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In den Rhein mit ihm

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Es hämmert heftig an die Tür und am Hämmern erkennt Borschel schon, daß es sich nicht um freundlich gesinnte Besucher handeln kann. Verschlafen wischt er sich über die Augen, es ist erst vier Uhr morgens. Wieder poltert es vor die Tür und eine Stimme ruft: „Aufmachen, Polizei!“

Mit wackeligen, schlaftrunkenen Schritten geht Borschel zur Wohnungstür, um zu öffnen. Es kann sich ja sowieso nur um einen Irrtum handeln. Er hat vor etwa 20 Jahren mal einen angefahrenen Rehbock mit nach Hause genommen, zerlegt und verspeist, aber das ist doch verjährt… Borschel öffnet die Tür und sofort stürmen vier oder fünf Beamte in die Wohnung, drücken ihn an die Wand und wenige Sekunden später klicken die Handschellen. Im harten Ermittlerdeutsch brüllen sie ihm irgendetwas in die Ohren, aber er ist so aufgeregt, daß er es nicht versteht. Er wird hin und her gestoßen und kommt erst wieder zu sich, als er im Präsidium in einem lächerlich eingerichteten Amtszimmer warten muss. Seine Hände sind hinter dem Rücken gefesselt und er kann sich nicht an der Stuhllehne anlehnen.

Das Zimmer ist im Ölfarbengrün der 50er Jahre gestrichen, an den Wänden hängen Fahndungsplakate längst vergessener Straftaten und ein Plakat der Aktion „Hallo Partner, Dankeschön“ aus den 70er Jahren. Drüben auf dem kleinen Schreibtisch steht ein Monstrum von einer Schreibmaschine und Borschel überlegt, wann er das letzte Mal eine Schreibmaschine gesehen haben mag. Niemand sonst auf der Welt schreibt doch heute noch mit Schreibmaschinen.

Die Tür fliegt auf und zwei Beamte kommen herein. Der eine nimmt hinten in der Ecke an einem Schreibtisch Platz, beachtet Borschel gar nicht und tippt etwas in einen Computer; ach was, Computer haben die auch?
Der andere ist etwa 50 Jahre alt und sitzt nun Borschel direkt gegenüber, blättert eine schmale rote Akte durch und grinst dabei höhnisch.
„So, Sie haben also gedacht, Sie kommen damit durch, nicht wahr?“ richtet er sein Wort an Borschel.
Der weiß gar nicht was der Beamte von ihm will und zuckt bloß mit den Schulter und sagt: „Was denn? Was wollen Sie denn von mir?“

„Ach, jetzt tun Sie doch mal nicht so unschuldig. Sie wissen doch ganz genau was los ist.“

„Nein, wirklich nicht, ich habe nichts gemacht, ich bin auf jeden Fall unschuldig.“

„Unschuldig? Ha! Daß ich nicht lache, wer ist denn heute schon unschuldig? Sie sind ein ganz durchtriebenes Stück, ein Verbrecher, der sich hinter der Maske des Biedermanns versteckt, der es aber faustdick hinter den Ohren hat.“

„Was werfen Sie mir eigentlich vor? Kann ich nicht jemanden anrufen? Habe ich nicht das Recht auf einen Anwalt?“

Der Beamte schiebt Borschel das mausgraue Telefon rüber und da wird Borschel bewusst, daß er das Klischee, dass er aus dem Fernsehen kennt, gar nicht erfüllen kann. Er weiß gar nicht, wen er anrufen sollte, einen Anwalt hat er bisher nie gebraucht und er kennt auch keinen muskulösen Neger, der jetzt vorbeikäme, um ihn gegen Kaution herauszuholen. Die im Film kennen immer so einen.

Er hebt bloß die hinter dem Rücken gefesselten Hände etwas, was der Beamte sieht. Er steht auf, löst die Handschellen auf einer Seite und schließt Borschels Hände nunmehr vor dem Bauch wieder zusammen. „Sicher ist sicher, da kennen wir nichts, das ist so Vorschrift.“

„Was habe ich denn gemacht?“

„Halten Sie den Mund! Sie spielen uns hier das Unschuldslamm vor und dabei wissen wir genau, was Sie vorhaben, was Sie planen.“

„Ich bin unschuldig, Sie müssen mich verwechseln.“

„Ach, wirklich? Sie sind doch Hans-Dieter Borschel, oder?“

„Ja, der bin ich.“

„Geboren am 12. September 1953 in Soest.“

„Ja, das stimmt.“

„Also! Was wollen Sie denn dann?“

„Wieso, ist es strafbar, am 12. September geboren zu sein? Ich meine, Soest allein ist schon Strafe genug, aber strafbar ist das ja wohl nicht.“

„Machen Sie sich nicht lustig über uns, wir tun hier unsere Arbeit und Ihre impertinenten Scherze könnten Ihnen später als Widerstand gegen die Staatsgewalt oder als Behinderung der Ermittlungen ausgelegt werden, das gibt dann locker 4-5 Jahre zusätzlich.“

