Geschichten

Hitze am Feuer

heizung

Männer frieren ja nicht. Das kommt noch aus der Steinzeit, wo wir mit dürftigen Fellen bekleidet, auf die Jagd mussten, um irgendwo da draußen einer Säbelzahnantilope den Garaus zu machen, während die Frauen Kinder, Höhle und Feuer hüteten. Während wir uns schweigend, weil Geplapper das Wild vertreiben würde, durch das damals noch 120 Meter hohe Unterholz kämpften, saßen die Frauen mit den Kindern und Alten um die Feuerstelle und vertrieben sich die Zeit durch die Umformung gutturaler Laute in Sprache.

Somit steht fest, daß Frauen die Sprache erfunden haben, mithin das Einzige was sie wohl erfunden haben mögen.
Dafür nutzen sie diese Erfindung aber auch entsprechend häufig und virtuos und frieren dabei immer, weil heutzutage die Höhlen mit offener Feuerstätte so selten geworden sind.
Männer hingegen sitzen schweigend da und ihnen ist es immer zu warm.

Gestern Abend fielen bei uns mal wieder schwere Tropfen von Kondenswasser von der Decke und im Wohnzimmer herrschte die Atmosphäre eines tropischen Pflanzenschauhauses. Man meint sogar, man könne schwach den Duft von Orchideen wahrnehmen und ab und zu bilde ich mir ein, den fernen Ruf eines Kakadus zu hören.
Ich selbst habe nur noch ein T-Shirt und eine kurze Hose an, die Allerliebste sitzt mit dicker Jacke in ihrem Sessel und stülpt sich das zweite Paar Socken über ihre Füße. „Ist ziemlich kalt hier, gell?“

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Nee, ist es nicht, aber es hat keinen Zweck mit ihr darüber zu diskutieren. Ich kann ja noch das T-Shirt ausziehen und dann die Hose und wenn das alles nichts hilft, bestünde immer noch die Möglichkeit mich zu häuten.

Sie dreht schon wieder an der Heizung, die geht aber nur bis Stufe 5. Trotzdem probiert die Allerliebste mit aller Gewalt Stufe 6 oder gar 7 einzustellen.
Dann muss sie mal.

Gottseidank muss sie öfters mal, denn jedesmal, wenn sie auf dem Klo ist, drehe ich die Heizung wieder runter und reiße die Balkontür auf.
Aaaaah! Kühle, frische, labende Nachtluft strömt in den Raum, sogar die Pflanzen auf der Fensterbank drehen sich in Richtung der frischen Brise. Der Hund erhebt sich tropenkrank vom Teppich und hechelt die kühlende Nachtluft in seine überhitzten Lungen.

Dann geht im Bad die Spülung und ich weiß, daß die Allerliebste in wenigen Augenblicken wieder da sein wird. Also Kommando zurück, Tür zu, Heizung wieder etwas aufdrehen und tun, als sei nichts gewesen.

„Puuuuuuh, ist das aber kalt hier“, ist das Erste was sie sagt. Ich grunze nur müde irgendetwas Unverständliches, doch sie sagt: „Immer musst Du mir widersprechen!“
Ich grunze wieder und sie sagt: „Typisch Mann!“
Ich lächele gequält, wische mir ein paar Schweißtropfen von der Stirn und widme mich wieder meinem Buch. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie die Allerliebste die Heizung wieder auf 126 zu drehen versucht und sich noch einen Pullover überzieht.

Im Fernsehen beginnt eine Sendung über Afrika. Es werden die Jagdgewohnheiten der Motamobos gezeigt, die irgendwelchen Springböcken bei lebendigem Leib die Köpfe abbeißen oder so. Unter anderem erwähnt der Sprecher, die früh gealterten und faltigen Frauen dieses Stammes und berichtet, daß die nur deshalb eine so ausgemergelte, faltige und pergamentartige Haut haben, weil sie immer der großen Hitze des Feuers in der Hütte ausgesetzt sind. Ich drehe extra etwas lauter, aber die Allerliebste tut so, als ob sie das gar nicht hört.

„Meine Güte“, sage ich, „das ist ja ein Ding, daß diese Frauen so faltig geworden sind, nur weil es immer so warm ist in der Hütte.“

Keine Antwort.

Aber kurz darauf bemerke ich, daß die Allerliebste ganz beiläufig die Heizung etwas herunterdreht und sogar mal kurz die Balkontür aufmacht, um zu lüften.

Ha!

Wenig später kommt Werbung im Fernsehen und es wird eine Antifalten-Creme angeboten.

War es gemein, daß ich sagte: „Du Schatz, die ist günstig, kauf Dir die doch auch mal!“

Gut, sie spricht jetzt schon seit gestern Abend nicht mehr mit mir, aber wenigstens ist die Heizung aus!

© 2007 Peter Wilhelm

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    Der erfolgreiche Buchautor Peter Wilhelm veröffentlicht hier Geschichten, Kurzgeschichten, Gedanken und Aufschreibenswertes.

    Lesezeit ca.: 5 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 14. April 2016

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