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Neues aus dem Stempelland

Stell Dir vor: Du bist Handwerker, sagen wir, Du bist Friseur.
Nach Deiner Gesellenprüfung arbeitest Du einige Jahre bei einem Meister und besuchst dann selbst die Meisterschule, wirst schließlich Meister.

Dann bekommst Du von der Handwerkskammer oder Deiner Innung einen Friseurbezirk zugewiesen.
Du hast in diesem Bezirk das alleinige Recht, allen Menschen die Haare schneiden zu dürfen. Wer sich nicht bei Dir die Haare schneiden lassen will, dem kannst Du mit ordnungspolizeilichen Maßnahmen auf den Pelz rücken, bis hin zum zwangsweisen Haareschneiden unter Polizeischutz.

Wer sich nicht oft genug die Haare schneiden lässt, dem wirfst Du böse Zettel in den Briefkasten.

Selbstverständlich hast Du das Recht, nahezu jederzeit nach Ankündigung sämtliche Wohnräume der Menschen zu betreten und alle Gegenstände, die sie zur Haarpflege benutzen, zu kontrollieren. Ebenso selbstverständlich müssen alle Leute einen festgelegten Betrag dafür bezahlen, den Du auch wieder mit behördlicher Unterstützung einfordern kannst.


Zieht jemand neu in Deinen Friseurbezirk, dann darfst Du ihn als einer der Ersten besuchen und Dir den Fön, die Kämme und Bürsten zeigen lassen. Entsprechen sie nicht den Vorschriften, dann läßt Du eine Mängelliste da, weil die Leute dann gemäß Deinen Wünschen alles ändern müssen.

Im Grunde genommen machst Du das aber alles gar nicht selbst, denn Du hast mindestens drei Lehrlinge und nochmals drei Gesellen, die das alles für Dich machen. Du selbst machst nur noch etwas im Büro und einmal im Jahr besuchst Du alle Deine Kunden zur jährlich stattfindenden, kostenpflichtigen Haarpflegemittelschau.

Na, wie hört sich das an?
Das wäre doch das Schlaraffenland, oder?
Man hätte ja quasi ausgesorgt!

Spielen wir in einigen wenigen Sätzen das Ganze nochmals an einem anderen Beispiel durch:
Stell Dir nun vor, Du seiest Arzt, meinetwegen Ohrenarzt. Und es gelten wieder die gleichen Regeln, wie oben beschrieben. Nur Du darfst die Menschen in einem bestimmten Bezirk behandeln, jeder muß sich behandeln lassen und wer nicht will, der wird gezwungen.

Merkwürdige Vorstellung, oder?
Sowas gibt’s doch gar nicht, oder?

Doch, das gibt’s!

Die Bezirksschornsteinfegermeister lebten bis jetzt in eben diesem Schlaraffenland.
Nach der Meisterprüfung einen eigenen Kehrbezirk zu bekommen, ist wie ein Lottogewinn.
Nur daß dieser Gewinn nicht auf einmal von einer Lottogesellschaft gezahlt wird, sondern ortspolizeilich geregelt zwangsweise bei den Kunden im Kehrbezirk eingetrieben wird.

Hier kann man in Wikipedia nachlesen, warum das so ist und was die alles dürfen.

Ich will es gleich mal deutlich sagen: Ich habe Verständnis dafür, daß offene Feuerstellen und Gefahrenstellen regelmäßig kontrolliert werden. Aber ich persönlich bin der Meinung, daß man sich denjenigen, dem man das viele Geld dafür bezahlen muß, auch selbst aussuchen dürfen muß!

Mir ist es schon passiert, daß der Geselle des Bezirksschornsteinfegermeisters Dienstagabend einen Zettel an meinen Briefkasten geklebt hat: Der Schornsteinfeger kommt: Mittwoch zwischen 7 und 15 Uhr.

Ja klasse! Soll ich mir da einen ganzen Tag Urlaub nehmen, oder was? Also habe ich dort angerufen, mittwochs ganz früh und gefragt, ob man denn ungefähr wisse, wann man zu mir käme.
Antwort: Das hinge davon ab und wenn ich nicht da sei, müsse ich die Anfahrt bezahlen.

