{"id":8161,"date":"2014-07-01T09:45:28","date_gmt":"2014-07-01T07:45:28","guid":{"rendered":"http:\/\/dreibeinblog.de\/?p=8161"},"modified":"2014-07-01T09:45:28","modified_gmt":"2014-07-01T07:45:28","slug":"bgh-urteil-anonymitaet-anonym-hingerotzt-oder-nur-noch-mit-verifiziertem-account","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/dreibeinblog.de\/bgh-urteil-anonymitaet-anonym-hingerotzt-oder-nur-noch-mit-verifiziertem-account\/","title":{"rendered":"BGH Urteil Anonymit\u00e4t: Anonym hingerotzt oder nur noch mit verifiziertem Account?"},"content":{"rendered":"

BGH Urteil zur Anonymit\u00e4t im Netz<\/h3>\n

\"bghHeute urteilte der BGH \u00fcber die Frage, ob man auch k\u00fcnftig in Bewertungsportalen anonym Bewertungen abgeben darf.
\nBranchenkenner meinen, bis zu einem Drittel der abgegebenen Bewertungen seien lanciert und w\u00fcrden von Mittelsm\u00e4nnern oder Agenturen in solche Portale eingestellt. Ziel solcher Manipulationen ist das Sch\u00f6nreden der eigenen Dienstleistung bzw. Ware oder das Herabw\u00fcrdigen der Produkte der Konkurrenz.<\/p>\n

Im aktuellen Fall<\/a> ging es um ein Bewertungsportal f\u00fcr \u00c4rzte, in dem wiederholt \u00fcber einen Arzt falsche und schlechte Bewertungen anonym abgegeben wurden. Zwar waren diese Kommentare stets vom Betreiber gel\u00f6scht worden, jedoch beharrt der schlecht beurteilte Arzt auf der Herausgabe der Userdaten. Schon heute k\u00f6nnte er auch im Zuge eines Strafverfahrens, evtl. mit Durchsuchung der Gesch\u00e4ftsr\u00e4ume und Beschlagnahme der Rechner m\u00f6glicherweise an sein Ziel kommen, aber es wurde der Weg zum BGH gew\u00e4hlt, was nun eine m\u00f6glicherweise grunds\u00e4tzliche Entscheidung mit sich brachte.<\/p>\n

Der Bundesgerichtshof wies das Auskunftsbegehren mit Urteil vom 1.7.2014 zur\u00fcck. Und diese Entscheidung ist auch richtig.<\/p>\n

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Die freie Meinungs\u00e4u\u00dferung, die sich im Schwarm bildende Meinung, ja vor allem die vom Schwarm abweichende Meinung kommt aber in der derzeit g\u00fcltigen Netzatmosph\u00e4re vor allem durch die M\u00f6glichkeit zustande, da\u00df man Kommentare und Bewertungen anonym abgeben kann.
\nNun ist es aber \u00fcblicherweise nahezu jedem Seitenbetreiber frei gestellt, ob und wie viele Userdaten er erhebt und wie er sie verifiziert, bevor jemand \u00fcber sein System eine Meinung verbreiten kann.
\nViele H\u00e4ndler, die ihren Kunden die M\u00f6glichkeit bieten, gekaufte Produkte zu bewerten, lassen das \u00fcberhaupt nur zu, wenn a) der Kauf tats\u00e4chlich erfolgt ist und b) der Klarname des Bewerters bekannt ist.
\nNach au\u00dfen hin erscheint die Bewertung unter einem frei w\u00e4hlbaren Nicknamen, dem Betreiber sind aber die Daten bekannt.<\/p>\n

Diese M\u00f6glichkeit hat mich noch nie gest\u00f6rt, ich stehe zu dem, was ich \u00fcber Hotels, Reiseveranstalter und Produkte zu sagen habe.<\/p>\n

Ja, ich mu\u00df sogar sagen, da\u00df mir Bewertungen auf solchen Seiten, bei denen zumindest auf Betreiberseite die wahre Identit\u00e4t des Bewerters bekannt ist, viel glaubw\u00fcrdiger erscheinen, als hingerotzte Kommentare mit Bewertungen auf Portalen, auf denen jeder unter MickyMouse08 oder Arschloch1987 anonym kommentieren kann.<\/p>\n

Aber selbst wenn nur \u00fcberpr\u00fcfte K\u00e4ufe von registrierten Usern bewertet werden d\u00fcrfen, gibt es noch gen\u00fcgend Schlupfl\u00f6cher um Gef\u00e4lligkeitsbewertungen, Rachebewertungen oder gezielt negative Beurteilungen abzugeben.
\nVieles davon d\u00fcrfte von der Meinungsfreiheit gedeckt sein, soda\u00df auch eine eventuell durch ein BGH-Urteil erforderliche Registrierung gar nichts \u00e4ndern w\u00fcrde.
\nMit anderen Worten: Wird die negative Bewertung nur geschickt genug formuliert und enth\u00e4lt sie keine wahrheitswidrigen Behauptungen, hat der Bewerter so oder so nichts zu bef\u00fcrchten.<\/p>\n

