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Interview Neue Westfälische: Bestatter sind humoristisch veranlagt

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„Darf ich Möhren auf das Grab meines Vaters pflanzen? Entsorgen Bestatter ihren Müll in den Särgen? Diese und andere Fragen beantwortet der Publizist und Bestatter Peter Wilhelm in seinem neuen Buch. Mit einer Mischung aus Unterhaltung und Information will der 52-Jährige ein Tabuthema aufweichen, ohne pietätlos zu sein. „Was man unterhaltsamerweise kennengelernt hat, vor dem braucht man nicht mehr so viel Angst zu haben“, sagt er.

Anke Groenewold sprach mit Peter Wilhelm.

Herr Wilhelm, wer „Geht ’ne Seebestattung auch, wenn man Nichtschwimmer ist?“ fragt, will Sie auf die Probe stellen. Gelten Bestatter als humorlos?

PETER WILHELM: Dass Bestatter Miesepeter sind und immer mit einer Leichenbittermiene rumlaufen, ist ein Klischee, das nicht stimmt. In kaum einem anderen Betrieb wird so viel gelacht und so viel Spaß gemacht wie im Bestattungsunternehmen. Das Thema, mit dem man sich befasst, ist traurig genug. Meistens sind die Leute da sehr cool drauf, wie man heute so sagt, und sehr humoristisch veranlagt.

Ist Humor auch eine Bewältigungsstrategie?

WILHELM: Auch. In den Leichenwagen sind immer die besten Autoradios verbaut, die es gibt, damit die Kerle, die gerade eben die Arbeit hatten, einen Toten von den Eisenbahnschienen zu kratzen, auf dem Heimweg wenigstens coole Musik hören können.

Ärzte werden auf Partys gern um professionelle Schnell-Beratung gebeten. Geht es Ihnen ähnlich?

WILHELM: Ja. Vor dem Hintergrund sind sowohl das Bestatterweblog als auch die Bücher entstanden. Wenn man sagt „Ich bin Bestatter“ gucken die Leute erst mal. Sie erwarten einen hageren Mann mit einem geiermäßig geknickten Hals, der ein bisschen komisch riecht. Ich bin ein bäriger Typ, der Gemütlichkeit ausstrahlt, und rede auch anders als man denkt. Man hat selbst gerade keinen, denn man betrauern muss, dann kann man auch mal eine blöde Frage stellen.

Aus den Fragen, die Ihnen gestellt werden, spricht viel Unsicherheit: Was muss ich tun, wie muss ich mich verhalten? Warum?

WILHELM: Weil Tod, Trauer und Bestattung Tabu-Themen sind, mit denen sich die Menschen nicht so gern befassen. Es wird ausgeklammert aus dem täglichen Leben. Man will sich der eigenen Vergänglichkeit nicht bewusst werden. Und wenn es einen dann trifft, steht man hilflos da. Dann werden auch an sich ganz selbstverständliche Dinge gefragt wie „Muss ich den Hut eigentlich abnehmen, wenn ein Leichenwagen vorbeifährt?“

Ihr Blog und Ihre Bücher sind erfolgreich: Geht der Trend zur stärkeren Auseinandersetzung mit dem Tod?

WILHELM: Auf jeden Fall. Die Menschen, mit denen ich zu tun habe, gehen sehr viel befreiter und lockerer mit dem Thema um. Man muss immer die außen vor lassen, die aktuell von einem Trauerfall betroffen sind. Was mich immer wieder erstaunt: Leute, die sehr aufgeklärt sind, fallen dann, wenn in ihrer Familie ein Sterbefall passiert, zurück in dieses traditionelle Bestattungs-Steinzeitalter und verfahren so, wie man es immer gemacht hat.

Sie erzählen auch von Nudisten, die einem der Ihren die letzte Ehre nackig erweisen wollen. Nehmen solche Spezialwünsche zu?

WILHELM: Nein, das sind Einzelfälle und natürlich auch die abstrusesten, die ich über Jahrzehnte zusammengetragen habe.

Sie klären mit Ihrem Buch auf, gewähren Einblicke in die Branche. Machen Sie sich bei Ihren Kollegen damit beliebt?

WILHELM: Die Bestatter sind generell nicht diejenigen, die viel auf Kollegialität und Miteinander setzen. Das ist eher ein Hickhack untereinander, und keiner gönnt dem anderen das Schwarze unter dem Fingernagel. Von daher blicken die anderen Bestatter eher neidvoll auf meinen Bestatterweblog und auf meine Aufklärungsarbeit. Ich habe viel Zuspruch aus dem Kollegenkreis, aber es gibt einige darunter, die das Scheiße finden.

Kann ich mir meinen Sarg selbst bauen?“ werden Sie gefragt. Überrascht es die Leute, wie viel sie selbst bestimmen können?

WILHELM: Einige kommen schon mit ganz bestimmten Vorstellungen, andere sind verwundert: Das darf man? Natürlich darf man das. Man ist als Angehöriger ja auch der, der den ganzen Spaß bezahlt, also ist man auch Herr des Verfahrens. Alles können die Kunden nicht bestimmen, weil man in diese typisch deutsche Satzungsmentalität, die Landes-Bestattungsgesetze, eingebunden ist. Innerhalb dieses fest gesteckten Rahmens können die Angehörigen fast alles selbst machen.

Aber manchmal sind erstaunliche Sachen nicht möglich. Zum Beispiel?

WILHELM: Was vielerorts gefragt wird, ist: Kann man die Trauerfeier zu Hause machen? Oder kann man den Verstorbenen in der Kirche aufbahren? Oder jemand sagt: Ich habe einen großen Transporter, kann ich den Verstorbenen nicht selber zum Friedhof bringen, da würden wir doch viel Geld sparen? Das geht wegen der Gesetze nicht.

Sparen ist ein wichtiges Thema, was sich in Fragen wie „Gibt es Second-Hand-Särge?“ niederschlägt. Geht der Trend auch bei Begräbnissen zu billig?

WILHELM: Durch die Berichterstattung in den privaten Medien ist in der Bevölkerung der Eindruck entstanden, als ginge es jetzt beim Sterben nur um dieses berühmte „Geiz ist geil“. Dem ist aber nicht so. Die paar Discount-Bestatter, die es gibt, sind nur die, die am lautesten schreien. Deshalb kommen viele Menschen auch auf solche Fragen und auf abstruse Einsparmöglichkeiten, die für uns Bestatter so blöd sind, dass man nur drüber schmunzeln kann. Die Medien fahren auf die Billigen Jakobs ab, weil es natürlich interessanter ist, einen etwas schleimigen, halbseidenen Typen zu zeigen, der im Rahmen einer Kaffeefahrt Rentner nach Tschechien kutschiert, um denen die Einäscherung einer völlig unbekannten Person live vorzuführen und sie als Kunden zu gewinnen. Aber die meisten Menschen wollen, wenn sie selbst einen Todesfall in der Familie haben, alles traditionell, klassisch und unauffällig haben.

Quelle: Neue Westfälische Zeitung, Bielefeld 

 

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Lesezeit ca.: 6 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 26. November 2012 | Peter Wilhelm 26. November 2012

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