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Drei Punkte und viele Missverständnisse: Die Blindenarmbinde, die keine ist

Blindenarmbinde

Du hast sie bestimmt schon einmal gesehen: Eine gelbe Armbinde mit drei schwarzen Punkten, getragen am Oberarm, meist von Menschen mit einer dunklen Sonnenbrille, einem Blindenstock oder geführt von einem Assistenzhund. Viele denken deshalb automatisch: Das ist die „Blindenarmbinde“. Punkt. Ende der Geschichte.
Doch weit gefehlt.

Denn diese drei Punkte stehen ursprünglich gar nicht ausschließlich für Blindheit. Tatsächlich waren es nicht Blinde, für die dieses Zeichen einst erfunden wurde. Und überhaupt ist das gelbe Symbol bis heute für alle Arten körperlicher Behinderungen vorgesehen – egal, ob man sehen kann oder nicht.

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Eine Erfindung für Schwerhörige

Die Geschichte beginnt im Jahr 1919, kurz nach dem Ersten Weltkrieg. Viele Soldaten kehrten verwundet zurück – auch mit schweren Hörschäden. Im Straßenverkehr bedeutete das: Lebensgefahr. Wer ein hupendes Auto nicht hört oder akustische Warnrufe verpasst, gerät schnell in Gefahr.

Ein Berliner Bibliothekar namens Konrad Plath machte sich Gedanken, wie man diese Menschen sichtbar machen könnte – ohne sie zu stigmatisieren. Seine Lösung: Ein Erkennungszeichen. Und zwar eins, das schlicht, einprägsam und sofort verständlich war. Plath schlug drei schwarze Punkte auf gelbem Grund vor – angeordnet wie ein auf der Spitze stehendes Dreieck.

Das war kein Zufall: Er hatte sich dieses Symbol bei den damaligen Verkehrszeichen abgeschaut. Das entsprechende Schild bedeutete 1910: „Zufahrt für Kraftwagen und Motorräder verboten“. Man könnte sagen: Er drehte ein Verbotsschild in ein Schutzzeichen um.

Offiziell eingeführt – für Schwerhörige und dann für alle

Plaths Vorschlag wurde erstaunlich schnell umgesetzt. Schon 1920 gab das Reichsinnenministerium den offiziellen Startschuss. Anfangs war das Abzeichen ausschließlich für Schwerhörige gedacht. Doch im Laufe der Zeit wurde die Nutzung auf alle körperlich behinderten Menschen ausgeweitet – also auch auf Gehbehinderte, Amputierte oder Menschen mit Gleichgewichtsstörungen.

Blinde übernahmen das Symbol – verständlich, denn auch sie sind im Straßenverkehr auf besondere Rücksicht angewiesen. So kam es, dass sich im allgemeinen Sprachgebrauch das Wort „Blindenbinde“ durchsetzte – obwohl das Zeichen eben nicht exklusiv für Blinde gedacht ist.

Reglementierung im Dritten Reich

Wie so vieles wurde auch dieses Symbol unter der NS-Herrschaft streng reglementiert. Ab 1934 durfte man die Armbinde nur noch mit polizeilichem Stempel tragen. Körperliche Einschränkungen mussten nachgewiesen werden – durch ärztliche Bescheinigungen oder Gutachten. Eine besonders „militärische“ Variante mit Eisernem Kreuz wurde 1941 eigens für kriegsversehrte Soldaten eingeführt.

Nach dem Krieg fielen diese bürokratischen Hürden weg. Doch das Symbol blieb – und mit ihm seine neue, erweiterte Bedeutung.

Heute noch gültig – aber kaum bekannt

Bis heute ist die Binde rechtlich verankert, zunächst in der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO), inzwischen in der Fahrerlaubnis-Verordnung. Dort heißt es:

„Körperlich Behinderte können ihre Behinderung durch gelbe Armbinden an beiden Armen oder andere geeignete, deutlich sichtbare, gelbe Abzeichen mit drei schwarzen Punkten kenntlich machen.“

Dabei ist klar: Es geht nicht nur um Sehbehinderungen. Auch Schwerhörigkeit, Mobilitätseinschränkungen oder neurologische Handicaps sind gemeint. Die Punkte sollen anderen signalisieren: Dieser Mensch könnte akustische oder optische Warnungen verpassen – bitte Rücksicht nehmen.

Und was lernen wir daraus?

Die sogenannte Blindenarmbinde ist in Wahrheit ein Symbol für Behinderung ganz allgemein. Sie wurde für Menschen erfunden, die nicht hören, nicht etwa, weil sie nichts sehen konnten. Heute dient sie als Signal der Rücksicht – für alle, die es brauchen. Nur weiß das kaum jemand.

Vielleicht erkennst du sie beim nächsten Mal auf der Straße – und denkst kurz daran zurück.

Denn hinter diesen drei Punkten verbirgt sich weit mehr Geschichte, als man ihnen zutrauen würde.

Bildquellen:

  • Blindenarmbinde: Fritz Jörn, CC BY-SA 3.0, wikimedia

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(©si)