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Kapern, Brötchen und Bockwurst

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Marion hat im Internet eine Rezepteseite und einen Kochclub und Marions Partner Folkert fotografiert dafür Brötchen, Würstchen, Kapern und auch schon mal ein Leipziger Allerlei. Das kann der Folkert ganz toll und noch toller kann er Bilder im Web platzieren und so ist es nicht verwunderlich, daß seine viele schönen Bilder bei der Google-Bildersuche ganz vorne liegen und gut gefunden werden.

Bei vielen Internetbenutzern hat sich aber die Meinung breit gemacht, nahezu alles im Web sei kostenlos und man könne es einfach nehmen und benutzen; alles andere ist Abzocke und grauenvoller Kommerz. Seitenbetreiber müssen ihren Lesern/Besuchern Inhalte bieten und wenn man schon nicht genügend Grips in der Birne hat, um sich selbst etwas auszudenken, dann kopiert man eben einfach Texte von anderen Seiten. Weil Texte aber nur lebendig wirken, wenn auch die passenden Bilder dabei sind, klaut man eben noch schnell ein paar Fotos, die jemand anders geschossen hat. Und weil man zu faul ist, sich die passenden Fotos aus den freien Bilddatenbanken zusammenzusuchen und darüberhinaus auch noch so doof ist, nicht wenigstens nach einer privaten Bilderquelle in Argentinien zu suchen und weil man ja sowieso drei Kameras zu Hause hat, aber keine Lust hat, ein Foto selbst zu schießen, nimmt man einfach die erstbesten Bilder aus der Google-Bildersuche.

Wir halten also bis jetzt einmal fest: Man muß faul, doof und lustlos sein, um so etwas zu machen.
Diese drei Attribute lassen sich auch noch um ein viertes erweitern, nämlich blöd.
Blöd ist man dann, wenn man heute, wo in jedem Forum und Weblog über die Urheberechte diskutiert wird, glaubt, man könne das einfach so machen und käme damit auch noch ungeschoren davon.

Leute wie Marion, Folkert und viele andere Kreative verdienen ihr tägliches Brot mit Texten, Bildern oder Tönen. Und um den Euphemismus „tägliches Brot“ einmal aufzulösen: sie verdienen damit Geld. Dieses Geld brauchen Kreative um ihre Miete bezahlen zu können, um bei ALDI Lebensmittel zu kaufen und um Versicherungen usw. zu bezahlen.
Der eine Kreative schreibt Artikel für Zeitschriften, der andere für sein Weblog oder seine Kochbuchseite. Der eine fotografiert für einen Kunstbildband, der andere für seine Webseite.
Käme irgendeiner auf die Idee, in der nächsten Buchhandlung einfach aus einem Kunstbildband ein paar Seiten mit schönen Bildern herauszureißen? Gibt es Leute, die so bescheuert sind, dann als Argument anzuführen, sie könnten die Bilder aber gerade eben super gebrauchen?
Nein, das widerstrebt jedem (außer TAZ-Lesern, die machen sowas! (1))
Und was ist eigentlich im Hirn der Leute falsch gelaufen, daß sie meinen, das Internet sei etwas völlig Anderes und sozusagen ein rechtsfreier Raum?

Da haben wir also nun die typische Klassifizierung eines Text- bzw. Bilderdiebes: Er ist faul, doof, lustlos, blöd, bescheuert, dumm und in seinem Hirn läuft irgendwas falsch. Möglicherweise treffen nicht immer alle Punkte zu, vielleicht oder sogar wahrscheinlich kommen bei dem einen oder anderen noch etliche andere Punkte hinzu.
(Hier zum kostenlosen Ausschneiden: beknackt, dämlich, idiotisch, saudumm, hirnverbrannt, bekloppt)

Es gibt auch überhaupt keine Entschuldigung für solchen Contentdiebstahl. Denn selbst wenn die eigenen Motive sich vielleicht noch so eben verstehen lassen, es geht auch um die Folgen. Nehmen wir an, ich würde ein Bild von Marion und Folkert auf meine Seite stellen, auf dem ein Ei dargestellt ist. Da könnte ich folgende Begründungen anführen:

1. Es ist ja bloß ein Ei.
2. Meine Seite steht ja nicht in Konkurrenz zu Marion und Folkert
3. Meine Seite hat ja gar keine besondere Verbreitung
4. Ich hatte gerade kein Ei, keine Lust, keine Kamera
5. Ich hab das gar nicht gewusst, dass man das nicht darf
6. Bei Folkerts Bildern steht ja nix dabei, daß er der Urheber ist
7. Selbst Schuld, wenn er die Bilder ins Web stellt.

Der Richter wird später ungefähr wie folgt urteilen: Es spielt keine Rolle, ob es sich um ein Ei oder den Papst handelt. Die Konkurrenzfrage ist vollkommen unerheblich. Unwissenheit schützt vor Strafe nicht.

