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Das Kind zum Schutze der Öffentlichkeit vor dem Alter

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Kennt doch jeder, oder? Ich meine diese hübschen silber-metallenen Tafeln, die in den Gaststätten an der Wand hängen und das Gesetz zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit kundtun. Klar doch! Kennt jeder und wir alle haben den Quatsch auswendig gelernt. Ab 16 darf man, vorher nur in Begleitung Erwachsener oder nur kurz, um mal was zu fragen oder um aufs Klo zu gehen. Im Grunde genommen interessiert das keine Sau, um es mal klipp und klar zu sagen. Denn Gastwirte, die ihren Job ernst nehmen, kennen ihre Paragraphen und lassen sowieso keine Personen rein, die nicht rein dürfen und schenken vor allem an Nichtberechtigte keinen Alkohol aus. Und die Gastwirte, die es mit dem Gesetz nicht so genau nehmen, na die kümmert eine silberne Tafel mit Gesetzestexten auch nicht weiter. Etwas Überflüssigeres als diese Gesetzesaushänge gibt es wohl kaum.

Aber Deutschland ist voll von unnötigen Schildern mit noch unnötigeren Hinweisen. In Straßenbahnen hängt gerne am Ausgang das berühmte Schild mit der Aussteigeanleitung: „Linke Hand am linken Griff!“ Ja, wie denn sonst? Die rechte Hand am linken Griff würde es mit sich bringen, daß man rückwärts aussteigt und wer rückwärts aussteigt, der begreift den Unterschied zwischen links und rechts sowieso nicht.

Ich bin auch fest davon überzeugt, daß 90% der Schilder nicht dazu aufgehängt wurden, um irgendwem das Leben durch wertvolle Hinweise zu erleichtern. Nein, das Ziel dieser Schilder ist es, Verantwortung abzuwälzen, Meldeeifrigen einen Anlass zum Melden zu geben und um sinnlose Verbote zum Zwecke des Abkassierens durchzusetzen.
Mancher Rentner wäre seines letzten verbliebenen Lebenszwecks beraubt, würde man im die schönen Halteverbotsschilder vor seinem Haus wegnehmen…

So ein Rentner ist uns gestern Abend auch in einer Gaststätte begegnet. Dort verweilen wir bisweilen eine Weile und gestern wurde diese Weile etwas länger, tja, weils eben so schön war. Und mit uns verweilte unsere 12jährige Tochter, die sich besonders freute, weil ihr eine gute Freundin einen riesengroßen nichtalkoholischen Cocktail mit Schirmchen und Fähnchen ausgegeben hatte. Nun ist es unserer Kleinen das Allerliebste, wenn sie bei den Erwachsenen sein darf und einfach zuhören und zugucken kann. Es wurde etwa 22 Uhr, an einem Freitag.

Nun, wie lange dürfen Kinder eigentlich in einer Gaststätte sein? In einer ganz normalen Gaststätte, nicht in einem Nachtclub mit Stangentänzerinnen, hmm?
Klar, man findet im Internet schnell die passende Antwort und sie steht so ähnlich auch auf den oben beschriebenen silbernen Tafeln drauf:

Werden Kinder und Jugendliche von einer personensorgeberechtigten Person (i. d. R. die Eltern) oder von einer erziehungsbeauftragten Person begleitet, dürfen sich Kinder und Jugendliche zeitlich unbeschränkt in Gaststätten aufhalten.

Doch gestern Abend weckte die Anwesenheit unserer Kleinen die Aufmerksamkeit eines Gastes in besonderer Weise. An sich ein eher ruhiger und zurückhaltender Mann, der uns dort schon ein paar mal begegnet war und der zuerst das Gespräch mit meiner Frau und dann mit mir suchte, einfach so und ohne besonderen Anlass.
Aber dann wandte er sich meiner Tochter zu und fasste sie mehrfach an, durchaus keusch und ohne das man sich dabei etwas hätte denken können, flache Hand auf dem Rücken, also eher ein freundschaftliches Berühren.
Und dann soll er einen Satz gesagt haben, der noch für Aufregung sorgen sollte: „Was machst Du denn so spät noch hier, meinst Du nicht, Du solltest längst zu Hause sein? Du bietest Dich hier ja an wie Frischfleisch.“

Schade, ich war zu weit weg, um das mitzubekommen und live zu hören, sonst hätte ich mir weitere Maßnahmen vorbehalten. Zur Auswahl hätte sofortiges Ausserkraftsetzen der Nasenfunktion und das Abreissen der Ohren gestanden. Allein die Formulierung „sich wie Frischfleisch zu präsentieren“ hätte mich aufgeregt, denn das rückt meine kleine 12-jährige in die Nähe von Prostituierten.
Aber der Mann war angetrunken, war an diesem Abend sowieso etwas penetranter als sonst und ich persönlich sehe Angetrunkenen eher mal etwas nach. Außerdem ist meine Kleine nicht auf den Mund gefallen und weiß schon ziemlich genau, wie sich sich dumme, alte Blödschwätzer vom Halse hält.
Aber wie gesagt, ich war ein paar Meter weg, unsere Tochter saß bei einem befreundeten Ehepaar und so konnte ich nicht eingreifen.

Doch nun entwickelte sich ein kleines Drama, denn der Mann wurde wegen seiner anzüglichen Bemerkung hinsichtlich des Frischfleischs des Lokals verwiesen. Unsere Bekannte hatte das dem Wirt gesteckt und der hat den Dummschwätzer zum Gehen aufgefordert.

So weit, so gut.
Drama beendet.

Doch dann begann die Diskussion und es dauerte keine 20 Sekunden bis in unserer Runde das Wort „Pädophiler“ fiel. Das hat mich dann doch beschäftigt.
Ist es wirklich so, daß man in so einer Äußerung schon Anzeichen für pädophile Gedanken erkennen kann? Oder ist das dumme Geschwätz eines Angetrunkenen nicht ernst zu nehmen?
Gerede kommt ja schnell auf und noch schneller ist der Ruf eines Menschen ruiniert.
Wie gesagt, ich hätte den Typ auch nicht ungeschoren davonkommen lassen, zumindest hätte er sich eine Zurechtweisung eingefangen und im schlimmsten Fall, wenn sich da tatsächlich pädophiles Gehabe gezeigt hätte, hätte ich ihn eigenhändig vor die Tür gesetzt und ihm den guten Rat gegeben, sich in unserer Nähe nie wieder zu zeigen.

Aber ich weiß gar nicht, ob der Mann wirklich so veranlagt ist, kann nicht ausschließen, daß er nur in besoffenem Zustand dummes Zeug geplappert hat.
Was mich aber wirklich erstaunt: Wie schnell die Menschen Pädophile, Vergewaltiger, Exhibitionisten, Schwule und Transsexuelle in einen Topf werfen, in einem Atemzug nennen und jedem böse Absichten unterstellen.


Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:

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Der erfolgreiche Buchautor Peter Wilhelm veröffentlicht hier Geschichten, Kurzgeschichten, Gedanken und Aufschreibenswertes.

Lesezeit ca.: 6 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 15. März 2015 | Peter Wilhelm 15. März 2015

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