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Mit der Kraft des potenten Hengstes

frau ruckdäschl

Ich kann ja gar nicht in unser Haus, ohne daß mich die Ruckdäschl erwischt. Frau Ruckdäschl hat zur Straßenseite einen Balkon, auf dem sie die Hälfte ihrer Zeit verbringt. Die andere Hälfte steht sie im Flur ihrer Wohnung und hat die Wohnungstür einen Spalt weit geöffnet. Die dritte Hälfte ihrer Zeit ist sie zwischen Balkon und Flur unterwegs oder steht im Treppenhaus. Egal von welcher Seite man sich unserem Haus nähert, man kann ihr unmöglich entgehen und sie hat immer irgendwas hinunterzutragen, zum Briefkasten zu bringen, aus dem Keller zu holen, sie hat immer einen Grund, einem über den Weg zu laufen.
Heute komme ich mit meinen Einkäufen vom Gartencenter zurück. Bald ist ja Muttertag und ich habe so einiges geholt, damit ich die Allerliebste am Sonntag eindringlich daran erinnern kann, daß sie diejenige ist, die unsere zwei kleinen Ferkel geworfen hat. Zunehmend ist es nämlich so, daß sowohl sie, als auch der Rest unserer vorwiegend weiblichen Verwandtschaft nur noch Züge und Eigenschaften an den Kindern erkennen, die meine Vaterschaft beweisen. „Das müssen die von dir haben!“ Wie oft habe ich diesen Spruch gehört! Der Satz an sich ist ja noch nicht besonders schlimm, mich stört aber, daß er immer dann gebracht wird, wenn unsere Kinder sich mal wieder benehmen, wie die Wandalen. Darüberhinaus wird überhaupt alles, was die machen sofort und unwiderruflich mit meinen Genen verknüpft. Insgeheim warte ich ja darauf, daß wenigstens unsere Tochter bald ihre Periode bekommt, denn das hat sie dann bestimmt nicht von mir!

Auf jeden Fall habe ich jetzt den Muttertag dazu auserkoren, die Allerliebste mit schönen Sachen zu beschenken, die ihr ihre genetische Verantwortung wieder einmal vor Augen halten sollen. Aber eigentlich schreibe ich das alles nur, weil mein Verleger immer sagt, die Geschichten dürften ruhig mal etwas länger sein. In Wirklichkeit will ich Folgendes erzählen:

Unter anderem habe ich im Gartencenter eine Pheromon-Falle gekauft. Die soll ganz wunderbar gegen Lebensmittelmotten wirken. Weil wir direkt am Fluß wohnen, in unmittelbarer Nähe auch noch Felder sind und dank der grünen Politik ja nicht mehr gespritzt werden darf, wird im Sommer die Hälfte unserer Vorräte von biologisch gesunden Motten gefressen. Seit Jahren führe ich einen nahezu ausweglosen Kampf gegen diese Schädlinge. Jetzt hat mir Siggi gesagt, ich solle es mal mit Pheromon-Fallen versuchen. Da sei ein Sexuallockstoff drauf und die Motten würden sich vor lauter Geilheit auf diese Pheromone stürzen und dann kleben bleiben und elendlich verrecken.

So eine Pheromonfalle habe ich gekauft und laufe damit der alten Ruckdäschl in die Hände.

„Sie, was haben Sie denn da?“

Die Rückdäschl hält sich selten mit Höflichkeitsfloskeln auf, sondern kommt immer gleich zur Sache. Entweder ich gucke bloß böse und grummele etwas herum oder ich lasse mich darauf ein und antworte ihr. Da die Ruckdäschl. aufgrund ihrer strategisch günstigen Lebensweise zwischen Balkon und Tür immer alles mitbekommt, nimmt sie auch alle Pakete für uns an, deshalb will ich sie nicht zu sehr ärgern und antworte:

„Das sind Pheromone!“

Erstaunlicherweise nickt sie bloß und wünscht mir noch einen guten Tag; das war’s!

Na, das ging ja erfreulich schnell und ich trolle mich.

Diesen Vorfall habe ich schon längst vergessen, als die Allerliebste einige Tage später das Vergnügen hat, auf die Scherohnie zu treffen. Scherohnie nennen wir die Ruckdäschl manchmal, weil sie (ursprünglich aus Hamburg stammend) ihren Balkonschmuck, der aus Geranien besteht, immer Scherohnien nennt.

„Sie, sagen Sie mal, man merkt es Ihnen aber schon ä bissel an, gell?“

„Wie bitte?“ fragt die Allerliebste, „Was meinen Sie, Frau Ruckdäschl?“

„Hajo, isch mein, Sie laufen schon ä bissel anders, gell?“

„Ich laufe so wie immer.“

Hier muß ich kurz einfügen, daß ich persönlich die Allerliebste ja wunderschön finde und mich jeden Tag neu in sie verliebe. Aber es hängt vermutlich mit ihrer dunklen Herkunft vom Balkan zusammen, daß sie sich eine Art der grazilen Bewegung erhalten hat, die -ich will es mal vorsichtig formulieren- weniger an ein liebliches Bambi erinnert als vielmehr Ähnlichkeit mit dem Passgang sehr schöner anderer Tiere hat. Kann ich was dafür, daß sich ausser der Giraffe noch Kamele und Elefanten in diesem Tritt bewegen?

Die Scherohnie jedenfalls bezieht sich eindeutig auf diese etwas seltsame Gangart, als sie sagt:

„Aber irgendwie sieht man Ihnen das doch an.“

„Was sieht man mir an?“

„Sie brauche nichts zu sage. Ihr Mann hat mir das schon erzählt.“

„Ich weiß wirklich nicht, was Sie meinen, Frau Ruckdäschl.“

„Na, höre Sie! Wir Frauen unter uns könne doch über alles schwätze. Mein Mann war doch auch so.“

„Wie so?“

„Na so! Sie wisse schon, so männlich.“

„Frau Ruckdäschl, ich kann Ihnen nicht folgen.“

„Na, weil sich Ihr Mann doch die Pferdehormone gekauft hat.“

Wenig später macht mir die Allerliebste Vorwürfe. Warum ich denn der Scherohnie alles auf die Nase binden müsse und daß ich künftig keine Fremdwörter mehr verwenden soll.
Immerhin kriegt sie dann doch noch die Kurve und wir lachen herzlich darüber, als wir uns ausmalen, wie die Ruckdäschl sich vorstellt, daß ich mir Pferdehormone reinziehe, um die Allerliebste mit der Kraft eines potenten Hengstes zu bespringen.

Aber Pferd auf Kamel, geht das überhaupt?


Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:

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Der erfolgreiche Buchautor Peter Wilhelm veröffentlicht hier Geschichten, Kurzgeschichten, Gedanken und Aufschreibenswertes.

Lesezeit ca.: 6 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 11. Februar 2014 | Peter Wilhelm 11. Februar 2014

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