Ein anderes Mal stehen ohne Ankündigung plötzlich drei schwarze Burschen vor meiner Tür. Sie seien gerade in der Nähe und bei uns müsse auch noch gekehrt werden. Einer wolle eben aufs Dach, einer in den Keller und der Dritte wolle eben unseren Brenner sehen.
Ich kannte diese Leute gar nicht und sah es überhaupt nicht ein, daß ich diese wildfremden Männer, die auch noch teilweise osteuropäische Akzente hatten, einfach unbeobachtet durch mein Haus stiefeln zu lassen. Als ich sagte, ich würde sie nur hereinlassen, wenn sie alle zusammen blieben und ich bei ihnen bleiben könnte, wollten die Drei auf einmal nicht mehr. Dafür sprach dann ihr Anführer von „Kehrverweigerung“ und „Zwangskehrung“.
Ich hab dann einfach die Tür zugemacht. Eine Woche später kam der „Meister“ selbst und sagte, das seien seine drei neuen Gesellen und Lehrlinge gewesen. Nunmehr wollte er sich rächen. Am offenen Kamin, den er schon 20 Mal oder mehr kontrolliert hatte, fehlte auf einmal irgendein Blech. Am Kachelofen war nach 12 Jahren urplötzlich das Abzugsrohr zu kurz und in der Küche verlangte er den Ausbau der Dunstabzugshaube. Die könne, weil sie nach draußen bläst, das Haus luftleer saugen und wir könnten jämmerlich ersticken. Das wollten wir natürlich nicht, auch nicht nach zwanzig Jahren Dunstabzugshaubenbetrieb ohne jegliche Erstickungsanzeichen.
Na, da könne er doch was machen! Ganz zufällig habe seine Frau im Nebengewerbe so einen Betrieb, der spezielle Geräte verkauft. Er könne mir nebenbei so einen Apparat einbauen, der automatisch eines unserer Küchenfenster kippt, wenn wir die Dunstabzugshaube einschalten.
Das koste bloß 200 Euro und er könne das mal am Wochenende selbst einbauen.
Dann wären auch das zu kurze Abzugsrohr und das fehlende Blech bei den anderen Feuerstellen kein Problem mehr…

Jaja, so ist das, wenn man einen staatlich geschützten Bezirk hat.

So war es bisher:

Bislang existiert in Deutschland keinerlei Wettbewerb zwischen Schornsteinfegern. Sie bekommen vom Regierungspräsidenten nach einer Wartezeit von durchschnittlich zwölf Jahren einen eigenen Kehrbezirk zugewiesen. In diesem Gebiet kann ihnen niemand Konkurrenz machen, sie behalten ihn bis zur Rente. Die Aufteilung in Kehrbezirke stammt noch aus der Zeit des Nationalsozialismus.

Damit soll aber jetzt endlich Schluß sein!

Die Schornsteinfeger in Deutschland müssen sich erstmals auf Konkurrenz aus der EU einstellen. Zudem sollen viele Aufgaben, die bisher ausschließlich von Schornsteinfegern ausgeführt werden durften, künftig auch von qualifizierten Handwerkern erledigt werden können. Das geht aus Eckpunkten für eine Reform des Schornsteinfegergesetzes hervor..

Das würde nicht nur ich sehr begrüßen! Warum soll ich meinen Kamin nicht jährlich von der Firma warten und reinigen lassen, die ihn eingebaut hat; oder von der Firma, die das am besten oder am günstigsten macht? Nicht wahr?

Leider ist das Ganze nur ein halbherziger Schritt und für die Bezirksschornsteinfegermeister-Gegner nur ein Teilerfolg, denn:

Die Reform schränkt auch den bisherigen Tätigkeitsbereich der Schornsteinfeger ein. So sollen Arbeiten, „die keine Kontrollaufgaben beinhalten“ künftig nicht mehr zu den hoheitlichen Aufgaben gehören.

Das bedeutet wenigstens, daß man dann mit dem eigentlichen Kehren der Schornsteine als Hausbesitzer künftig auch andere Anbieter beauftragen kann.

Alle gesetzlich vorgeschriebenen Kontrollaufgaben – etwa die Überprüfung und Feststellung der Betriebssicherheit einer Anlage – sollen aber weiterhin den Bezirksschornsteinfegern obliegen.

Das geht mir persönlich aber nicht weit genug. Bei der heiligsten aller deutschen Überprüfungsaufgaben, der Hauptuntersuchung beim Auto, habe ich ja auch die Wahl zwischen TÜV, DEKRA, anderen Prüfstellen und KFZ-Sachverständigen.

Quelle der eingeschobenen Texte: Tagesschau online, 16.12.2006


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Lesezeit ca.: 8 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 26. November 2012 | Peter Wilhelm 26. November 2012

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