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Satire

Niemand ist eine Insel? Doch!

Strandinsel

So Betreten-verboten-Schilder habe ich ja früher nicht wirklich beachtet.
Außer an Tanzflächen.
Die habe ich selten betreten.
Und wenn doch…
Blitz-Zack-Erlebnis.
Also für die anderen. Fragt die Mädels im Cookys! Oder die Türsteher.

Heute macht das wirklich Spaß. Ich tue es nur zu selten.
Dabei kann ich es inzwischen sogar ein bisschen, einem Tanzkurs sein Dank -und meiner Exfreundin.
Ist allein halt eher doof. Außer zu Techno. Obwohl.
An den Strandpromenaden, wo ich allein im Lauten tanzen könnte, bin ich ja selten.
Selbst Schuld also.

Ist also auch eine meiner Aufgaben. Mehr Rausgehen. Mehr Ausgehen.
Da könnte ich bestimmt auch andere Inselbewohner kennenlernen. Zum Tanzen. Zu Zweit. Für mehr wohl nicht.
An den Strandpromenaden fließt dann doch oft Hochprozentiges über die Lippen der anderen Inselbewohner.
Und mehr fängt ja meistens mit den Lippen an.

Ansonsten ist auf meiner Insel noch viel Platz für den einen oder anderen Hobbystrand. Warum ich das nicht in Angriff nehme?

Tja. Die ganze Insel ist definitiv noch ausbaufähig. Aber hey, ich kümmere mich auch erst seit knapp drei Jahren wirklich um meine Insel. Gemach also. Derzeit wartet ein ganz anderer Strand auf Belebung. Familie.

⁃ Offtopic: Da schreibe ich so von meiner Insel und überlege ob, und wenn ja, wie ich das unter die Leute bringe. Dann fällt mir doch glatt ein Wochenende ein, das am Strand Vergangenheit vergraben sein müsste. Da war jemand, der das kann und kennt. Und drei Tage später kann man das hier lesen. Hammer. Danke nochmal, Peter.

Aber zurück zu Familie. Ja, der Strand wurde und wird belebt. Das wird noch spannend. Da habe ich Gräben hinterlassen und entstehen lassen. Die gilt es zuzuschaufeln. Sie sind vielleicht gar nicht so breit. Aber lang. Während ich breit war, sind sie länger geworden. Mist. Mist. Mist. Ich habe echt noch einen ganzen Haufen zu tun hier. Einer der kürzeren Gräben begann ganz unspektakulär mit einem Rückruf. An einem Sonntag. Morgens.

Meine Exfrau und ich waren gerade dabei die letzten Sachen für den Urlaub zu packen. Sollte gleich losgehen. Da fiel mein Blick auf mein Handy. Anruf in Abwesenheit. Von meiner Mutter. Mitten in der Nacht. Habe zurückgerufen. Ihr Freund ging dran. Meine Mutter hatte auch in der Nacht nicht angerufen. Die war tot. Blitz-Zack-Erlebnis.
Es gab eine Beerdigung im kleinen Rahmen. Wegen der Einäscherung erst in 3 Wochen. Der Urlaub war dann noch ganz ok. Wir sind einen Tag später gefahren. Und ich war vielleicht noch etwas voller als sonst.

Die Beerdigung wurde noch was kleiner als geplant. Mein Vater kam nicht. Hatte wohl was besseres zu tun. Oder es lag an seiner Frau. Spielt heute auch keine Rolle mehr.
Aber das war der Ursprung des Grabens. 2009. Vor etwa einem Jahr habe ich das erste mal wieder mit ihm telefoniert. Nächsten Monat fahre ich hin. Mit einer Sandschaufel. Und Fragen. Zu mir. Meiner Kindheit. Die liegt irgendwie im Dunkeln. Andere Inselbewohner haben wahrscheinlich so viele Erinnerungen an ihre Kindheit weil sie daran erinnert werden. Von Orten. Von Wegen. Treffen Grundschulfreunde beim Einkaufen. Sehen den ersten Kuss auf dem Winzerfest wieder. Oder die Lehrerin im Swingerclub. Passiert mir nicht. Wenn das familiäre Inselatoll während der vierten Klasse um einige Sehmeilen verlegt wird, sieht man von der Kindheit nicht mehr viel. Und die Erinnerung verblasst.

Dafür sah ich Neues. Eine Großstadt. Punks. Ein halbes Jahr eine neue Grundschule. Dann das Gymnasium. Markenklamotten. Häme.
Ein neuer Strand: Angst.

Obwohl, vielleicht habe ich ihn gar nicht richtig betreten. Oder nur flüchtig. Gestreift und nicht wahrgenommen. Oder verdrängt. Aber er muss dagewesen sein. Das leuchtet mir heute ein.
Was ich sah, war das leuchtende, neonfarbene, riesige Kuscheltuch mit den Großbuchstaben DAZUGEHÖREN am Strand nebenan.
Und es war so einfach, eines zu bekommen. Rauchen. Schwänzen. Klauen. Verbotsschilder missachten. Alkohol. Sitzenbleiben. Kellerpartys. Stroboskope. Noch mehr schwänzen, weil, jetzt kennt man ja den Stoff. Also den, der in der Schule durchgenommen wird. Was soll man dann da. Die ersten Kiffer gab es da allerdings auch schon. In der zweiten siebten. Vielleicht auch in der ersten.

Irgendwann muss da was bei mir ausgesetzt haben. Pubertät. Erste Liebe. Erwachsen werden. Erste Jobs. Berlin. Erste Wohnung. Ausbildung. Ehe. An diesen Erlebnissen bin ich berauscht vorbeigerauscht. Habe sie aus den Augenwinkeln gesehen. Aber nicht gelebt. Nicht gefühlt. Und zack, war ich 40. Und bei der Scheidung nüchtern.

Und jetzt? Jetzt bin ich 44 und das Universum meint es gut mit mir.
Es gibt mir alle Chancen noch einmal.
Neuer Ort.
Neue Wohnung.

Die Pubertät würde ich ja gerne überspringen. Seine Gefühle das erste mal richtig zu fühlen und zuzulassen ist wirklich wahnsinnig anstrengend.
Erwachsen werden macht aber auch Spaß. Man denkt viel häufiger. Sagt aber nicht mehr alles.
Eine neue Ausbildung – da darf ich allerdings noch Überzeugungsarbeit leisten.
Beziehungen. Und diesmal weiß ich von Angst. Ich sehe den Strand. Deutlich. Und ich betrete ihn. Mit hoch erhobenem Kopf. Dry’n’Clean. Scheiß auf die Kuscheltücher.

Liebe Grüße
Andi

… Wie? Sex? Den Strand hätte ich unterschlagen? Ist ein weiter Strand. Mit Buchten und Palmen, Wanderdünen und Blumenwiesen, Schatten und praller Sonne, Ebbe und Flut. Ein wunderschöner Strand. Mehr gehört nicht hierher.


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Satire

Satire ist eine Kunstform, mit der Personen, Ereignisse oder Zustände kritisiert, verspottet oder angeprangert werden. Typische Stilmittel der Satire sind die Übertreibung als Überhöhung oder die Untertreibung als bewusste Bagatellisierung bis ins Lächerliche oder Absurde.

Üblicherweise ist Satire eine Kritik von unten (Bürgerempfinden) gegen oben (Repräsentanz der Macht), vorzugsweise in den Feldern Politik, Gesellschaft, Wirtschaft oder Kultur.

Lesezeit ca.: 6 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 19. Oktober 2021 | Gast-Autor 19. Oktober 2021

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