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Herr Oettinger, lernen Sie lieber Hochdeutsch!

Ach, was haben sich die Menschen fast bepinkelt vor Lachen, als der ehemalige baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger bei einer seine Antrittsreden bei der EU vor den anwesenden Kollegen und der Presse auf holperigen Englisch radebrechte. Da kann man fein vom heimischen Wohnzimmer aus eimerweise Häme über einen anderen ausschütten, wenn der sein Unvermögen auf diese Weise öffentlich zur Schau stellt. Dabei hat Oettinger im Grunde alles gut und richtig gemacht.

Nun ist, und darüber braucht hier auch gar nicht diskutiert zu werden, das Englisch des Herrn Oettinger grausam, schwer verständlich, stellenweise vollkommen falsch und nicht einmal den Ansprüchen der sechsten Klasse der Hauptschule genügend. Keine Frage, das kann man besser machen und das können viele auch besser machen.
Allerdings ist Herr Oettinger in Brüssel und Straßburg nicht als Sprachtalent angetreten, sondern als Politiker. Und ob er als solcher seine Sache gut oder schlecht gemacht hat und künftig machen wird, ist ja ohnehin kaum objektiv zu bewerten, da man je nach eigener politischer Einstellung zu durchaus unterschiedlichen Bewertungen seiner Leistungen kommen kann.

27 EG-Kommissare tummeln sich derzeit auf dem schlüpfrigen sprachlichen Parkett der europäischen Politik, sie sprechen 23 verschiedene Sprachen und jeder von ihnen spricht zunächst mal seine eigene Sprache am Besten. Ein ganz umfangreicher Dolmetscherdienst, neben der UNO in New York übrigens der umfangreichste der Welt, sorgt dafür, daß jeder Euro-Abgeordnete und jeder EU-Kommissar, seine Unterlagen in seiner Sprache erhält, trägt dafür Sorge, daß alle Reden in nahezu alle Sprachen hin und her übersetzt werden und sorgt somit für Ordnung und Verständigung im europäischen Brüssel-Babel. Es ist überhaupt gar nicht zwingend erforderlich, daß man irgendeine andere als seine Muttersprache beherrscht.

Daß Herr Oettinger sich der Ochsentour unterzogen hat und die offensichtlich von einem Dritten vorgeschriebenen Zeilen auf Englisch vorzutragen versuchte, ja das wird ihm nur im neidgebeutelten Heimatland negativ angerechnet. Die anderen in der EU sehen das anders. Allein sein Bemühen wird ihm hoch angerechnet und der allgemeine Tenor war: „Das wird schon werden.“

Ich verbringe einen Teil meiner Freizeit mit Amerikanern und diverse Aufenthalte in Amerika und eine Tätigkeit für eine amerikanische Regierungsstelle haben mein Englisch so „rund“ gemacht, daß ich mich in nahezu jeder Situation zurechtfinde und mir mit Recht einbilden darf, daß mein Englisch doch recht gut verstanden wird. Manchmal, und das empfinde ich als besonderes Kompliment, fragen mich Amerikaner sogar aus welcher Gegend Kanadas ich komme. Sie halten mich, aufgrund des leichten Akzents also durchaus nicht für einen US-Amerikaner, kommen aber nicht auf die Idee, ich könnte Deutscher sein.
Wenn ich also nun in meiner Freizeit mit Amerikanern zusammen bin, dann fällt mir auf, daß jeder der mit ihnen spricht, sofort sein stümperhaftes Schulenglisch auspackt und dem amerikanischen Gegenüber sofort die Möglichkeit nimmt, seinerseits Deutsch zu sprechen. Jeder meint, er müsse den Amis mit seinem Restwissen vom Englischen begegnen.

Und das klingt dann oft mehr als grauenvoll. Da werden Satzbau, Grammatik und ganze Begriffe 1:1 aus dem Deutschen in irgendwas übersetzt, was der Sprecher für Englisch hält und man macht auch vor Redewendungen nicht halt: „Nothing is so hot eaten like is cooked was.“
Oder, auch sehr gut: „You can slip me my back down“ für „Rutsch mir den Buckel runter“.
Und neulich erst sagte jemand: „Oh, there have you now the Christmas“ und meinte tatsächlich: „Oh, da hast Du jetzt die Bescherung.“

„Lerne Englisch mit Loddar“ heißt eine Rundfunksendung des Bayerischen Radios und ein Komiker stellt dort jeden Tag eine verdummbeutelte deutsche Redewendung im typischen fränkischen Lothar Matthäus Duktus auf „Fränglisch“ vor. Und wir erinnern uns ja alle noch an die vor einigen Jahren sehr erfolgreiche Buchserie: „English for Runaways“ (Englisch für Fortgeschrittene), wo nur solche Albernheiten zusammengetragen waren.

Aber viel mehr als solche Stümpereien und solche Albernheiten bekommen die meisten Deutschen sowieso nicht zusammen. Da sollte man den Ball mal ganz schön flach halten, wenn jemand wie Günther Oettinger bei seinen ersten Gehversuchen im öffentlichen Englisch scheitert. Er hat sich immerhin bemüht und es versucht und genau das wird ihm von seinen Kollegen hoch angerechnet.
Denn eines darf man nicht vergessen, auch seine italienischen und französischen Kollegen sind nicht unbedingt die großen Sprachgenies und die englischen oder französischen Reden so manches EU-Politikers sind um Klassen schlechter und schwer verständlicher als das was Oettinger da fabriziert hat.

Übrigens: Ich mag Herrn Oettinger nicht mal besonders, aber wenn man über so jemanden herzieht, dann sollte man sich doch auch einmal Gedanken gemacht haben.

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Lesezeit ca.: 5 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 26. November 2012 | Peter Wilhelm 26. November 2012

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