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Geschichten

Herr Winkelmann -ein Reiseerlebnis-

Rezeption

Ich komme Mitten in der Nacht ins Hotel und habe es eilig. Zum einen möchte ich zeitnah ins Bett, zum anderen dringend einen Waschraum besuchen. Doch ich möchte nicht irgendeinen Waschraum benutzen, sondern meinen Waschraum und so stelle ich mich brav an der Rezeption in die Schlange und warte bis der Herr vor mir fertig ist. Er hat ein Zimmer gebucht, aber nicht mit der Kreditkarte bezahlt und hat nun, Mitten in der Nacht, kein Platz in der Herberge – denn der Laden ist voll. Und alle anderen Häuser dieser Hotelkette auch. Es ist ja schließlich Fashionweek! Ich lache noch in mich hinein, werde ich doch regelmäßig schief angeschaut, wenn ich aus dem Auto heraus im Hotel anrufe und noch einmal bestätige, dass ich auch tatsächlich anreise. Vielleicht mag der Rezeptionist auch nicht den albernen Kapuzenpulli von dem Mann, aber das ist mir jetzt egal. Es ist Fashionweek und Ich muss aufs Klo! Und komme auch prompt an die Reihe, denn Kapuzenpullimann und der glatzköpfige Tresenonkel unterbrechen ihre mittlerweile in oberer Zimmerlautstärke geführte Diskussion.

Ich lege ein klein bisschen stolz meinen >>Voucher<< auf den Tresen, um dem Kapuzenulli zu zeigen, dass ICH alles richtig gemacht habe. Prompt bekomme ich eine Zimmerkarte und freue mich schon auf die Keramik! Ab in dien Aufzug und dann hinauf zur Schüssel. Hui, was für eine Freude. Ich erreiche nach einem endlos langen Marsch die Zimmertür und öffne sie mit der Schlüsselkarte. Doch – es riecht nach Rauch in dem Zimmer. Bah! Und genau genommen hängt da auch ein Sakko verlassen an der Garderobe. Ich denke eine milliardstel Sekunde über die Fashionweek nach und ob das vielleicht eine „Installation“ des berühmten Sakkokünstlers Wahnfried Jasper Zieselmann ist – aber eigentlich ist es mir egal. Ich habe eine eilige ach was, heilige Mission! Ich muss mit dem Papst telefonieren! Ein Ferngespräch! Doch obwohl ich es recht eilig habe, fällt mir der leise Fernsehton im Zimmer auf. Auch die Zwischentür ist geschlossen und mein mutiges Streben nach Glück wird von einem roten „Bitte nicht Stören“ Schild an der Klinke jäh unterbrochen. Würde Zieselmann in einer Installation so weit gehen? Geht es hier um das „Aufrütteln der Sinne“, das ihm zeitlebens so wichtig war? Das denke ich nicht und so drehe ich ab, nicht ohne noch einmal sehnsuchtsvoll in die Richtung zu blicken, in der ich meine Tür vermute. Wieder runter zur Rezeption. Kapuzenmann und sein Bettenverweigerer streiten mittlerweile heftig. Puzi will ins Bett, ich aufs Klo, eigentlich eine lösbare Aufgabe. Doch offensichtlich nicht für diesen Bettenkonzern. Der Hotelier und sein Widersacher unterbrechen ihre gepflegte Konversation in 120 dB und schauen mich fragend an. Ich: Ich hätte gerne ein anderes Zimmer! Hotelmann: DAS! GEHT! NICHT! Ich: Dann entsorgen Sie bitte den Gast aus meinem Zimmer. Er raucht und hat mir den Weg zum Klo versperrt!

Der Hotelmann wird ein bisschen bleich.

Hotelmann: OK… das gibt es doch gar nicht…

Er fängt an wie wild wechselseitig mit seiner Maus zu klicken und auf seine Tastatur einzutippen. Entschlossen greift er zum Telefon.

Hotelmann: Hier ist die Rezeption. Was machen Sie in diesem Zimmer?
Mann am anderen Ende der Leitung: unverständlich
Hotelmann: Aber sie dürften gar nicht da sein!
Mann am anderen Ende der Leitung: unverständlich
Hotelmann: Aber das SYSTEM sagt, dass das Zimmer frei ist!
Mann am anderen Ende der Leitung: unverständlich
Hotelmann: Ja ich weiss, wer mit Erdnüssen bezahlt, bekommt Affen!

Der Hotelmann wirft den Hörer mit viel Verve auf die Gabel und ich muss ein bisschen lachen, denn hinter dem Portier stehen mehrere Beutel Nic Nacs – im Sonderangebot. Aber wenn ich lache muss ich noch dringender und deshalb halte ich da ein.

Hotelmann: Ich habe gerade mit Herrn Winkelmann telefoniert!
Ich: Aha!
Hotelmann: Herr Winkelmann wohnt jetzt in ihrem Zimmer!
Ich: Nunja… äääh… (ich überlege, ob ich mir mit Herrn Winkelmann vielleicht die Hotelrate teilen könnte, mir würde ja im Prinzip das Bad reichen, wenngleich – weiter komme ich nicht.)
Hotelmann: Doch ich habe jetzt DIE LÖSUNG. Ich schaue noch einmal ins SYSTEM und finde heraus, welches Zimmer Herr Winkelmann eigentlich bekommen sollte und das gebe ich Ihnen dann.
Ich: Ok, sie haben von meinem „Bauchgefühl“ her noch genau einen Versuch…
Hotelmann: Wie meinen Sie denn das?
Ich: Das würde jetzt zu weit führen, geben sie mir einfach das Zimmer von Herrn Winkelmann.
Hotelmann: Kennen Sie denn Herrn Winkelmann näher?
Ich: Nein, ich meine das Zimmer, in dem Herr Winkelmann nicht wohnt.
Hotelmann: Herr Winkelmann wohnt nur in einem Zimmer zur Zeit und das wollen Sie nicht. Die weiteren Räume sind bereits von anderen Gästen belegt.
Ich: Genau und deshalb hätte ich gerne das Zimmer in dem Herr Winkelmann jetzt nicht wohnt aber eigentlich wohnen sollte…
Hotelmann: Das war doch genau meine Idee! Warum sagen sie das nicht gleich.
Ich: Ich hatte irgendwie bedenken, das SYSTEM sei nicht darauf vorbereitet…
Hotelmann: Das Problem sitzt meistens vor dem Computer!
Ich: Verstehe…

Er reicht mir eine neue Zimmerkarte und ich bedanke mich artig. Ich bin noch nie so schnell in einem Hotelzimmer im fünften Stock gewesen. Und zum Glück von Herrn Winkelmann (und allen anderen Hotelgästen) war es frei. Was für ein befreiendes Gefühl!

Nachtrag: Ob der einsame Kapuzenmann in dieser Sommernacht noch eine Herberge gefunden hat, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich wünsche es ihm jedenfalls. Auch wenn man ab 40 Lebensjahren sicher keine Kapuzenpullover tragen muss. Aber es ist ja Fashionweek!


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Der erfolgreiche Buchautor Peter Wilhelm veröffentlicht hier Geschichten, Kurzgeschichten, Gedanken und Aufschreibenswertes.

Lesezeit ca.: 4 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 4. März 2018 | Frank Mischkowski 4. März 2018

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