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Spitze Feder

Gedanken zu „links“

Linkspixabay

Ach ja, das waren doch wirklich noch selige Zeiten, als man genau wusste, was recht und links bedeutet – ich meine natürlich außerparlamentarisch betrachtet. Im hohen Hause kann man diese Verortung ja knicken. Die altruistische Gesinnung der Kämpfer für Recht und Freiheit geht ja, wie die Realität leider zeigt, auf dem steinigen Weg in die Parlamente zugunsten satter Apanagen leider gerne mal verloren. Aber das ist eine andere Geschichte.

Ausserhalb des Wasserwerkes zu Bonn am lieblichen Rhein war die Welt jedenfalls noch in Ordnung – übersichtlich und messerscharf abgegrenzt. Hier, in diesem Falle also rechts, die unerbittliche Staatsmacht, die mit Tränengas, Gummiknüppeln und Wasserwerfen versuchte, politische Realitäten zu schaffen, wie die Startbahn West in Frankfurt, das Atomwaffendepot in Mutlangen, die Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf oder das Atommüllendlager in Gorleben. Aus Gründen der Übersichtlichkeit belasse ich die Auflistung bei diesen Beispielen.

Auf der andern – linken – Seite: die Guten, will meinen, die Demonstranten, die a priori dagegen waren, was das Schweinesystem so anstellte, die in Palästinenserschals gehüllt mit der Wanderklampfe Lieder mit erbarmungswürdiger Lyrik zum Besten gaben und heute von eben jener Startbahn West in der Business Class zum Meeting jetten. Das Reihenhaus und das geleaste SUV wollen schließlich finanziert werden, und der Reitunterricht für die Kleinen, und die Beiträge für die Lebensversicherung, und, und, und… Aber das ist auch eine andere Geschichte.

Ich weiß jedenfalls nicht, ob es in allen Parlamenten dieser Welt Usus ist, den vermeintlichen oder wirklichen Linken eben jene Plätze, vom Präsidentenstuhl aus gesehen links, zuzuweisen, auf denen jene gebetsmühlenhafte Bezeichnung basiert. Im Prinzip dient dieses Attribut nur noch der medialen Diskreditierung jenes philosophischen Gedankengutes aus der Feder von Marx und Engels, das dummerweise jetzt auch noch zum Weltkulturerbe zählt. So entblödet sich manch exponierter Vollpfosten der Presse immer wieder mit der Behauptung, in Nord-Korea herrsche ein Steinzeitkommunismus. Was immer er damit meint, wenn er überhaupt damit etwas meint: es ist einfach nur strunz dumm, und dem Idioten sollte man das Mikrofon aus der Hand nehmen und ihn die in die Wüste schicken, oder Werbeslogans für Kinderschokolade dichten lassen. Gerne wird als Beispiel zum Scheitern „linker Utopien“ auch China herangezogen! China hat mit Kommunismus aber überhaupt nichts zu tun. China ist das Endstadium einer suizidalen neoliberalen Entgleisung, einer brutalen Ausbeutung von Ressourcen, der Natur und der Menschen – mithin das krasse Gegenteil einer kommunistischen Gesellschaft. Also, was soll das dumme Geschwätz?

Wenn heute jemand mit der unbotmäßigen Forderung aufwartet, dass ein Arbeitnehmer in einem Full-Time-Job von seinem Einkommen leben können sollte und folgerichtig einen ausreichenden Mindestlohn fordert – ich rede hier jetzt nicht von 8,50 €, das ist wieder eine andere Geschichte und eine Lachplatte obendrein, dann ist dieser jemand – richtig – ein Linker, der von den hochkomplexen Zusammenhängen in den Märkten keine Ahnung hat und den Wirtschaftsstandort Bundesrepublik Deutschland aus ideologischer Borniertheit mutwillig gefährdet. So war die Auffassung jedenfalls, bis das Schicksal in Gestalt von Angela Merkel erbarmungslos zuschlug. Jetzt haben wir den Mindesthungerlohn, die Linken keinen Wind mehr in den Segeln und die Sache ist abgehakt. Also: weiter suchen.

Zuweilen hört man in den Medien, dass sich „der linke Parteiflügel“ zu diesem und jenem abweichend zur Parteilinie, zur Fraktionsspitze, zu den Gremien und weiß der Geier zu was noch geäußert haben soll. Dann reibt man sich Auge und Ohr, wenn Jan Hofer davon berichtet und man feststellt, dass er die USA meint. Ein linker Flügel in den USA? In welcher Partei in den USA gibt es denn bitteschön einen linken Flügel? Oder die Linke in Israel fordert Benjamin Netanjahu zu irgend etwas auf. Die Linke? In Israel? Nö, oder?

Wisst Ihr was? Es ist mit scheißegal, wer was mit „links“ oder „rechts“ meint. Wenn sich jemand respektvoll verhält und auf das Wohle seines Nächsten – und Übernächsten – Rücksicht nimmt, ist es mit Jacke wie Hose, ob er von wem auch immer rechts, links, unten, oben, oder in der Mitte – auch so eine dämliche, überstrapazierte, ja beinahe schon mystifizierte Vokabel – verortet wird. Am mangelnden Respekt krankt die ganze Welt, nicht an Himmels- oder anderen Richtungen – Respekt hat nämlich keine Richtung!

In diesem Sinne: links von mir sitzt jemand, der, aus der Sicht seines links neben ihm sitzenden Nachbarn, rechts sitzt. Noch Fragen?


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Spitze Feder – Spitze Zunge

Diese Kolumne schreibt vorwiegend Peter Grohmüller seine Gedanken zur Welt und dem Geschehen unserer Zeit auf.
Seine fein geschliffenen „Ergüsse“ – wie er selbst sie nennt – erfreuen sich großer Beliebtheit.

Hin und wieder erscheinen in dieser Kolumne auch Beiträge anderer Autoren, die dann jeweils entsprechend genannt werden.

Die Texte sind Satire, Kommentare und Kolumnen. Es handelt sich um persönliche, freie Meinungsäußerung.

Für die Texte ist der jeweilige Autor verantwortlich.

Lesezeit ca.: 5 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 3. Februar 2020 | Peter Grohmüller 3. Februar 2020

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