{"id":16006,"date":"2017-08-08T19:21:30","date_gmt":"2017-08-08T17:21:30","guid":{"rendered":"http:\/\/dreibeinblog.de\/?p=16006"},"modified":"2020-09-17T17:30:46","modified_gmt":"2020-09-17T15:30:46","slug":"die-crispr-schere","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/dreibeinblog.de\/die-crispr-schere\/","title":{"rendered":"Die CRISPR-Schere"},"content":{"rendered":"

Dem gro\u00dfen chinesischen Vorsitzenden Mao Zedong alias Mao Tse-tung wird der kluge Aphorismus zugeschrieben, demzufolge jeder, der nicht st\u00e4ndig lerne, t\u00e4glich d\u00fcmmer werde. Kann man im Prinzip so stehen lassen. Aus heutiger Sicht h\u00e4tte er diesen Gedanken vielleicht etwas pr\u00e4zisieren k\u00f6nnen, angesichts des exponentiellen Zuwachses an Wissen.<\/p>\n

Nun gut, damals waren andere Zeiten, und Mao ging es eher darum, einige hundert Millionen M\u00e4uler stopfen zu k\u00f6nnen, als sich philosophischen Erg\u00fcssen \u00fcber die Befindlichkeiten der Gattung Homo Sapiens des 21. Jahrhunderts zuzuwenden. Gleichwohl ist es heutzutage unm\u00f6glich, angesichts der st\u00e4ndigen Abfolge von Weltunterg\u00e4ngen, von den Mayas am 12. Mai 2012 bis zu den Zeugen Jehovas, die alle Nase lang das Ende der Welt vorhersagen, herauszufiltern, was an Information relevant und was davon v\u00f6lliger Bl\u00f6dsinn ist, wie beispielsweise der soeben genannte Plural von Weltuntergang.<\/p>\n

Aktuell gesellt sich beispielsweise zu den \u00fcblichen Plagen, mit denen uns die Medien jedweder Couleur tagt\u00e4glich auf Ramschniveau zum\u00fcllen, wie radikal islamische Salafisten oder lebensgef\u00e4hrliche Dieselmotoren, eine niedertr\u00e4chtige Heimsuchung aus dem Reich der Chemie, das gemeine H\u00fchnerei betreffend, bzw. Millionen davon, die mit Fipronil kontaminiert sind, dem Additiv eines Sch\u00e4dlingsbek\u00e4mpfungsmittels, das darin eigentlich nicht sein sollte. Das Thema wird wie eine tibetische Gebetsm\u00fchle nun medial bis hysterisch gedreht, bis zur n\u00e4chsten Sau, die durch Dorf getrieben wird.<\/p>\n

Man muss die Medienschaffenden allerdings insoweit in Schutz nehmen, als dass sie einen elenden Zeitgeist namens Schnellebigkeit bedienen m\u00fcssen. Es stimmt zwar, dass sie diesen Zeitgeist erschaffen, oder, je nach Ansicht, selbst aus der Flasche befreit haben; gleichwohl sind sie nun dessen Gefangenen im Hamsterrad, und es ist nun mal ihr Job, tagesfrische sinnfreie Hiobsbotschaften abzusondern, selbst wenn sie damit seri\u00f6sen Journalismus auf eine Stufe mit einer Jahrmarktsbude stellen, oder wenn sie einen solchen M\u00fcll raushauen, wie eine reisserische Story \u00fcber ein Milbenpulver, \u00fcber das sie alles m\u00f6gliche erz\u00e4hlen k\u00f6nnen, weil es ohnehin keine Sau kennt, geschweige denn sich dar\u00fcber weiterf\u00fchrend informiert.<\/p>\n

Wir mussten uns vor Jahren mit einem weitaus \u00fcbleren Stoff in unserem Fr\u00fchst\u00fccksei befassen: Dioxin. Na, noch auf dem Schirm? Eher nicht, oder? Zur Erinnerung: Dioxin ist mit das Giftigste, womit uns die moderne Chemie die Fr\u00fchst\u00fcckseier veredeln kann. Dagegen ist Fipronil vermutlich ein fluffiges Dessert in Richtung Mousse au Merde.<\/p>\n

