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Bis jetzt lohnt sich flattr nicht

Die Idee von flattr ist an sich gar nicht mal so schlecht. Man bietet einen Microbezahldienst an, bei dem die Teilnehmer (Leser) auf Buttons in Weblogs und Webseiten klicken können, um damit ihre (finanzielle) Anerkennung auszudrücken. Hierzu muß sich der Benutzer bei flattr anmelden, wenigstens 2 Euro im Monat investieren und diese dann fleissig an gute Blogger verteilen. Nachdem sich flattr selbst am Monatsende saftige 10% abgezogen hat (umsonst ist der Tod), bekommt der Blogger dann die Summe seiner flattr-Klicks gut geschrieben.
Klingt irgendwie gut, hat aber doch einige Pferdefüße, über die das System insgesamt noch stolpern könnte.
Einer der größten Kritikpunkte ist von einem Leser des lawblogs von Udo Vetter gut auf den Punkt gebracht worden:

Leser Jonas meint dort nämlich:

Was mich von der Nutzung von Flattr abhält: Meines Wissens gibt es keine datenschutzfreundliche und nicht Personenprofile erstellene Auflademöglichkeit.

– Paypal von eBay in Luxemburg behält sich in den Datenschutzbestimmungen vor, Kunden- und Transaktionsdaten in weitem Umfang an internationale Behörden, Auskunfteien und Adresshändler zu übermitteln. Von einer Vorratsdatenspeicherung ist auszugehen.

– Moneybookers sitzt im Überwachungs-Rekord- und Finanzkatastrophenland Großbritannien und erlaubt, wenn ich das richtig weiß, nur Überweisung und Kreditkarte, dank Geldwäschegesetz beides personengebundene Zahlungen. Selbst anonyme Überweisungen durch Bareinzahlung, soweit überhaupt möglich, verbittet sich Moneybookers in den AGB.

Als Auslandszahlungen unterfallen alle diese User-Zahlungen auch dem SWIFT-Abkommen und können von der US-Regierung in ihr Anti-Terror-Programm eingespeist werden, davon abgesehen, dass allein deutsche Banken Umsatzdaten mehrere Jahre lang vorratsspeichern und Profile erstellen und diese auch nutzen (auch wenn sie sie meines Wissens noch nicht verkaufen, das kommt erst noch). Mir klingelt noch die Empörung über das Abkommen im Ohr, und doch scheint man sich ihm devot zu unterwerfen und lässt sich freudig und ohne Not durchleuchten.

Dabei fehlt es an anonymen Zahlungs- oder Auflademöglichkeiten nicht: Es gibt Paysafecard (wird glaube ich sogar von der EU unterstützt), es gibt Ukash, es gibt Microdollar, es gibt Bezahlung per Telefon usw. Wem Komfort wichtiger ist, der mag ja parallel weiter Kreditkarte & Co benutzen und auf die nächsten Datenpannen, Hacking-Angriffe und Bankdatenankäufe durch die deutschen Finanzbehörden zumarschieren.

Desweiteren werden von nahezu allen Beteiligten die recht hohen Kosten des Systems kritisch beäugt. 10% sind ein Wort, da braucht man gar nicht lange herumdiskutieren. Natürlich verdient jede Mühe ihren Lohn, aber 10% sind happig. Die einen sagen nichts darüber, weil sie als quasi bestellte Clacqueure aus Selbstantrieb nur die vermeintlich positiven Seiten propagieren, anderen ist es bislang schlichtweg egal, kommt doch durch flattr auf einmal Geld aus einem bislang nicht erwarteten Kanal ins Haus.

Außerdem zeigen sich erste Ermüdungserscheinungen bezüglich des Geldflusses. Zwar beteuern einige noch, der Geldfluss sei über die Monate stabil geblieben, jedoch kann man derzeit überhaupt noch gar nicht sagen, wie sich das Flattrn entwickeln wird. Denn erst seit kurzer Zeit ist flattr aus der Beta-Phase heraus und somit jedermann zugänglich.
Das bringt einen großen Zulauf neuer Nutzer, die alle fleissig 2,- Euro mindestens aufladen müssen und natürlich nun auch schauen, wo und wie sie diese Flocken unter die Leute, sprich die Blogger, bringen. Ob sie dann über Monate hinaus jeweils mit 2 Euro dabei sein werden? Das wird sich erst zeigen.

