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Spitze Feder

Xavier Naidoo – Unwetter über Mannheim

Vielleicht hätte Xavier Kurt Naidoo mal beim Kachelmann Jörg anfragen sollen, bevor er seinen neusten Song veröffentlicht. Der emeritierte eidgenössische, öffentlich rechtliche Wetterfrosch kennt sich nämlich sowohl mit meteorologischen, als auch mit medialen Unwettern bestens aus. Nun, wie man weiß, hat Naidoo nicht gefragt, und jetzt überrollt ein strunzdämlicher Shit-Storm die Medienlandschaft, weil…Ja weshalb eigentlich?

Ich fürchte ich muss aus dramaturgische Gründen den nun folgenden Absatz mit einem grammatikalischen Ungetüm beginnen, damit ich die völkische Komponente, die die Community der Kritiker dem armen Kurt vorwirft, auch irgendwie erwähnt habe. Also: als ein, sich-dem-Volksstamme-der-Mannheimer-zugehörig-Fühlender – man könnte auch sagen, als ein Sohn Mannheims – geht mir Naidoos bisherige Œuvre meilenweit…ihr wisst, was ich meine.

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Die Musik, die Arrangements, die Performance und der Sound sind zweifelsohne allerfeinste Sahne, will sagen: Mit das Beste, was in der letzten Dekade aus dem germanischen Liedgut zu hören war: Wenn da nur nicht diese Texte wären. Zum Schütteln. Die bewegen sich nach meinem Geschmack allzusehr in der schwülstigen Hostien-Pop-Ecke. Vielleicht liegt es daran, dass klein Kurt einst im Kirchenchor sang, oder aber tatsächlich so christlich spirituell unterwegs ist. Sei´ s drum, ich MUSS das Zeug nicht anhören und habe deshalb damit kein Problem, und die treue Fangemeinde der Söhne Mannheims, Millionen verscherbelte Tonträger und regelmäßig ausverkaufte Konzerte geben ihm Recht.

In dem nun von allen Seiten mit verbalem Artilleriefeuer belegten brandneuen Song namens „Marionetten“ versucht Naidoo anscheinend irgendwie politisch Stellung zu beziehen, zu wem oder was auch immer. Von der Tatsache mal abgesehen, dass er, vermutlich aufgrund des 3:30-Minuten-Radiolängen-Dogmas sein dünnes Textchen ziemlich aufgeblasen hat, sprich: Textzeilen bis zum Gähnen wiederholt, kann man aus dem kryptisch Verschwurbelten herauslesen, was immer man möchte. Meinetwegen die unappetitliche Nähe der politischen Amtsträger zu den Großkonzernen, oder die geflissentlich unter den Teppich gekehrte Einflussnahme der NWO-Strippenzieher auf das Weltgeschehen. Ja, ich weiß, das ist auch wieder so eine lächerliche Verschwörungstheorie. Egal, wie man es sieht: Zum einen haben diese Themen andere Barden schon besser besungen, und zum anderen ist Xavier Naidoo verdammt nochmal ein Künstler, ob er nun für einen Auftritt in der Walldorfschule taugt, oder nicht. Punkt!

Wer also in bornierter Gutmenschen-Arroganz nun meint, in Naidoos aktuellen Song mit aller Gewalt/Selbstherrlichkeit einen nationalistischen Subtext hineininterpretieren zu müssen, um danach lautstark auf den Putz zu hauen, schießt sich sowas von selbst in Knie, dass es schon weh tut. Für alle selbsternannten heroischen Verteidiger unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung und unseres Rechtsstaates nochmal ganz langsam zum Mitschreiben: Die Freiheit der Kunst besitzt Verfassungsrang. Deshalb durfte auch der neue Liebling des Feuilleton, Jan Böhmermann, sein grandioses Erdoğan-Bashing durchziehen; und solange kein Gericht in Naidoos neuem Singsang einen irgendwie gearteten Verstoß gegen geltendes Recht festgestellt hat, gilt die Unschuldsvermutung. Nochmal Punkt. Alles andere ist Geschmackssache.

Dass sich Böhmermann ausgerechnet auf die Seite derer schlägt, die wegen des dümmlichen Trallala nun auf Naidoo eindreschen, verstehe wer will. Vielleicht durchlebt der arme Jan gerade eine existentielle Schreibblockade und nimmt eben mit, was er kriegen kann, um seine Quote zu retten. Anyway: Das ganze Tohuwabohu um den Marionetten-Song ist einfach nur schafsdämlich. Hätte Naidoo statt der Marionettenkiste eine fröhliche Melodei um Helene Fischers Menstruationsbeschwerden zum Besten gegeben, hätte man ihm womöglich den Grimme-Preis verliehen.

Den Retter politischer Korrektheit und des guten Geschmacks sei empfohlen, besser dafür Sorge zu tragen, dass der deutsche Landser, pardon, der deutsche Bürger in Uniform in deutschen Kasernen das Horst-Wessel-Lied wieder sauber intoniert. Die schneidige Ursula von der Leyen ist damit anscheinend völlig überfordert.

Bild: Von Benutzer:Smalltown Boy – Eigenes Werk, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=18352818

Spitze Feder – Spitze Zunge

Diese Kolumne schreibt vorwiegend Peter Grohmüller seine Gedanken zur Welt und dem Geschehen unserer Zeit auf.
Seine fein geschliffenen „Ergüsse“ – wie er selbst sie nennt – erfreuen sich großer Beliebtheit.

Hin und wieder erscheinen in dieser Kolumne auch Beiträge anderer Autoren, die dann jeweils entsprechend genannt werden.

Die Texte sind Satire, Kommentare und Kolumnen. Es handelt sich um persönliche, freie Meinungsäußerung.

Für die Texte ist der jeweilige Autor verantwortlich.

Lesezeit ca.: 4 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 3. Februar 2020 | Peter Grohmüller 3. Februar 2020

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