Mir ist doch vollkommen bewusst, daß die allermeisten Rechtsverletzer sich nichts Böses dabei denken, sondern einfach nur aus Bequemlichkeit oder mangelndem Unrechtsbewußtsein handeln. In vielen Fällen würde man als Urheber sogar die Benutzung tolerieren, wäre da nicht der Folgeeffekt.
In der Folge tauchen nämlich die geklauten Bilder und Texte nicht mehr nur beim Urheber, sondern auch bei dem Content-Dieb auf. So kann es kommen daß die geklauten Inhalte bei Google deutlich vor den ursprünglichen Inhalten gelistet werden.
Nehmen wir ein Beispiel: Folkert fotografiert ein Schnitzel. Durch dieses Foto und das dazugehörige Rezept von Marion liegen die beiden bei Google zum Thema Schnitzel ganz weit vorne. Nun klaut jemand das Bild, etwa um auf einer Spaßseite einen völlig themenfremden Artikel damit zu dekorieren, etwa unter der Überschrift „Tokio Hotel sieht aus wie ein Schnitzel“. Möglicherweise liegt er aber dann beim Thema Schnitzel künftig vor Folkert und Marion, obwohl er das gar nicht will und mit Schnitzeln eigentlich nichts zu tun hat. Folkert und Marion gehen aber unter Umständen wichtige Besucher verloren und sie haben dadurch einen wirtschaftlichen Schaden erlitten.
Eine weitere Folge ist, daß das Bild nun ohne weiteren Hinweis auf das Urheberrecht auch beim Contentdieb auf der Seite zu finden ist und hemmungslos dort weiter heruntergeladen, geklaut und verbreitet wird. Folkert würde aber vielleicht gerne gegen gute Bezahlung auch für andere Leute Schnitzel oder Rollbraten fotografieren, kann aber auf diesem Gebiet nicht mehr viel verdienen, weil seine Bilder mittlerweile wie Allgemeingut behandelt und fröhlich weiterverteilt werden.

Folkert blüht aber sogar noch weiteres Ungemach! Geht er beispielsweise gegen einen besonders dreisten Urheberrechtsverletzer vor, kann es ihm passieren, daß er nun in Beweisnot gerät und stichhaltig belegen muß, daß er wirklich der wahre Urheber ist. Da das Bild ja „überall frei zu haben ist“, wird der gegnerische Anwalt keck behaupten, er habe es selbst auch nur geklaut. Desweiteren kann er in die Not geraten, beweisen zu müssen, wie ernst es ihm mit der Wahrnehmung seiner Interessen ist. Bei Tausenden von Fundstellen gegen die er nichts unternommen hat, wird es ihm schwer fallen, zu beweisen, daß ausgerechnet bei dieser einen Fundstelle ein wirtschaftlicher Schaden entstanden ist usw. usw. usw.

Gestern fragte ich mich noch, ob da nicht vielleicht sogar eine Masche oder ein System dahintersteckt. Die könnte so aussehen, daß man ganz viele Bilder und Texte von allgemeinem Interesse ins Web stellt und dann ordentlich Kasse damit macht, daß man die Fremdnutzer abmahnt.
Auf der anderen Seite habe ich mir aber überlegt, wer den eigentlich der böse Bube ist. Ist es der Ladenbesitzer, der seine Sachen so verführerisch in die Regale stellt, oder ist es der Ladendieb, der sich die Sachen einfach nimmt oder ist es der Ladendetektiv, der ihn schnappt?

Allmählich komme ich zu der Erkenntnis, daß vor dem Hintergrund des augenblicklich herrschendes Abmahnklimas auch viele Opfer zu Tätern gemacht werden, selbst wenn sie „nur“ Eier oder Rollbraten knipsen.

Ich finde, man hat sowieso genug damit zu tun, den ganzen Abmahnungs-Fallstricken aus dem Weg zu gehen und da sollte man die Finger vom Contentklau lassen.

Es gibt viel größere Gemeinheiten und vermeintliche Ungerechtigkeiten (siehe Saftblog), die Aufregung wert sind. Schnell hat man unbedacht, unbemerkt und unbeabsichtigt etwas gemacht, wodurch man wirklich ohne Schuld eine Abmahnung auslöst. Hier soll Frau Zypries endlich was machen! Aber es kann mir doch keiner erzählen, daß er keine Ahnung davon hat, daß man Bilder, Texte und Töne nicht einfach klauen darf. Wer es dennoch tut, der ist eben (s.o.) doof, blöd und behämmert.

(1) Neulich an der Tanke: Ein Typ nimmt sich eine TAZ, dann guckt er sich noch verschiedene Zeitschriften an und reißt aus der Computer-BILD die DVD raus und steckt sich die einfach ein. Meinem erstaunten Blick begegnet er, indem er sagt: „Ich werfe dem Springer doch kein Geld in den Rachen!“ Hallo! Axel Springer ist tot!

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Lesezeit ca.: 9 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 26. November 2012 | Peter Wilhelm 26. November 2012

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