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Küchenkrimi

frau ruckdäschl

„In unserer Küche riecht’s komisch“, sagt die Allerliebste und alarmiert mein Putzgen. Ich helfe meiner Frau ja viel beim Putzen, beispielsweise male ich manchmal mit dem Zeigefinger die Worte „Ich liebe Dich“ in den Staub auf der Kommode.
Nein, ich gebe zu, daß ich nur ein ganz schwach entwickeltes Putzgen habe, aber manchmal windet es sich dafür umso stärker, so auch jetzt.

Ich halte mich gar nicht erst damit auf, mit meiner Frau zu diskutieren, sondern begebe mich, die witternden Nüstern gebläht, in die Küche. Wonach soll es hier riechen? Sollte eventuell irgendetwas schlecht geworden sein? Bei diesen hochsommerlichen Temperaturen beginnt ja so manches schnell in Gärung überzugehen.

Aber der Mülleimer ist leer, es hat sich auch sonst nirgendwo eine grün werdende Wurst versteckt und auch aus dem Abfluß riecht es sauber nach Spüli.

Trotzdem, so stelle ich fest, hat die Allerliebste Recht. Es wabert so ein leichter Geruch nach heißem Fett und angeschwitzten Zwiebeln durch den Raum. Dem messe ich aber keine große Bedeutung bei, denn am Tag zuvor hatte ich Steaks mit Zwiebeln gebraten, das mag vielleicht noch in der Luft hängen.

Doch am nächsten Tag liegt mir die Allerliebste wieder mit dem Geruch in den Ohren. „Mach was! Das hält man ja nicht aus. Das riecht nach fettigem Löffel.“

Und wenn sie sagt, irgendwo rieche es nach fettigem Löffel, dann meint sie diesen typischen Geruch, der einem in den Kleidern und in den Haaren steckt, wenn man irgendwo zu Gast war, wo mittels einer Friteuse verschiedene Speisen in einen knusprigen Aggregatzustand verwandelt werden.

Ich blähe wieder die Nüstern und stelle dieses Mal einen starken Geruch nach Reibekuchen fest. Definitiv habe ich aber keine Reibekuchen gemacht.
Um meine Frau zu beruhigen sage ich: „Das kommt durchs Fenster rein, irgendjemand in der Nachbarschaft kocht und hat das Fenster offen.“

„Dann mach wenigstens unser Fenster zu, das riecht man ja schon im Wohnzimmer“, lautet die Anweisung der weiblichen Regierung. Es geschieht, wie Madame es befiehlt.

Nun hat meine Frau aber mit ihrem täglichen Gemecker über den Küchendunst nicht nur das Putzgen in mir geweckt, sondern auch mein detektivisches Gespür.
Das Putzgen befriedige ich, indem ich nächstentags unsere Küche mittels eines großen Eimers heißen Wassers und einem nach Apfelsine riechenden Reinigungsmittel einer gründlichen Komplettreinigung unterziehe.

Gegen Abend muß ich aber feststellen, daß es trotzdem umso mehr ganz intensiv nach Kohl riecht, und Kohl riecht nun mal leider so, als ob jemand unter dauernder Flatulenz leidet.
Ich tue so, als ob ich den Müll runterbringen muß und unterziehe bei dieser Gelegenheit die Fassade unseres Hauses einer näheren Begutachtung. Die Fenster in den anderen Wohnungen sind geschlossen, merkwürdig.

Ursprünglich war ich ja geneigt, die geruchlichen Wahrnehmungen der Allerliebsten in das Reich ihrer blühenden Phantasie zu verweisen, muß aber inzwischen zugeben, daß ich selbst auch etwas rieche. An diesem Tag riecht’s nach Sauerbraten.

Und es riecht so stark nach fremden Essen, daß ich kochen kann, was ich will, der fremde Geruch ist immer stärker.

So geht das über Wochen und Monate.

In unserer Küche riecht es immer wieder nach „fettigem Löffel“ und die Zufriedenheitskurve meiner Allerliebsten ist nicht nur leicht nach unten gesenkt, sondern gleicht einem senkrechten Strich.
Und wer trägt die Schuld an der Geruchsbelästigung? Ist das eine Frage, die ein verheirateter Mann wirklich stellen muß? Nein! Die Schuld an allem Ungemach trägt in einer verschiedengeschlechtlichen Beziehung immer das schwächere Geschlecht, und das ist eben der Mann.

