die vorne an der Kasse aufgehängt werden und die Kinder zum Quengeln, und die genervten Eltern zum Kaufen veranlassen. Im Gartencenter ist das die in Kassennähe untergebrachte Dekorations- und Bastelabteilung.
Ich lasse den Wagen stehen und laufe der Allerliebsten hinterher um sie daran zu erinnern, daß ich nur noch 3 Minuten Zeit habe, um den Anpfiff nicht zu verpassen. Wenn ich 280 fahre, schaffe ich das noch!
„Och, was sind die schön!“ tönt es mir entgegen und die Allerliebste hat drei große weiße Bälle aus Styropor in den Händen.
„Und was willst du damit?“
„Da könnte man irgendwas mit basteln.“
„Wie irgendwas?“
„Na irgendwas eben.“
„Dann kauf die drei Bälle und wir gehen.“
„Prima!“
Die drei Styroporbälle landen im Einkaufswagen und so ganz nebenbei legt die Allerliebste noch eine Bastelpackung für ein Krokodil aus Filz dazu. Nein, zur Kasse können wir noch nicht, sie braucht noch den passenden Klebstoff und etwas Draht. Ich solle nicht immer nur an mich und meinen blöden Sport denken. Schließlich wäre der Sport für sie stinklangweilig und während ich den doofen Sportlern zugucke, könne sie ja das Krokodil basteln….
Ich nehme die Sache selbst in die Hand, fahre zwei alte Frauen über den Haufen und bugsiere den Einkaufswagen durch die Gänge in Richtung Klebstoff. Da ich nicht weiß, welcher sich besonders gut für Krokodile eignet, nehme ich von jeder Sorte eine Tube und gleich noch sechs Rollen Draht in verschiedenen Stärken.
Die Allerliebste strahlt und freut sich, daß das so schnell gegangen ist. Nun, jetzt hat sie ja Zeit, um noch mal eben ganz schnell bei den bunten Flaschen vorbeizuschauen.
„Ich gehe jetzt an die Kasse“, sage ich: „Entweder du bist rechtzeitig da oder du hast eben Pech.“
„Wenn du meinst“, grinst sie mich rotzfrech an und winkt mit der Kreditkarte. Da wird mir schlagartig klar, daß sie noch den Geldbeutel und die Scheck- und Kreditkarten vom vorherigen Einkauf einstecken hat. Irgendwie hat sie die besseren Argumente.
Als wir wieder vor unserem Haus angekommen sind, höre ich durch die geöffneten Fenster in der Nachbarschaft den Halbzeitpfiff. Wenn ich mich beeile, schaffe ich es, in der Pause nach oben zu kommen, den Fernseher anzuschalten, meine Chips und mein Bier hinzustellen und kann dann wenigstens noch die zweite Halbzeit sehen. Die ist ohnehin viel spannender.
„Und was glaubst du, wer das ganze Zeug hochträgt?“ fragt die Allerliebste, stemmt die Hände in die Hüften und tippt so auffordernd mit dem linken Fuß.
Man glaubt ja gar nicht, was so ein einzelner Mann alles tragen kann, wenn es darauf ankommt. Ich bin bepackt wie ein Karawanenkamel, während ich nach oben steige. Aber ich bin voll der Hoffnung, daß die Allerliebste gleich anfängt, ihr Krokodil zu basteln oder irgendwas mit den Styroporkugeln macht. Sie ist ja von Natur aus etwas ungeschickt und wird eine ganze Weile beschäftigt sein. Dann hätte ich meine Ruhe.
Sie baut ihren Bastelkram in der Küche auf, ich setze mich vor die zweite Halbzeit.
„Kannst mir das mal abschneiden?“
Da steht sie, mit einer Rolle Basteldraht in mittlerer Stärke und einer kleinen Nagelschere und schaut mich mit ihren Mädchenaugen an. Was bleibt mir anderes übrig, als schnell mal die Drahtzange aus dem Keller zu holen.
Als ich wiederkomme, hat sie das Bastelzeug aus der Küche ins Wohnzimmer verfrachtet und im Fernsehen eine andere Sendung eingeschaltet.
„Okay“, sage ich, „du kannst meinetwegen hier basteln, du kannst im Fernsehen einschalten was du willst, aber ich stelle eine Bedingung…“
„Und welche?“
„Schalte um und mach den Roger Willemsen weg, ich kann alles ertragen, nur den nicht!“
Sie zappt weiter, auf dem Bildschirm erscheint Florian Silbereisen und ich bekomme einen Würgereiz.
„Na gut“, sagt die Allerliebste, „ich mach den Fußball wieder an.“
Das will ich aber nicht, denn noch schlimmer als gar keinen Fußball gucken zu können, ist Fußball mit einer quaselnden und bastelnden Frau im selben Zimmer.
Ich weiß zwar nicht, wie mein Verein gespielt hat, aber das Krokodil ist sehr schön geworden.
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