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Knöpfe ab

frau ruckdäschl

Immer wieder ist die alte Ruckdäschl Gegenstand meiner Betrachtungen und es ist auch kaum möglich an dieser Frau vorbei zu kommen.

Auf dem Hof gibt es Wäscheleinen, aber die benutzt kaum jemand. Jetzt hängen diese Leinen aber voll mit allerlei Kleidungsstücken und die Ruckdäschl ist schon den ganzen Tag dabei, Waschkörbe mit Sachen rein und raus zu tragen.
Nein, ich geh‘ da nicht runter, ich will gar nicht wissen was die da macht. Vielleicht ist es irgendein Ritual aus ihrer norddeutschen Heimat, das die Scherohnie dazu veranlasst, einmal jährlich alles durchzuwaschen.

Wir erinnern uns, die Rückdäschl hat ihren Balkon die meiste Zeit des Jahres mit einem üppig wallenden Bewuchs aus Geranien bepflanzt, die sie mit norddeutschem Restklang in der Stimme ‚Scherohnien‘ nennt, was ihr in Satirikerkreisen den Spitznamen „die Scherohnie“ eingebracht hat.

Ich komme aber gar nicht umhin, zu erfahren, was sie da unten macht, denn sie macht es unter meinem Fenster das nach hinten raus geht und es kommt natürlich Frau Ofenloch vom Nebenhaus des Weges und will wissen: „Ei, was machscht denn?“

Nun ist es so, daß die Eingeborenen sich unabdingbar in einer Lautstärke unterhalten, als stünden sie auf verschiedenen Seiten einer vielbefahrenen Güterzuglinie und müßten ständig die vorbeifahrenden Züge übertönen. Dabei stehen sie nur 20-30 Zentimeter voneinander entfernt und freuen sich ob der großen Lautstärke, die infolge der fehlenden Züge ganz allein durch ihre Stimmgewalt verursacht wird. Hinzukommt, daß sich die Frauen hier grundsätzlich im höchsten Falsett verständigen, was gepaart mit der Lautstärke fast schon an Lärmverschmutzung grenzt.

„Hawwe Sie Arbeit?“ kräht die Ofenloch und die Scherohnie stöhnt wie einst im Mai und sagt: „Hajo“.
Dieses hajohen ist wie das Füllwort ‚alla‘ eine multifunktionelle Gesprächserweiterung im hiesigen Dialekt. Während hajo nichts anderes bedeutet als ‚ach ja‘ oder ‚ja sicher‘, stammt ‚alla‘ aus dem Französischen, ist vermutlich von den französischen Soldaten vor Jahrhunderten hier vergessen worden, was die Einheimischen aber nicht mehr wissen und dieses Fragment der ehemaligen Besatzersprache als universelles Einschiebsel in jedem Satz mindestens zwei oder drei Mal verwenden.

‚Alla hopp‘ heißt ‚auf geht’s‘. ‚Alla, da schau’n mer mol‘ bedeutet ‚Nun, dann schauen wir einmal‘. Man sieht: An irgendeinen tieferen Sinn ist das Wort nicht gebunden. Auf die traurige Nachricht vom Tod eines Dorfbewohners kann man mit einem überrascht vorgetragenen ‚Alla!‘ ebenso reagieren, wie das Wort hier als Antwort auf die Frage, ob man in guten wie in schlechten Zeiten beieinander bleiben will, ohne weiteres zulässig ist. Böse Zungen sagen, daß die kurpfälzischen Jungfrauen auch im Moment der höchsten, aber beim ersten Mal durchaus schmerzhaften, Beglückung ebenfalls ‚alla‘ juchzen.

‚Alla‘ kann alles bedeuten, Freude, Trauer, Überraschung oder eben gar nichts.

Bei der anfänglichen Besiedelung des in Rede stehenden Fischerdorfes an den Gefilden des vielbesungenen Neckars durch Bergbauern aus dem ehemals osmanischen Reich, kam es hin und wieder zu religiös bedingten Verwicklungen, weil die Neueinwanderer das ständig in den Satzbau eingeschobene ‚alla‘ für den Namen des Allmächtigen hielten und sich stets sofort gen Mekka auf den Boden warfen.
Inzwischen hat sich das aber geklärt, was auch sehr einfach ist, denn das muslimische Allah wird an der stelle mit dem ‚L‘ mit der Zungenspitze am oberen Gaumen gesprochen, während die Dorffischer überhaupt nur eine Zungenstellung kennen, nämlich die breit im Maul liegende.
Die Zungenspitze kommt, wenn überhaupt, nur beim Intonieren sämtlicher Zisch- und S-Laute zum Einsatz, anders ist es nicht zu erklären, daß rund drei Drittel bis vier Viertel der Bevölkerung auf das Heftigste lispelt.

„Hajo“, lispelt also die Scherohnie, obwohl da gar kein Zisch- oder S-Laut vorkommt und die Ofenloch nickt: „Jaja, man hot ja alleweil immer Arbeit.“ (Ich muß den Dialekt für meine hochdeutschen Leser immer abmildern, sonst stünde hier nur eine höchst sinnbefreite Aneinanderreihung von Vokalen und Konsonanten, die allenfalls noch afrikanischen Stammessprachen ähnlich wäre.)

„Altkleider!“ stößt die Scherohnie atemlos hervor und fügt hinzu: „Alla, wege der Neger! Wann isch mei altes Gelump naus stell‘, dann soll des sauwer sei! Net des die Neger nachhin was über misch sage könne, isch wär net sauwer oder so.“

„Ei, da hawwe sie awwa Rescht! Alla!“

„Isch muss nur noch die Knepp (Knöpfe, Anm. d. Red.) abknipse, die nehm isch nämlisch noch für annere Sache.“

„Alla, awwa dann könne die des doch gar net mehr zuknöppe!“

„Ei wofür dann? In Afrika is sowieso immer warm.“


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Lesezeit ca.: 5 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 26. November 2012 | Peter Wilhelm 26. November 2012

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