Irgendwie habe ich es schon dem Läuten des Telefons angehört, daß das ein blöder Anruf wird und melde mich nur knapp mit meinem Namen. Aus der Hörmuschel tönt es:
„Bratengeier!“
Seit Jahren sage ich immer irgendetwas Blödes wenn jemand anruft, mit Vorliebe ‚macht ja nix‘ und so sage ich auch dieses Mal:
„Macht ja nix!“
„Wie bitte?“ fragt die Männerstimme am anderen Ende zurück und ich merke sofort, daß er etwas angestoßen ist, Spaß versteht der wohl nicht. Mal hören, was er will:
„Was kann ich für Sie tun, Herr Bratengeier.“
„Ich bin der Vater von Jens-Patrick.“
Nun ist es leider so, daß ich überhaupt keinen Jens-Patrick kenne und dementsprechend wenig überschwengliche Freude empfinde, nun endlich seinen Vater am Telefon zu haben. Aber in den meisten Fällen, in denen jemand sich als Vater oder Mutter von irgendwem zu erkennen gibt, handelt es sich um die Eltern von Schulkameraden unserer Kinder. In diesem Fall ist das fast richtig, Herr Bratengeier sagt nämlich:
„Der Jens-Patrick ist mit dem Rouven im Fußballverein.“
Wie ich es hasse, wenn jemand einen Vornamen mit einem bestimmten Artikel versieht. Jens-Patrick heißt es und nicht ‚der‘ Jens-Patrick!
Außerdem würde sich der alte irische Heilige im Grabe herumdrehen, wenn er hören würde, wie Her Bratengeier den Namen Patrick ausspricht. Ich meine, mir ist das ja egal, ich muß nicht so heißen un ich weiß, daß Patrick lateinischen Urprungs ist, dennoch ist mir die englische Ausspracheform ‚Pätrick‘ sehr viel geläufiger, als diese auf dem ‚A‘ betonte Sprechweise des Herrn Bratengeier. Außerdem hat er noch einen leichten Anflug des hiesigen Dialektes mit in den Namen eingebaut, sodaß es klingt wie ‚Paddrig‘, genauergesagt: Jens-Paddrig.
„Aha“, sage ich und überlege, was der Mann wohl von mir will.
„Ja und der Rouven hat doch demnächst Geburtstag.“
„Ja.“
„Ja und der Rouven hat doch den Jens-Paddrig eingeladen.“
„Ja“, sage ich abermals und tue zumindest mal so, als ob ich das wüßte. Ich weiß es aber in Wahrheit nicht, denn mein Sohn hat die Vorgabe bekommen, nicht mehr als 6 fremde Kinder einzuladen, wobei mich dann die näheren Umstände nicht mehr interessieren, Hauptsache es kommen keine Serienmörder.
„Ja und wenn der Jens-Paddrig zu Ihnen kommt, würde ich gerne das Eine oder Andere mit Ihnen klären.“
„Und was möchten Sie wissen, Herr Bratengeier?“
„Naja, wir wissen ja, daß Sie Schriftsteller sind und man hört ja so manche Sachen über die Kreativen und da möchte ich gerne wissen, ob der Jens-Paddrig in irgendeiner Weise bei Ihnen mit dem bohemienen Leben in Berührung kommt.“
Bohemienes Leben! Tja, das würde ich vielleicht gerne führen, mich dem Hedonismus hingeben, das dolce far niente genießen, aber vor lauter Arbeit komme ich nicht dazu. Aber was mag sich Herr Bratengeier wohl vorstellen? Was meint der, wie wir leben? Das frage ich ihn dann auch:
„Was meinen Sie damit?“
„Ich möchte nur sicherstellen, daß Jens-Paddrig, oder sagen wir es so, Jens-Paddrig ist ja keinen Alkohol gewöhnt, wissen Sie.“
„Ach so. Ich kann Ihnen aber versichern, daß wir nicht vorhaben an die Geburtstagsgäste meines Sohnes Alkohol auszuschenken.“
Erleichterung klingt auch der Stimme als Herr Bratengeier sagt: „Da bin ich ja beruhigt. Aber Zigaretten gibt es auch keine, nicht wahr?“
„Nein, auch kein Nikotin für die Kinder.“
„Sie betonen das so mit dem Nikotin. Heisst das, daß Sie vielleicht was anderes rauchen?“
„Nein, nein, Sie können ganz beruhigt sein, die Kinder bekommen keinerlei bewusstseinserweiternde Stoffe, nur Limo, Kuchen und Pizza.“
„Mich würde natürlich noch das Programm interessieren.“
„Welches Programm?“
„Na, das was Sie für die Kinder veranstalten.“
Jetzt muß ich dazusagen, daß ich grundsätzlich keine Programme mehr für unsere Kindergeburtstage gestalte. Die Kinder wollen viel lieber einfach nur so spielen, die neuen Geschenke ausprobieren, Musik hören und natürlich Schnaps saufen und Haschisch rauchen…
Jedenfalls gibt es bei uns kein Programm. Die kommen irgendwann gegen Drei, werden abgefüttert und getränkt und mehr habe ich nicht damit zu tun. Das sage ich Herrn Bratengeier auch:
„Ein besonderes Programm haben wir gar nicht, nur Kuchen, Limo und Pizza.“
„Meine Güte, da hatten Sie ein ganzes Jahr Zeit, sich etwas auszudenken und Sie haben nichts gemacht? Wir beispielsweise waren letztes Jahr bei dem Jens-Paddrig seinem Geburtstag im Lehrbergwerk und dann mit den ganzen zwölf Kindern noch im Kino und bei McDonalds. Anschließend hat meine Frau noch so ein lustiges Kinderschminken gemacht. Das haben wir ein halbes Jahr lang vorbereitet.“
„Aha“, ist alles was mir dazu einfällt. Insgeheim komme ich mir aber in dem Moment etwas schäbig vor; ich hätte mir ja wirklich irgendwas einfallen lassen können. Zu meiner Ehrenrettung sage ich:
„Nach dem Kaffeetrinken gehe ich dann mit den Kindern runter und spiele eine Runde Fußball.“
„Damit kämen wir dann zu meiner nächsten Frage. Besteht denn eine Unfallversicherung für die teilnehmenden Kinder?“
„Wie bitte?“
„Naja, die müssen doch versichert sein und zwei Aufsichtspersonen sind ja wohl auch Vorschrift.“
„Also, das wäre mir neu. Wir veranstalten doch nur einen Kindergeburtstag.“
„Wissen Sie eigentlich, was da alles passieren kann?“
„Nö, aber es ist noch nie was passiert.“
„Also wissen Sie, unter diesen Umständen kann ich dem Jens-Paddrig nicht gestatten, auf den Geburtstag von dem Rouven zu gehen, tut mir leid.“
Mir nicht!
Namen und Handlung frei erfunden, etwaige Ähnlichkeiten sind rein zufällig.
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