„Sie müssen mir doch wohl aber sagen, was Sie mir vorwerfen, oder?“

„Wir werfen Ihnen vor, daß Sie einen Anschlag planen und zu antidemokratischen Umtrieben aufrufen wollen.“

„Wie bitte?“

Der Beamte zieht ein Blatt aus der roten Akte: „Ist das Ihre Handschrift?“
Boscherl schaut hin und erkennt ein Blatt, dass unzweifelhaft in seiner Handschrift verfasst worden ist, er nickt.
Der Kriminalbeamte beginnt vorzulesen: „Aus lauter Angst vor Terrorbanden, fegt Schäuble wild durch unsre Landen.“

Borschel nickt, er hat den Text wiedererkannt. Es ist der Entwurf für eine Büttenrede, die er während der kommenden Session für den Karnevalsverein „Lotterbuben 1949 e.V.“ halten will.

„Sie geben es also zu, daß Sie das geschrieben haben?“

Borschel nickt wieder und sagt: „Aber das ist doch nur eine Büttenrede.“

„Büttenrede hin, Büttenrede her, Sie können doch nicht einfach zum Umsturz aufrufen!“

„Wo bitte rufe ich denn zum Umsturz auf?“

„Na hier“, sagt der Beamte und zitiert weiter aus der roten Akte: „Drum lasst aus Sorg‘ um unsre Lieben, den Schäuble in den Rhein uns schieben.“

„Das ist doch ein Scherz, ein Spaß, für Karneval.“

„Unser Innenminister feiert keinen Karneval, soviel ich weiß, lacht der noch nicht einmal, man hat ihn überhaupt noch nie lachen sehen. Da kann man so eine brutale Tat, wie Sie sie geplant haben, nicht einfach nur als Scherz abtun. Der Mann würde doch ertrinken, wenn Sie ihn in den Rhein schieben.“

„Das ist doch wirklich nur ein alberner Reim für eine Büttenrede, bloß ein bißchen Quatsch…“

„Halten Sie doch den Mund, Sie sind ein Staatsverbrecher. Oder wie würden Sie die folgende Zeile auffassen: ‚Drum Frauen tragt beim Stallausmisten, kein Kopftuch sonst seid’s Islamisten‘?“

Borschel zuckt wieder nur mit den Schultern und der Beamte poltert ihn an: „Das ist doch ein ganz klarer Aufruf an die gefährlichsten weiblichen islamistischen Terroristen, die Kopftücher abzulegen, damit sie nicht erkannt werden. Jetzt haben wir schon den Aufruf zu zwei Straftaten, einmal den Mord am Innenminister und einmal zur Tarnung der Islamisten. Aber es geht ja noch weiter. In der nächsten Zeile schreiben Sie: ‚Ob Internet, ob Telefon, morgen weiß‘ der Schäuble schon‘.“

„Ja und, was soll daran schlimm sein?“

„Das ist eine Aufdeckung staatlicher Ermittlungsarbeit. Das darf man auch nicht.“

„Es ist nur eine Büttenrede. Nur ein Spaß, nur lustige Reime.“

„Das werden wir ja noch sehen. Bei der Durchsuchung Ihrer Wohnung haben wir keine rote Pappnase und keine blöde Mütze mit Fasanenfedern gefunden.“

„Die habe ich ja auch in der Garage, in einem Koffer oben in einem Regal.“

Der Beamte greift zum Telefon, wählt eine Nummer und sagt: „Garage, Regal, Koffer, los!“
Dann lehnt er sich zurück und sagt: „Jetzt werden wir es ja sehen, ob Sie ein Schwerverbrecher sind, der zum Umsturz aufruft, oder ob Sie nur ein harmloser Karnevalist sind!“

„Es ist wirklich nur Spaß. Ich will Herrn Schäuble gar nichts Böses.“

„Wenn Sie eine ehrliche Haut wären, dann hätten Sie einen Reim auf Herrn Ahmadinedschad gemacht und nicht auf so einen anständigen Menschen wie Herrn Schäuble.“

„Aber auf Ahmadinedschad reimt sich nichts und außerdem weiß ich gar nicht wie man das richtig ausspricht.“

In diesem Moment klingelt das Telefon, der Beamte nimmt den Hörer ab, hört kurz zu, grunzt einmal etwas Unverständliches, legt wieder auf und sagt zu Borschel: „Tja, es scheint, als ob Sie wirklich in einer Karnevalsgesellschaft sind. Dieses Mal haben Sie nochmal Glück gehabt, aber so Früchtchen wie Sie werden wir im Auge behalten!“

Eine Stunde später ist Borschel wieder zu Hause, sucht sich auf seinem kleinen Schreibtisch den Entwurf seiner Büttenrede zusammen und ergänzt sie unten noch mit einem Satz: „Doch eines stimmt auf jeden Fall, der Schäuble hat nen Riesenknall.“


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Lesezeit ca.: 9 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 26. November 2012 | Peter Wilhelm 26. November 2012

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