Dann lockt der Boom natürlich auch immer mehr Blogger und Seitenbetreiber an und die, das wird manchen erstaunen, müssen zunächst auch einmal obligatorische 2 Euro investieren, damit sie überhaupt genommen werden und damit ihre Buttons zum Flattrn auch erhalten bleiben. So sind derzeit viele Leute unterwegs und flattrn was das Zeug hält. Tut man es nämlich nicht, dann wird das zum Flattrn aufgeladene Guthaben für wohltätige Zwecke gespendet, weg ist es also in jedem Fall.

Man muß sich das Flattr-Prinzip auch noch einmal ganz genau anschauen. Da zahlt also jemand 2 Euro ein. Im Verlaufe eines Monats klickt er 10 Artikel als besonders belohnungswürdig an. So wird also sein 2-Euro-Betrag exakt durch 10 geteilt und jeder Klick ist nur noch 20 Cent wert.

Spielen wir das einmal an einem Beispiel durch.
Sagen wir, in diesem Dreibeinblog hier gäbe es zehn Fans, die bei Flattr mitmachen. Sie haben insgesamt 20 Euro bei flattr aufgeladen.
Es erscheint ein Artikel und alle 10 Teilnehmer finden den klasse und klicken den flattr-Button darunter.
Somit ist in diesem Moment jeder Klick exakt 2 Euro wert und ich wäre um 20 Euro reicher.
Am nächsten Tag erscheint wieder ein Artikel und die zehn Leute sind wieder begeistert. Sie klicken erneut auf meinen flattr-Button unter dem Artikel und siehe da, ich bin immer noch genau bei 20 Euro Einnahme, denn nun hat jeder für sich bereits zweimal geflattrd und jeder Klick ist nur noch 1 Euro wert.
So geht das nun bei 10 Artikeln und alle zehn User haben brav 10 mal geklickt.
Sie glauben vielleicht, sie würden mir damit einen ganz besonders großen Gefallen tun, indem sie alles was ich so fabriziere mit einem Klick belohnen.
Doch leider teilt jeder Klick den Betrag immer weiter auf und bei zehn Klicks einer Person sind die 2 Euro schon nur noch 20 Cent wert.
Bei zehn Artikeln, zehn Usern bleibt unterm Strich alles bei 20 Euro. Selbst wenn die unter hunderte von meinen Artikeln ihre Klicks setzen, kann niemals einer mehr als das bezahlen, was er bei flattr eingesetzt hat.

Nun gut, das ist jetzt alles sehr „clean“ betrachtet und geht von der Annahme aus, diese Nutzer würden nur und ausschließlich bei mir klicken. Das tun sie aber nicht, sie klicken auch in ganz vielen anderen Blogs, denn das ist ja gerade das Prinzip von flattr: teilen,teilen, teilen…
Damit werden aber auch die Klicks immer weniger wert.

Bei einem Benutzer mit 2 Euro Guthaben sieht es so aus:

1 Klick = 200 Cent
10 Klicks = 20 Cent
100 Klicks = 2 Cent
200 Klicks = 1 Cent
1000 Klicks = 0,1 Cent

Das hat auch die „taz“ zu spüren bekommen. Sie schreibt in einem Artikel, daß die taz.de-Texte nicht seltener angeklickt (geflattrd) wurden als im Vormonat, ja es ist sogar eine Zunahme der Klicks von 4% gezählt worden. Jedoch:

Doch die Flattr-Klicks verloren deutlich an Wert: War ein Klick im Juli noch 26 Cent wert, waren es im August nur noch gut 22 Cent. Offenbar nahm im August die Zahl der Angebote, die Flattr als Bezahltool nutzen, schneller zu, als die Zahl der Flattr-User. Und so teilte sich das geflatterte Geld einfach stärker auf. Wir sind ein wenig enttäuscht.

Man wird flattr noch eine Weile beobachten müssen, um vielleicht in einem halben Jahr sagen zu können, ob sich das System überhaupt für irgendjemanden, außer natürlich für die Betreiber von flattr, gelohnt hat.

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Deshalb stehen rund 2.000 Artikel in dieser Rubrik hier. Nach und nach, so wie ich die Zeit finde, räume ich hier auf.

Lesezeit ca.: 7 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 27. November 2012 | Peter Wilhelm 27. November 2012

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