Nun war ja bereits vorher mein detektivischer Sinn gekitzelt worden und deshalb mache ich mich auf die Suche nach der Quelle allen Übels.
Die Allerliebste ist arbeiten, die Kinder sind in der Schule, der Hund ist im Wohnzimmer eingesperrt und ich beginne, die Küche zu durchsuchen. Zentimeter für Zentimeter.
Ich ziehe sogar die Hängeschränke ein Stück nach vorne und leuchte mit der Taschenlampe dahinter, ob sich nicht irgendwo ein Stück faulenden Fisches verbirgt.
Den Kühlschrank und den Besenschrank rücke ich von der Wand, die Eckbank schiebe ich in den Flur und wasche schließlich noch alle Schränke mit Orangenreiniger aus.
Und tatsächlich, es riecht schön apfelsinig, jedoch mengt sich zunehmend der Geruch nach Linsensuppe mit Essig darunter …

Es gibt in der ganzen Küche nur noch einen Platz, den ich nicht gereinigt habe, und ich bin fest entschlossen, genau heute die Ursache für den „fettigen Löffel“ zu finden. Ansonsten, so schien es mir am Morgen, als die Allerliebste mir liebevoll „mach was, Du Hirni!“ zuflüsterte, wäre meines Bleibens in diesen vier Wänden nicht länger. Und da ich keine Lust habe, von der Ehefrau verstoßen zu werden, hole ich die Leiter, klettere hinauf und räume auch noch die Tupperdosensammlung oben vom großen Schrank weg.

Oh! Ah!

Was sehe ich da?

Als ich die große pinkfarbene Tupperdose wegräume, entdecke ich ein Loch in der Wand.
Genauer gesagt befindet es sich im stillgelegten Kamin und hat einen Durchmesser von etwa 20 Zentimetern.
Und genau aus diesem Loch weht mir feucht und warm der Linsensuppen-Essig-Duft entgegen.

Ganz augenscheinlich war an diesem Loch einmal der Schlauch einer Dunstabzugshaube angeschlossen. Ganz sicher war das Loch schon bei unserem Einzug da. Der Maler der Wohnungsgesellschaft hatte einfach darübertapeziert und beim Einzug hat dann einer unserer Helfer den Schrank dorthin gestellt, die Dosen obendrauf plaziert und dieses Loch war schlicht und ergreifend nie bemerkt worden oder in Vergessenheit geraten.
Im Laufe der Jahre hatte aber der in dem alten Kamin hochsteigende Küchendunst die über dem Loch klebende Tapete aufgeweicht und zerfressen.

Eins ist klar: Irgendwer im Haus hat seine Dunstabzugshaube an diesen stillgelegten Kamin angeschlossen und pustet Tag für Tag seinen „fettigen Löffel“-Geruch in unsere Küche.

Ja und wer kommt für so etwas in Frage? Natürlich nur die unter uns wohnende Frau Ruckdäschl!

Was tun? Der alten „Scherohnie“ (sprich Sche-ro-ni-e) das Kochen verbieten?
Oder besser das Loch mit Gips zuschmieren?

Kurz kommt mir in den Sinn, der alten Ruckdäschl irgendwas mit Gips zuzuschmieren, aber dann entscheide ich mich doch dafür, einfach das Loch zu verschließen.

Ich rühre ordentlich Gips an.
Nun ist es ja bei Gips bekanntlich so, daß man nur ganz wenig Wasser benötigt. Anfangs sieht es immer so aus, als bräuchte man viel mehr Wasser, aber tatsächlich reicht eine kleine Menge aus, um einen schönen Gips zu bekommen. Nur leider berücksichtige ich das dieses Mal nicht, nehme zu viel Wasser und die Pampe wird viel zu flüssig. Also kippe ich noch etwas Gipspulver in den Eimer, nun wird es wieder zu bröckelig und fest.
Also nochmal etwas Wasser dazu und nachdem ich das drei oder vier mal gemacht habe, ist der 10-Liter-Eimer mit einer schön sämigen Gipsmasse gefüllt.
Ich kann auch an der Konsistenz nichts mehr ändern, denn jetzt ist das Gipspulver alle.

Also schmiere ich den schlibberigen Glabberglibber in das ominöse „fettiger-Löffel“-Loch.
Er fließt quasi nur so hinein und ich muß mich wirklich bemühen, genug von der Brabbelmasse im Loch zu stapeln und zu verschmieren, damit es sich auch verschließt.
Das Meiste schwabbert sich in den stillgelegten Kamin hinein und verschwindet im Nirwana.

Nirwana?

„Sie do!“ So klingt es am nächsten Tag aus dem Ruckdäschl’schen Mund an mein Ohr. „Bei mir habbe se eingebroche!“

„Ach was?“

„Hajo! Irgendwer is in meiner Küch gewese und hot mir mein Dunstabzugshaube zugegipst! Wann ich den verwisch!“


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Der erfolgreiche Buchautor Peter Wilhelm veröffentlicht hier Geschichten, Kurzgeschichten, Gedanken und Aufschreibenswertes.

Lesezeit ca.: 9 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 22. Dezember 2015 | Peter Wilhelm 22. Dezember 2015

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