Um jetzt endlich zu Thema zu kommen: Ich habe heute im Radio einen Bericht geh\u00f6rt, der mich hoffnungsvoll in die Zukunft schauen l\u00e4sst. Biochemiker haben ein Werkzeug namens CRISPR-Schere entwickelt, mit der man defekte Gene nonchalant aus dem Erbgut schneiden und danach durch intakte ersetzen kann. Der Hammer, oder? So ist es beispielweise m\u00f6glich, dass Paare mit einer angeborenen Erbkrankheit wie z. B. Mukoviszidose, nicht mehr auf ihren Kinderwunsch verzichten m\u00fcssen, da man eben diesen Gendefekt bei der In-Vitro-Fertilisation mittels der CRISPR-Schere korrigieren kann. Ich denke, das w\u00e4re eine Nachricht, bei der Mao Zedong sagen w\u00fcrde, man solle mit ihr sein Wissen anreichern, um nicht d\u00fcmmer zu werden – im Gegensatz zu dem nervigen Geschw\u00e4tz \u00fcber Fipronil.<\/p>\n

Man stelle sich nur vor: Meinen Eltern h\u00e4tte dieses Werkzeug bei meiner Zeugung schon zur Verf\u00fcgung gestanden, und es w\u00e4re zum Einsatz gekommen. Meine Beitr\u00e4ge w\u00fcrden sich auf das Wesentliche beschr\u00e4nken und nicht st\u00e4ndig in breitgetretenen Vorworten ausufern. Phantastischer Gedanke. Oder Edmund Georg Stoiber und seine Gattin Elisabeth Stoiber (geb. Zimmermann) h\u00e4tten bei der Konzeption ihres Filius Edmund R\u00fcdiger Rudi Stoiber daf\u00fcr gesorgt, dass sich dieser in seinem sp\u00e4teren Beruf als Politiker und zwangsl\u00e4ufig auch als Redner, nicht st\u00e4ndig in seinen ber\u00fchmt-ber\u00fcchtigten \u201e\u00c4hs\u201c verhaspelt h\u00e4tte. Es w\u00e4re f\u00fcr ihn und all diejenigen, die seinen Reden zwangsl\u00e4ufig zuh\u00f6ren mussten und noch immer m\u00fcssen, sicher ein Segen.<\/p>\n

Allerdings h\u00e4tte uns die genetische Korrektur des wei\u00dfblonden Fallbeils wiederum um ein Juwel von geradezu rhetorischer Genialit\u00e4t gebracht: Den unvergleichlichen 10-Minuten-Hochgeschwindigkeits-Trip von M\u00fcnchner Hauptbahnhof zum Franz-Josef-Strau\u00df-Airport im Erdinger Moos via Transrapid. Wer diese epochale Rede noch nicht kennt, sollte seine Wissensl\u00fccke unverz\u00fcglich schlie\u00dfen. Ich denke, ich \u00fcbertreibe nicht mit der Einsch\u00e4tzung, dass man dieses rhetorische Jahrhundertwerk dereinst ins Weltkulturerbe aufnehmen wird. Vergleichbar mit dem Spruch vom ollen Luther: Hier stehe ich und kann nicht anders, Amen.<\/p>\n

Und wenn ich mir dann noch ausdenke, welche Monster superreiche Eltern sich bei den s\u00fcndhaft teuren privaten High-End-Kliniken in den USA, in England und China mi der CRISPR-Schere w\u00fcrden designen lassen:, z\u00e4h wie Leder, hart wie Kruppstahl und schnell wie die Windhunde\u2026pardon, mein Fehler, das sind nat\u00fcrlich die Modelle f\u00fcrs Kanonenfutter. Sie w\u00fcrden zwar auch optimiert, dann aber entweder von Frauen aus dem P\u00f6bel ausgetragen, oder gleich in k\u00fcnstlichen Plazenten gez\u00fcchtet.<\/p>\n

Vielleicht auch die Monster aus der F\u00fchrungsschicht. Diese werden im Gegensatz zu den k\u00e4mpfenden Klonen jedoch hyperintelligent sein, frei von Skrupel und \u00f6konomisch sinnloser Empathie, will meinen: F\u00fcr h\u00f6chste CEO-Posten und Regierungs\u00e4mter geschult auf den besten Privat-Universit\u00e4ten\u2026<\/p>\n

Ich vermute, Mao Zedong w\u00fcrde die CRISPR-Schere doch als ziemliche Schei\u00dfe betrachten und verk\u00fcnden, dass man sich einen solchen M\u00fcll nicht merken muss.<\/p>\n

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