Wissen ist Macht

Drittes Reich – Zweiter Weltkrieg – Wann stirbt der letzte Zeitzeuge?

Zeitzeugen

Wann stirbt der letzte Mensch mit bewusster Erinnerung an das Dritte Reich? Mein Schwiegervater wird in ein paar Tagen 89 Jahre alt. Er hat den Zweiten Weltkrieg also noch als Kind miterlebt. Die Ereignisse mündeten für seine Familie in Flucht und Vertreibung.

Über seine Erlebnisse spricht er nicht, grundsätzlich nicht. Er ist ein Zeitzeuge, so wie es auch die teilweise sehr alten Herrschaften sind, die heute noch aus eigenem Erleben von den Konzentrationslagern berichten können.
Erst neulich ist wieder eine hochbetagte jüdische Dame im Bundestag aufgetreten und hat in einer aufrüttelnden Rede gegen das Vergessen und gegen einen wiedererstarkenden Faschismus und für ein friedliches Miteinander gesprochen.

Hierüber sind viele Deutsche ganz unterschiedlicher Meinung. Die einen meinen, es sei wichtig, bis in alle Ewigkeiten die Erinnerung wachzuhalten, als Mahnmal, als bittere Lektion und als Mittel, um Ähnliches wie die Shoah in aller Zukunft zu verhindern.

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Andere, vor allem aus der jüngeren Generation, sehen die Zeit des Nationalsozialismus in einer ähnlichen historischen Entfernung wie die napoleonischen Feldzüge oder den Dreißigjährigen Krieg. Sie können, mangels persönlicher Erfahrung und aufgrund fehlender innerfamiliärer Überlieferung, mit dem Mahnen, Warnen und Erinnern nichts anfangen.

Wieder andere finden, dass der Erinnerungskultur auch eine permanente, nie erlöschende Schuldzuweisung innewohnt. Ältere wollen an die Vergangenheit in diesem Zusammenhang einfach nach so vielen Jahrzehnten nicht mehr erinnert werden. Jüngere sind oft der Meinung, sie hätten mit der Verantwortung für damals Geschehenes nichts zu tun, und möchten damit in Ruhe gelassen werden.

Und dann sind dann noch die, die eine andere Sichtweise auf die historischen Ereignisse haben und – oft aus einer rechtsradikalen Gesinnung heraus – die immer wieder vorgetragene Erinnerung an die Geschehnisse nicht wahrhaben wollen und somit auch nicht möchten, dass immer wieder daran erinnert wird.

Erinnerung

Wie dem auch sei: Neulich saßen die Allerliebste und ich beisammen und sagen zum trillionsten Male eine Dokumentation über die Anfänge des Faschismus und Antisemitismus in Deutschland vor gut 100 Jahren.
Und wir unterhielten uns darüber, welche Wirkung diese Dokumentationen auf uns, auf unsere Elterngeneration und auf unsere Kinder haben. Dabei stellten wir uns die Frage, wie lange es eigentlich noch Zeitzeugen geben wird, die aus eigener Anschauung von damals berichten können.

Ich habe mir diese interessante und vielschichtige Frage, die sich mit dem Lauf der Zeit und dem Ende der Zeitzeugen-Generation beschäftigt, einmal zum Thema genommen und etwas nachrecherchiert.
Um eine realistische Schätzung zu treffen, müssen wir uns einige Faktoren ansehen.

1. Wer zählt als letzter Mensch mit bewusster Erinnerung an das Dritte Reich und den Zweiten Weltkrieg?

Die letzten Menschen, die wissentlich das Dritte Reich und den Zweiten Weltkrieg erlebt haben, sind jene, die bis etwa 1945 alt genug waren, um bewusste Erinnerungen an diese Zeit zu haben. Dies betrifft vor allem Menschen, die in den 1930er Jahren geboren wurden. Ein fünfjähriges Kind mag sich noch vage an Bombenangriffe oder das Kriegsende erinnern, aber ein Jugendlicher von 10 bis 15 Jahren hat die Ereignisse deutlicher wahrgenommen.

Wenn wir also davon ausgehen, dass jemand, der 1940 geboren wurde, 1945 noch kindliche, aber bewusste Erinnerungen an das Kriegsende hatte, dann wäre diese Person heute (2025) 85 Jahre alt. Die Lebenserwartung in entwickelten Ländern liegt für besonders alte Menschen mittlerweile oft bei über 100 Jahren, sodass es realistisch ist, dass einige dieser Menschen noch bis ca. 2050 oder etwas länger leben könnten.

Die allerletzten Menschen mit echten, bewussten Erinnerungen an die Kriegsjahre werden vermutlich bis ca. 2060 am Leben sein.

2. Wann besteht die Gesellschaft zu 100 % aus Menschen ohne persönliche Verbindung zum Dritten Reich?

Es gibt zwei Betrachtungsweisen für diese Frage:

  1. Die letzten Zeitzeugen sterben aus: Das wird etwa um 2060 der Fall sein, wenn die letzten Menschen, die sich an den Zweiten Weltkrieg erinnern, verstorben sind.
  2. Die letzten Menschen mit familiärer Verbindung sterben aus: Viele Menschen haben Großeltern oder Eltern, die den Krieg erlebt haben, und tragen Erzählungen oder Traditionswissen weiter. Selbst wenn der letzte Zeitzeuge stirbt, bleibt das Wissen in der Gesellschaft noch für einige Generationen präsent.

Wenn wir davon ausgehen, dass Wissen über Generationen weitergegeben wird, könnten Geschichten und Erinnerungen noch bis ins 22. Jahrhundert in Familiengesprächen präsent sein. Allerdings wird der Bezug mit jeder Generation schwächer.

3. Historische Vergleiche – Wann verschwindet eine Epoche aus dem kollektiven Gedächtnis?

Wir können diesen Prozess mit anderen historischen Ereignissen vergleichen:

  • Erster Weltkrieg (1914–1918): Die letzten Veteranen starben in den frühen 2000er Jahren. Heute ist der Erste Weltkrieg für die meisten Menschen reine Geschichtsbuchtheorie.
  • Napoleonische Kriege (1799–1815): Bereits im frühen 20. Jahrhundert hatten nur noch Historiker fundierte Kenntnisse über den Zeitraum.
  • Dreißigjähriger Krieg (1618–1648): Die letzten direkten Nachfahren mit Erzählungen aus erster Hand starben vermutlich im frühen 18. Jahrhundert.

Wenn wir davon ausgehen, dass es mit dem Zweiten Weltkrieg ähnlich läuft, dann wird das Dritte Reich vermutlich bis ca. 2100 noch in Familienerinnerungen und Erzählungen präsent sein, danach nur noch als reine Geschichtswissenschaft.

4. Fazit: Wann besteht die Gesellschaft zu 100 % aus Menschen ohne Verbindung zum Dritten Reich?

  • Um 2060: Die letzten Menschen mit direkter Erinnerung sterben.
  • Bis ca. 2100: Die Nachwirkung verschwindet aus Familiengesprächen.
  • Ab ca. 2125: Es gibt voraussichtlich niemanden mehr mit einer direkten familiären Verbindung zu dieser Zeit.

Das bedeutet, dass der Zweite Weltkrieg etwa 180 Jahre nach seinem Ende (1945 + 180 = ca. 2125) vollständig in den Bereich der Geschichtswissenschaft übergeht und keine lebendige Erinnerung mehr in der Gesellschaft existiert.

Bildquellen:
  • zeitzeugen: Peter Wilhelm
  • erinnerung: Peter Wilhelm


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Lesezeit ca.: 7 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 26. Februar 2025

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