Doch wer will denn noch seinen Hausarzt, einen Handwerker, ein Krankenhaus oder einen Hotelier oder Gastronom bewerten, wenn er bef\u00fcrchten mu\u00df, da\u00df aus nichtigem Grund recht leicht und einfach so seine Identit\u00e4t bekannt gegeben werden mu\u00df?
\nVielleicht hat einen das eine oder andere berechtigterweise gest\u00f6rt und das m\u00f6chte man mal gesagt haben und anderen mitteilen, ohne das ein Empfindlicher, der sich auch durch leichteste Kritik bereits besch\u00e4digt und betroffen sieht, ihn gleich zur Rechenschaft zieht.<\/p>\n

Man stelle sich den konkreten Fall einmal vor: Da besucht jemand gerne einen bestimmten Biergarten, wegen der sch\u00f6nen Atmosph\u00e4re, der tollen Lage, des Ambientes. Er verbringt dort gerne seine Zeit bei einem Radler.
\nDann bestellt er sich eines Tages auch mal was zum Essen und findet das Essen grauenvoll. Auch ein zweiter Versuch mit den angebotenen Speisen endet genau so: Das Essen schmeckt nicht.
\nDie Bewertung unter dem Nicknamen „Bierg\u00e4rtner“ in einem Gastro-Portal k\u00f6nnte lauten: „Toller Biergarten, netter Service, kinderfreundlich, herrlich. Getr\u00e4nke normal, Essen eher nicht zu empfehlen.“
\nDem Wirt des Biergartens gef\u00e4llt das nun nicht, er ist von seinen Kochk\u00fcnsten \u00fcberzeugt. Er verlangt die Herausgabe des Klarnamens des Bewerters und stellt den dann zur Rede.
\nMan kann sich ausmalen, was die Folge ist. Gast und Wirt geraten in Streit, der Gast wird vielleicht Hausverbot bekommen und Wirt und Gast beharken sich k\u00fcnftig.<\/p>\n

Ja, ich finde, Bewertungen sollten nur solchen Leuten erm\u00f6glicht werden, die auch bereit sind, im ernsthaften Falle eines Falles f\u00fcr ihre Meinung gerade zu stehen. Die Meinungsfreiheit wird dadurch in keinster Weise eingeschr\u00e4nkt. Man mu\u00df einfach bereit sein, zu seiner Meinung auch zu stehen.
\nAber die H\u00fcrde, da\u00df ein Seitenbetreiber die Namen herausgeben mu\u00df, sollte so hoch sein, da\u00df nicht f\u00fcr jede pers\u00f6nliche Empfindlichkeit eines Bewerteten gleich alle T\u00fcren ge\u00f6ffnet werden m\u00fcssen.
\nUnd diese H\u00fcrde gibt es bereits: Wer sich unberechtigter Schm\u00e4hkritik ausgesetzt sieht, kann anwaltlich und im Zuge eines Strafverfahrens dagegen vorgehen. Eine Aufweichung, die ein leichtes Einsch\u00fcchtern der Bewerter erm\u00f6glicht h\u00e4tte, w\u00e4re eine Fehlentscheidung gewesen.<\/p>\n

Jedoch bedeutet das trotzdem nicht, da\u00df jetzt jeder einen Freibrief hat, anonym alles \u00fcber jeden schreiben zu k\u00f6nnen. Der BGH hat heute nur den Weg zur Verfolgung bewu\u00dft falscher, gelogener, erfundener und herabw\u00fcrdigender Bewertungen f\u00fcr ausreichend empfunden und keine Notwendigkeit gesehen, hier eine Erleichterung f\u00fcr zu unrecht Geschm\u00e4hte zu schaffen.<\/p>\n

Es werden auf Dauer sowieso nur solche Portale mit Bewertungen Bestand haben, die sich ernsthaft bem\u00fchen, die Spreu vom Weizen zu trennen.<\/p>\n

Eine \u00e4hnliche Situation haben wir ja auch bei den Frage-Antwort-Portalen, in denen jeder Laie zu gestellten Fragen eine Antwort verfassen kann. Zumeist werden dort die falschesten und d\u00fcmmsten Antworten als besonders hilfreich bewertet, so mein Eindruck.
\nDer Seitenbesucher wird sich aber genau deshalb genau \u00fcberlegen, ob er einen der dort abgegeben Ratschl\u00e4ge ernsthaft befolgt, oder ob er nicht doch lieber weiter im Netz recherchiert, um auf fundiertes Wissen zur\u00fcckzugreifen.<\/p>\n

Genau so ist es mit den Bewertungsportalen. Der vern\u00fcnftige User wird sich nicht nur auf ein Portal und einige wenige Meinungen verlassen, sondern sich bei mehreren Anbietern versuchen, selbst ein Bild zu machen und den gr\u00f6\u00dften Schwachsinn filtern.
\nHoffentlich!<\/p>\n

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