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Musical mal anders

An Musicals scheiden sich die Geister. Für die einen ist das Genre der Höhepunkt des hiesigen Showbusiness. Für die anderen sind sie kitschige Touristenfallen ohne großen intellektuellen Anspruch. Wie sieht so eine Show aus, wenn man die Disney-Figuren weglässt und dazu noch Fußball ins Spiel bringt? Genauer ein Fußballspiel, ohne dass wirklich Fußball gespielt wird. Geht das überhaupt?

Seit November 2014 kann man sich in Hamburg sogar anschauen, wie das geht. Das Musical „Das Wunder von Bern“ erzählt von der Fußball-WM 1954 in der Schweiz. Doch das eigentlich nur am Rande. Die Geschichte ist bereits aus Sönke Wortmanns gleichnamigen Spielfilm bekannt. Wer die Geschichte kennt, der weiß, dass der Ball eigentlich nur Mittel zum Zweck ist. Vielmehr als um die Helden der WM 1954 geht es um eine schwierige Vater-Sohn-Beziehung. Spätheimkehrer Richard Lubanski kehrt nach zwölf Jahren Krieg und russischer Lagerhaft nach Deutschland zurück. Doch seine Familie hat gelernt, ohne ihn auszukommen. Sein jüngster Sohn Matthias hat sich Fußballspieler Helmut Rahn, im Musical gespielt von Dominik Hees, als Ersatzvater gesucht.

Das Wunder von Bern unternimmt den Versuch, ein ernsteres Thema auf die Bretter dieser Welt zu bringen. Der Regisseur Gil Mehmert zeigt, dass das triste Nachkriegsdeutschland durchaus musicaltauglich ist. Kritische Historiker werden womöglich den einen oder anderen Fehler in der Umsetzung entdecken. Dem durchschnittlichen Zuschauer dürfte es jedoch herzlich egal sein, ob das Transistorradio, mit dem der 12-jährige Protagonist Matthias Lubanski das Halbfinale Deutschland gegen Österreich verfolgt, schon 1954 oder doch erst 1957 erfunden wurde. Aber zurück zum Fußball.

Als Fußball-Fan hat man da natürlich nur eine bange Frage. Kann das Fußball-Epos auf der Bühne funktionieren? Die Antwort lautet: Ja, es kann. Grandiosen Fußball sollte man jedoch nicht erwarten. Dafür kann man zusehen, wie die ungarische Nationalmannschaft Ballett tanzt. Das klingt zwar verdächtig nach dem üblichen Musical-Zuckerguss, doch alles in allem ist Das Wunder von Bern ein Musical mit erstaunlich viel Tiefgang. Und wen das nicht überzeugt, der lässt sich vielleicht mit einer Schifffahrt über die Elbe zum Theater locken.

Bildrechte: Flickr Musicals Ludovic Bertron CC BY 2.0 Bestimmte Rechte vorbehalten

Lesezeit ca.: 2 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 20. Dezember 2017 | Peter Wilhelm 20. Dezember 2017

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